Leben mit dem Risiko
27. August 2007Surano lacht zufrieden. Der Fang hat sich gelohnt, sein Netz ist mit Fischen prall gefüllt. "Das bringt mir auf dem Markt bestimmt 300.000 Rupiah.“ Umgerechnet sind das etwa 30 Euro. Nicht immer hat der Fischer aus Bungus ein so glückliches Händchen - am Vortag blieben gerade einmal 20 Fische im Netz hängen.
Keine Angst vor der Killerwelle
Bungus ist ein kleines verschlafenes Fischerdorf an der Westküste Sumatras. Der Alltag hier dreht sich um die Fischerei, nur selten gibt es Veränderungen, wie letzten Monat, als Suranos ältere Tochter heiratete. Und obwohl Bungus nicht weit von der Provinz Aceh entfernt liegt, wo der Tsunami 2004 ganze Küstenlandstriche verwüstete, macht man sich über eine Flutwelle keine großen Sorgen. "Eher habe ich Angst, dass die Fische ausbleiben und wir nichts zu essen haben“, sagt Syaiful, ein anderer Fischer. "Wenn der Tsunami kommt, dann kommt er eben. Daran kann ich auch nichts ändern.“
Bungus blieb damals verschont, doch in der nahe gelegenen Handelsstadt Padang fürchtet man eine Katastrophe, sollte sich eine Flutwelle vor der Küste aufbauen. Und das ist jederzeit möglich, weiß Erdbebenexperte Fauzi vom Geophysikalischen Institut in Jakarta. Die meisten tektonischen Plattenverschiebungen spielten sich unter dem Meeresboden ab. "Ein küstennahes Beben kann eine Flutwelle generieren, die innerhalb von 20 Minuten das Land erreicht. Wenn die Menschen dann nicht gewarnt sind, führt das in den Küstenorten zu Tragödien.“
Schwierigkeiten bei der Vorwarnung
Die indonesische Regierung arbeitet mit Hochdruck am Ausbau eines Frühwarnsystems. Moderne Messbojen und Seismometer, deren Daten satellitengestützt an ein Warnzentrum in der indonesischen Hauptstadt geschickt werden, sollen im Ernstfall für eine rechtzeitige Warnung der Küstenbewohner sorgen. Allerdings bereitet den Experten noch Kopfzerbrechen, wie ein Alarm alle Küstenbewohner erreichen kann. "Die Mobilfunknetze dringen in den fernen Regionen noch nicht überall durch“, weiß Fauzi.
Die in Padang ansässige Organisation Kogami arbeitet an der Entwicklung neuer Kommunikationswege. Vorwarnungen über Handys hält Leiterin Patra Rina Dewi für wenig hilfreich, zu arm seien viele Menschen, um sich solche Geräte leisten zu können. "Und was nützt allein eine Durchsage über Radio oder Fernsehen“, fragt sie, "wenn es die meisten gar nicht hören, weil sie auf See oder auf dem Reisfeld sind?“ Deshalb sollen Moscheen, Feuerwehr und Krankenhäuser mit in die Infrastruktur eingebunden werden, die im Ernstfall über Sirenen und Lautsprecherdurchsagen die Warnung verbreiten können. Zusätzlich ist die Installation von Tsunami-Sirenen auf Mobilfunkmasten in Küstennähe geplant. Selbst in entlegenen Gebieten würde man den Alarm hören können, glaubt Patra.
Sensibilisieren und informieren
Kogami befürchtet trotz aller Vorbereitung eine humanitäre Katastrophe, falls ein Tsunami wie 2004 die Stadt Padang treffen sollte. "Selbst bei einer Vorwarnzeit von 30 Minuten werden mindestens 60.000 Menschen sterben“, befürchtet Koordinator Zein. "Denn es gibt weder ausreichende Evakuierungswege noch geeignete Zufluchtsgebiete.“ Da Padang, wie viele Küstenstädte Indonesiens, weitgehend auf Meereshöhe liegt, könnte eine Flutwelle ungehindert große Teile des Stadtgebiets erreichen.
Zein warnt vor zuviel Technikgläubigkeit. "Wir sollten uns nicht nur auf die Wissenschaft verlassen, sondern unserer eigenen Wahrnehmung vertrauen. Wenn wir ein Beben spüren, sollten wir laufen - und nicht abwarten.“
Für die Fischer von Bungus wäre diese Einstellung möglicherweise fatal. Denn nicht immer geht einer Flutwelle ein auf dem Festland spürbares Erdbeben voraus. Wenn man erst dann reagiere, wenn sich das Meer vom Strand zurückzieht, sei es oft zu spät, erklärt Geophysiker Fauzi. Er hofft, dass die Küstenbewohner da bereits durch das Alarmsystem vorgewarnt wurden.
Fischer Surano jedenfalls bleibt gelassen: Vor kurzem sei in der Nähe eine Sirene installiert worden. "Aber wie sie klingt, weiß ich nicht. Wir haben sie noch nie gehört."