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Die Finanzen des "Islamischen Staats"

Kersten Knipp25. Februar 2015

Der "Islamische Staat" verfügt über gewaltige finanzielle Mittel. Sie speisen sich aus unterschiedlichen Quellen. Um sie zu bekämpfen, setzt die Internationale Gemeinschaft neben Gewalt auch auf die Macht des Marktes.

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IS Kämpfer halten Einzug in Raqqa (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Über Zulauf braucht sich die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) nicht zu sorgen. Aus fast allen Teilen der Welt brechen junge Männer (und immer mehr auch junge Frauen) auf, um sich den Dschihadisten anzuschließen. Einige tun es aus religiöser Überzeugung, andere, weil sie glauben, bedrängten Glaubensbrüdern auf diese Weise zur Seite stehen zu können. Noch andere lockt das Abenteuer oder schlicht die Lust an Verbrechen und Gewalt. Aber eines eint sämtliche IS-Milizen: Sie erhalten ein Gehalt. 500 bis 600 Dollar bezieht ein gewöhnlicher Kämpfer im Monat für seinen Einsatz. Rechnet man das hoch, kommt man auf eine erhebliche Summe bereits bei den unteren Chargen. Ebenso hat der IS einige Wohltätigkeitsprogramme aufgelegt, mit denen er Waisen, Witwen und Verwundete unterstützt. Insgesamt, berichtet die Zeitung "Al-Araby al-Jadeed", verfüge der IS für das Jahr 2015 über ein Budget von rund zwei Milliarden Dollar. Allerdings schließt die Zeitung nicht aus, dass der Betrag noch höher sein könnte.

Wie bietet der IS diese Summen auf? Bis in den vergangenen Herbst verdiente er vor allem durch das Geschäft mit dem Öl. Sowohl im Irak wie auch in Syrien hatte er auch Regionen in seine Gewalt gebracht, in denen Öl produziert wird. Teils waren die Anlagen trotz der Kämpfe intakt geblieben, so dass die Terroristen weiter Öl verkaufen konnten. Noch im vergangenen Herbst produzierte der IS nach Angaben der Zeitschrift "Foreign Affairs" täglich 44.000 Barrel Öl in Syrien und 4.000 Barrel im Irak. Doch dann verdichteten sich die Angriffe der von den USA geführten Internationalen Allianz gegen die Terrororganisation. Deren Flugzeuge nahmen auch die Förderanlagen unter Beschuss – mit der Folge, dass das Ölgeschäft erheblich geschrumpft ist.

Die Erdölraffinerie Baidschi im Irak wird von Flugzeugen der Anti-IS-Koalition beschossen JULI 2014(Foto: dpa)
Die Erdölraffinerie Baidschi im Irak wird von Flugzeugen der Anti-IS-Koalition beschossenBild: picture-alliance/dpa

Eine Vielzahl von Quellen

Doch der IS hat sich inzwischen andere Quellen erschlossen. So werden immer wieder Zuwendungen aus den Golfstaaten genannt. Eindeutig belegt sind sie allerdings noch nicht. Offenbar lassen aber Privatleute den Extremisten aus Sympathie für ihr extremistisches Gedankengut substantielle Summen zukommen. Andere wiederum zahlen aus genau entgegengesetzten Motiven: Sie fürchten, der IS könne auch auf der arabischen Halbinsel aktiv werden. Tatsächlich hat es bereits erste Scharmützel an der saudisch-irakischen Grenze gegeben. Um zu verhindern, dass sich die extremistische Gewalt auch innerhalb der Halbinsel ausbreitet, überweisen diese Staaten Geld an die Terrororganisation. Das behaupten zumindest Vertreter der kurdischen Regierung im Nordirak. Welche Stellen genau diese Summen zahlen, ist ebenfalls nicht bekannt.

Ganz erheblich finanziert sich der IS auch durch kriminelle Geschäfte. Mit Zigaretten, Medikamenten und Mobiltelefonen treibt er ebenso Handel wie mit syrischen und irakischen Antiquitäten. Auch Reisepässe hat er im Angebot. Sie stammen von den ausländischen Kämpfern der Organisation, die diese bei der Einreise nach Irak und Syrien für teils mehrere tausend US-Dollar pro Stück verkaufen. Der politisch hoch symbolische Entschluss, die alte Identität hinter sich zu lassen, wird so zu einer weiteren Einkommensquelle für den IS.

Weitere Mittel fließen dem IS auch durch Entführungen und Menschenhandel zu. Handelt es sich nicht um besonders prominente – also westliche – Geiseln, versucht der IS, Lösegelder für die Freilassung seiner Opfer zu erpressen. Ebenso finanziert er sich auch aus dem Verkauf weiblicher Geiseln, etwa entführter Yezidinnen. Zuletzt wurde berichtet, er sei auch in den Handel mit Leichen, genauer: Leichenteilen eingestiegen – menschliche Organe werden in vielen Krankenhäuser und Kliniken händeringend gesucht. Zudem legt der IS der Bevölkerung der von ihm eroberten Gebieten Steuern und Abgaben auf.

Infografik Vom „Islamischen Staat“ (IS) kontrollierte Gebiete

Den Markt durch den Markt schlagen

Einen Großteil seines wirtschaftlichen Erfolgs verdankt der IS der Expertise seiner Mitglieder. Unter ihnen sind nicht nur orientierungslose junge Menschen, denen die Terrororganisation Halt und eine aus ihrer Sicht sinnvolle Orientierung bietet. Mehrere Mitglieder der höheren und der Führungsebene sind ehemalige Mitglieder der irakischen Armee aus der Zeit Saddam Husseins. Von den Amerikanern verhaftet und in den verschiedenen Gefängnissen des Landes untergebracht, knüpft sie dort Kontakte zur irakischen Unterwelt. Auf diese greifen sie nun zurück.

Nach Einschätzung der mit Terrorismus und internationaler Kriminalität befassten Kriminologin Louise Shelley lassen sich die Geschäfte des IS nicht allein durch polizeiliche oder militärische Maßnahmen unterbinden. Vielmehr komme es darauf an, der – konkurrenzlos günstigen – Hehlerware des IS ein attraktives alternatives Angebot entgegenzusetzen. Ein solches sollten die USA unterstützen, schreibt Shelley in einem Beitrag für die Zeitschrift Foreign Affairs. "Um einen ökonomischen Konkurrenten zu schlagen, muss man mehr tun als seine Einkommensquellen zu kappen. Man muss ihn auf seinem eigenen Feld, dem Geschäftsleben, schlagen. Mit anderen Worten, es braucht ein legales Geschäft, um ein illegales zu schlagen."

Die antike Oase Palmyra in Syrien, 14.3. 2014 (Foto: AFP / Getty Images)
Auch eine Quelle des IS-Vermögens: Altertümer in Syrien, hier in der Oase PalmyraBild: Joseph Eid/AFP/Getty Images

Darum, schreibt sie, sollten die USA die irakische Regierung dabei unterstützen, die nationale Wirtschaft zu stützen und auf diese Weise attraktiv und damit konkurrenzfähig zu machen. Fehlten auf einem Markt attraktive Angebote, versuchten die Kunden sich diese auf einem anderen zu beschaffen. Auch sollte man das Know how der lokalen Unternehmen besser nutzen, um die Handelswege des IS besser zu identifizieren - und ihnen dann alternative Angebote entgegenzusetzen. Der Markt folgt eigenen Regeln. Wer sie missachtet, scheitert. Das gilt selbst für scheinbar allmächtige Terroristen.