Die Feinde des Internets
13. Juni 2013Werden Nahrungsmittel nach den islamisch religiösen Ernährungsvorschriften hergestellt, dann bezeichnet man sie als "halal", um anzuzeigen, dass sie zum Verzehr geeignet sind. "Halal" ist ein arabisches Wort und steht für alles, was nach islamischem Recht "erlaubt" ist. Jetzt soll nach Ansicht der konservativen Machthaber in der islamischen Republik Iran auch das Internet "halal" werden.
Daher plant die iranische Regierung, das Land in Zukunft vom Internet abzutrennen und ein nationales Netz einzurichten. Entsprechende Absichten bekräftigte der iranische Telekommunikationsminister Reza Taghipour bei einer Rede 2012 an der Teheraner Amir-Kabir-Universität, wie die iranische Nachrichtenagentur Fars News berichtete. Das Internet werde von "ein oder zwei Ländern" kontrolliert, die dem Iran feindlich gesonnen seien, zitiert die Agentur den Minister. Ein nationales Netz könne die westliche Dominanz durchbrechen und das Land vor Cyberattacken schützen. Rund fünf Millionen Webseiten sollen im Iran bereits blockiert sein, dazu gehören Webseiten mit pornographischen Inhalten oder prophetfeindlichen Filmen und Karikaturen. Sie gelten als "Unreinheiten im Internet". Aber nicht nur diese Webseiten sind den Machthabern ein Dorn im Auge, sondern auch die Seiten unabhängiger, ausländischer Medien wie der Deutschen Welle sowie sämtliche soziale Netzwerke. Zudem werden verschlüsselte Verbindungen systematisch gestört.
Die sozialen Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009, die blutig niedergeschlagen wurden, haben das Projekt des "halal"-Internets gewaltig vorangetrieben. Damals haben sich die Protestierenden hauptsächlich über das Internet und die sozialen Netzwerke organisiert.
Ein eigenes Netz
Den kompletten Zugang zum Internet zu sperren, wäre für das Regime keine effektive Lösung. Das ständige Drosseln der Internetverbindung verhindert zwar eine reibungslose Kommunikation der Privatnutzer untereinander oder mit dem Ausland, schadet jedoch auch dem Handelssektor und unterbricht den behördlichen Datenverkehr. Deswegen sucht die Regierung in Teheran seit einigen Jahren nach alternativen Kontrollmaßnahmen. So ist die Idee von "Internet Meli" - dem nationalen Internet, entstanden. In Wirklichkeit ist dies nichts weiter als ein großes, nationales Netzwerk, an das die inländischen Server und Computer angeschlossen werden sollen. Funktionieren soll es wie ein internes Netzwerk einer großen Firma.
Dieses "Intranet" wäre jedoch über verschiedene Schnittstellen mit dem World Wide Web und somit mit dem Rest der Welt verbunden. Allerdings würden diese Schnittstellen vom islamischen Regime kontrolliert.
Ein schnelleres Netz für den Iran?
Für einen User im Iran würde sich auf den ersten Blick nicht viel ändern. Er würde sich, wie gewohnt, mit dem Netz verbinden. Den Zugang zu inländischen Webseiten erhielte er dann über das nationale Netzwerk. Sobald er aber eine ausländische Webseite abrufen wollte, würde über die vom Regime kontrollierten Schnittstellen eine Verbindung zu einem ausländischen Server hergestellt. Die Internetseiten, die nicht den Richtlinien des islamischen Regimes entsprechen, also nicht "halal" sind, blieben nach wie vor gesperrt. Der Nutzer würde das ständige Pendeln zwischen dem nationalen Netzwerk und dem normalen Internet nur durch die unterschiedlichen Surfgeschwindigkeiten merken. Das nationale Netzwerk soll bis zu sechzig Mal schneller sein. In den lokalen Medien wird das zukünftige stabile und schnelle Netz bereits bejubelt. Umgerechnet rund 600 Millionen Euro will das Regime in den kommenden fünf Jahren in das Projekt investieren. Sogar ein eigener iranischer Webbrowser soll entwickelt werden.
Bei Kritik droht Haft
"Da alle Daten über die vom Regime kontrollierten Schnittstellen weitergeleitet würden, könnte die Regierung alle Informationen, alle privaten Daten der iranischen Bürger kontrollieren", sagt der in Deutschland lebende iranische IT-Experte Mahmoud Tadjallimehr der Deutschen Welle. Und wer das Regime kritisiert, muss damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen. In den letzten Jahren wurden mehrere Internetaktivisten im Iran zu Haftstrafen verurteilt. Sattar Beheshti, ein Blogger, starb im Herbst 2012 in Untersuchungshaft. Er soll im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis zu Tode gefoltert worden sein. Seiner Mutter hatte man mitgeteilt, er sei an einer Krankheit verstorben. Der Iran wurde im Bericht der Organisation "Reporter ohne Grenzen" vom März 2013 zum wiederholten Male zum "Feind des Internets" erklärt.
Wann das Projekt "nationales Internet" endgültig auf den Weg gebracht wird, steht noch nicht fest. Mehrere Termine wurden bereits verschoben. Im Netz wird bereits darüber gespottet, dass der Regierung in Teheran wohl die technischen Kapazitäten und das Personal fehlten, das Vorhaben umzusetzen.