Horrorklassiker aus Deutschland
1. August 2014Es gibt wohl kaum einen anderen deutschen Spielfilm, über den so viel geschrieben worden ist: "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) von Robert Wiene war künstlerisch bahnbrechend, kommerziell erfolgreich und bot zudem aufgrund seiner komplexen Handlung und Erzählstruktur vielfache Interpretationsmöglichkeiten an.
Deutsches Kinojahrzent mit Weltgeltung
"Caligari" stand am Anfang eines für das deutsche Kino ungemein erfolgreichen Jahrzehnts. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs war er der erste bedeutende Film des Expressionismus und beeinflußte das deutsche Kino der Weimarer Republik nachhaltig. Auch Hollywood starrte damals gebannt auf die Produktionen aus deutschen Filmstudios.
Auch wenn Filme wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" oder der Vampirklassiker "Nosferatu" inzwischen auch Nicht-Cineasten bekannt sein dürften, so gibt es immer wieder noch Entdeckungen zu machen. Zum einen, weil die Meisterwerke des expressionistischen Films erst nach und nach restauriert und dem Publikum auch auf DVD und Blue-ray angeboten werden.
Zum anderen, weil Publizistik und Filmwissenschaft die rekonstruierten Fassungen der Klassiker begleiten und dem Zuschauer schmackhaft machen. "Die Geburt des Horrors im 1. Weltkrieg" heißt beispielsweise eine von Rüdiger Suchsland gedrehte sehenswerte Dokumentation, die Wienes Film in die deutsche Historie zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und Machtergreifung durch die Nationalsozialisten einordnet.
Schließlich sind auch abseits der bekannten Meisterwerke Filme (wieder-) zu entdecken, die man gemeinhin "nur" als Nebenwerke großer Filmkünstler wie Friedrich Wilhelm Murnau oder Fritz Lang kennt. Diese Filme kamen in den letzten Jahren ebenfalls vermehrt auf den Markt. Murnaus früher Film "Schloß Vogeloed" ist ein Beispiel.
Kurze, aber einflussreiche Filmkarriere
Der deutsche F.W. Murnau, 1888 in Bielefeld geboren, mit jungen Jahren einer der Regiestars des deutschen Films der Weimarer Republik, ging bereits 1926 nach Hollywood. Hier drehte er noch vier Filme, bevor er 1931 bei einem Autounfall an der amerikanischen Westküste ums Leben kam. Bevor der Regisseur zwischen 1922 und 1926 mit "Nosferatu", "Der letzte Mann" und "Faust" drei bahnbrechende filmische Meisterwerke schuf, hatte er 1921 "Schloss Vogeloed" inszeniert. Dieser nahm bereits zahlreiche formale und erzählerische Komponenten seiner späteren Werke vorweg.
Es ist die Geschichte einer Männergesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts. In einem abgelegenen Schloss im Wald kommen ein paar Adelige zusammen, um der Jagd zu frönen. Doch das Wetter ist schlecht: Regen, Wind und Sturm verhindern das Ausreiten und die Jagd. Stattdessen wird die Gesellschaft von einem bereits Monate zurückliegenden Mord in Atem gehalten. Der vermeintliche Täter hat sich selbst auf das Schloss eingeladen, die Ehefrau des Opfers und ihr jetziger Ehemann sind ebenfalls anwesend. Murnau spinnt vor diesem Hintergrund ein Geflecht aus Verdächtigungen, Intrigen, falschen Identitäten und melodramatischen Elementen.
Vorläufer des Vampirklassikers Nosferatu
Obwohl in erster Linie ein Kammerspiel, weist "Schloss Vogeloed" bereits zahlreiche stilistische Merkmale von Murnaus späterem ungemein einflussreichen Horrorklassiker "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922) auf. Visionen am helllichten Tag und nächtliche Alpträume, haarige Monster und eine zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit angelegte Szenerie sind Elemente des Films. Ein Frühwerk des Meisterregisseurs, das heute noch fasziniert und einmal mehr zeigt, dass die Aufteilung in Haupt- und Nebenwerke großer Regisseure oft wenig hilfreich ist.
"Schloss Vogeloed" ist beim Anbieter "Universum Film"/"Transit Classic" in der Edition der "F.W. Murnau Stiftung" in einer Box mit zwei weiteren Filmen des Meisters erschienen: "Faust - eine deutsche Volkssage" sowie "Nosferatu". Als Blu-ray liegen beim selben Anbieter "Das Cabinet des Dr. Caligari" und "Nosferatu" vor. Allen Ausgaben sind ausführliche Booklets mit Essays zu den jeweiligen Filmen und deren Rekonstruktionsgeschichte beigegeben. Zu den umfangreichen Extras gehören Dokumentationen über den deutschen Filmexpressionismus, das Werk Friedrich Wilhelm Murnaus sowie die erwähnte Dokumentation "Die Geburt des Horrors im 1. Weltkrieg". Die Filme liegen in der aktuellsten restaurierten Fassung vor.