Die große Liebe zum Auto
3. März 2005Als ich anfing, die Bildergalerie (siehe unten) zusammenzustellen, hat mich mein Kollege hämisch grinsend gefragt: "Bist du denn überhaupt kompetent dafür?" - Gelächter in der Redaktion. Okay, ich gebe es zu: Mit Hubraum, Zylinderzahl, Ventilen und technischen Details kann ich überhaupt nichts anfangen. Aber Schönheit kann doch jeder erkennen, oder? Und meine Begeisterung wuchs, je älter die Autos auf den Bildern wurden. Wenigstens bis in die fünfziger Jahre, dann nahm sie wieder etwas ab. Die ganz alten Kutschen sehen mir doch zu sehr nach Kostümfilm aus.
Schwere Trennung
Was macht eigentlich den wahren Auto-Liebhaber aus, habe ich mich gefragt? Bei meinem romantischen Liebeskonzept gehe ich davon aus, dass die echte, große Liebe nicht so oft im Leben daherkommt. Bei mir kam sie sehr früh. Wie sehr ich unseren alten, verbeulten Peugeot 305 vergötterte, wurde mir allerdings erst klar, als meine Eltern beschlossen, ein neues Auto zu kaufen. Ich war fünf und todunglücklich wegen der Entscheidung. Unser herrlich hellblaues Auto - und ich kannte kein anderes Auto in dieser wunderbaren Farbe - hatte uns doch jedes Jahr treu zum Camping nach Frankreich und an den Gardasee geschaukelt. Und mir nicht mal meine plötzliche Übelkeit in den Alpen lange krumm genommen (Essig ist ein guter Flecken-Entferner). Meine Eltern waren sich sicher, noch einen TÜV würde unser geliebtes Auto einfach nicht mehr überstehen und vollzogen die Trennung. Voreilig! Jahrelang fuhr unser Peugeot noch durch die Gegend; der neue Besitzer schien allerdings Freude dran zu haben, ihn ständig neu mit Sonnenblumen und anderem Hippie-Kram zu bemalen. Eine bodenlose Respektlosigkeit, wie wir fanden, und wir blickten dem Peugeot traurig hinterher, wenn er mal wieder an uns vorbeifuhr. Die Abnabelung von dieser ersten Autoliebe dauerte lange, und ich verweigerte allen Nachfolgern (zwei Passat-Familienkutschen, ein Opel-Rentner-Schiff) konsequent meine Zuneigung.
Lebensretter
Es dauerte mehr als 20 Jahre, bis ein anderes Auto dem Peugeot den Rang ablaufen konnte. Es war "ein Japaner". Rot und auch zerbeult und alt wie der Peugeot. Die Marke? Keine Ahnung. Ich war Austauschstudentin in Kanada und das Auto gehörte meinem Mitbewohner, der es immer sehr großzügig an alle verlieh. Er hatte keine besondere Angst um seinen Wagen; er betrachtete ihn als reinen Gebrauchsgegenstand. Wie ich eigentlich auch. Bis ich ihn mir eines Tages im Winter auslieh und mit meinem deutschen Freund fröhlich durch die Landschaft fuhr. Es war bitterkalt - mindestens minus 20 Grad Celsius - und plötzlich wurde uns klar, dass Entfernungen in Kanada ein bisschen anders aussehen als in Deutschland. Schlagartig fiel uns auch ein, dass eine radikal niedrigere Bevölkerungsdichte sich ziemlich dramatisch auswirken kann, wenn man keine Ahnung hat, wo man ist, wie lange der Sprit noch reicht und wenn man nichts zu essen oder zu trinken dabei hat und auf der Straße außerdem noch alle paar Meter riesige Gesteinsbrocken herum liegen, die sich offensichtlich von den Felswänden am Straßenrand gelöst hatten. Und dann kam die ganz große Frage: Was wenn der Motor nicht mehr mitmacht? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass der Wagen liegen geblieben wäre. Drei lange Stunden fuhren wir ziemlich still vor uns hin. Als wir schließlich das erste Dorf erreichten, stürmten wir die Tankstelle, kauften unglaublich viel unglaublich ungesundes Essen und sanken schließlich erschöpft und extrem erleichtert wieder in das Auto. Und ich glaube, nicht nur ich habe heimlich das Armaturenbrett gestreichelt. Noch immer empfinde ich tiefe Dankbarkeit für den Japaner. Auch sein Ende war übrigens traurig: Autofriedhof.
Was würde ich mir wünschen, eine meiner beiden großen Auto-Leidenschaften in der Bildergalerie unterbringen zu können! Aber ich fürchte, außer mir würde wohl niemand meine großen Gefühle für den Peugeot und den Japaner teilen.