Die Herren der Seltenen Erden
19. November 2010Scandium, Lanthan, Ytterbium - die meisten Menschen werden mit diesen Namen nichts anzufangen wissen, dabei verursachen sie gerade viel Aufregung. Die sogenannten Seltenen Erden und andere Nebenmetalle drohen knapp zu werden. Das ist für viele Industrieländer bedrohlich, da diese Metalle insbesondere in Zukunftstechnologien wie Batterien von Elektroautos, Flugzeugturbinen, Solarzellen oder Bildschirmen eingesetzt werden.
Gefördert werden sie derzeit vor allem in Ländern, mit denen sich der politische Umgang schwierig gestaltet. Russland, Brasilien, Kongo oder China. Beispiel: Die Seltenen Erden kommen fast ausschließlich aus China, doch das Land will künftig die begehrten Rohstoffe für die eigene Produktion behalten und weniger exportieren. So wurden erst im Sommer auf europäischer Ebene 14 Metalle als kritisch eingestuft.
Ein gutes Netzwerk entscheidet
Auch vor der Exportbeschränkung Chinas war es schon nicht ganz einfach, an solche Rohstoffe zu kommen. Zwar gibt es eine Börse in Shanghai - hier dürfen Ausländer aber nicht kaufen. Trotzdem findet man in der eher klein wirkenden Lagerhalle des Familienbetriebes Haines & Maassen in einem Bonner Vorort so manchen begehrten Rohstoff. Die fünf Meter hohen Regale beherbergen rund 850 verschiedene Metalle in Kisten, Tonnen, Schraubgläsern oder Säcken. In einem der unteren Fächer stehen elf Fässer - 50 Zentimeter hoch und breit. Darin befindet sich Hafnium.
"Diese schwarzen Fässer machen in etwa fünf Prozent der Weltjahresproduktion dieses Metalls aus", erklärt Gunther Maassen. Er ist einer der Inhaber des Unternehmens. Vor über 60 Jahren stieg sein Vater in den Handel mit Metallen ein, inzwischen wird er von seinen zwei Söhnen unterstützt. Dabei haben sie sich auf eine besondere Nische spezialisiert, nämlich auf sogenannte Nebenmetalle und Seltene Erden. "Der entscheidende Faktor ist, dass man ein Netzwerk aufgebaut haben muss, um die wenigen Produzenten und Verbraucher zusammenzuführen", sagt Maassen. So gebe es beispielsweise bei Hafnium nur drei große Hersteller weltweit, von denen einer zurzeit nicht produziere.
Langjährige Tradition hilft im Geschäft
Seit rund 40 Jahren besucht der inzwischen 77jährige Vater jedes Jahr die Londoner Metallbörse - auch wenn dort nicht die begehrten Nebenmetalle und Seltenen Erden gehandelt werden. Und auch seine Söhne reisen regelmäßig durch die Welt, um Kontakte zu pflegen und neue aufzubauen. Besonders in China, aus dem das Unternehmen etwas mehr als die Hälfte seiner Rohstoffe bekommt, profitieren die Maassens von der langjährigen Tradition ihres Unternehmens.
Ihrem guten Namen verdanken sie es außerdem, das sie auch von ausländischen Unternehmen, die ihre Metalle verkaufen möchten, angesprochen werden. Und wenn jemand mal eine speziellen Rohstoff sucht, wird ihm bei den Maassens ebenfalls weitergeholfen. "Wir haben in China einen Herren sitzen, den nennen wir intern Pfadfinder, der bekommt permanent neue Aufgaben von uns“, erzählt Maassen. "Der macht sich für uns auf die Socken, und im Allgemeinen ist er recht erfolgreich und kann uns irgendwas vermitteln und so auch immer neue Kontakte bringen.“
Seltene Erden als Geldanlage
Solche besondere Nachfragen kommen meist aus der Forschung. 80 Prozent der Verträge, die Haines und Maassen schließen, werden mit Forschungsinstituten gemacht. Da dort aber nur sehr kleine Mengen gebraucht werden, macht das Familienunternehmen den Großteil des Umsatzes mit der Industrie. Daneben gibt es auch noch solche Kunden, die Metalle kaufen möchten, um ihr Geld in Sachwerte anzulegen.
Diese Kunden und die zunehmende Knappheit auf den Rohstoffmärkten haben Maassens auf eine Idee gebracht, nämlich die Anleger mit der Industrie zusammenzubringen, "damit sie der Industrie dieses Material in vier, fünf Jahren, wenn dann wirklich die Spitze der Knappheit erreicht ist, wieder zur Verfügung stellen“. Im Gegenzug könnte sich die Industrie an den Lagerkosten beteiligen und dafür entsprechenden Vorverkaufsrechte erhalten, erklärt Maassen.
Liebhaber von Metallen
Neben all diesen geschäftlichen Aktivitäten ist Gunther Maassen aber auch ein Liebhaber seiner Metalle und Seltenen Erden. So hat er große Brocken verschiedener Materialien gesammelt, die heute Seltenheitswert haben, weil sie inzwischen meist direkt in den Minen zerkleinert werden. Wer Maassen besucht, der bekommt mit etwas Glück eine Scheibe aus einem Meteoriten in die Hand gelegt und wird überrascht sein, über das hohe Gewicht. "Und genau so haben wir eine Tiefseemanganknolle. Das ist das Material, was in kleinen Brocken auf dem Meeresgrund liegt, in drei- bis viertausend Meter Tiefe,“ schwärmt Gunther Maassen.
Seine Begeisterung hat bereits den Sohn angesteckt, der ebenfalls in das Unernehmen einsteigen möchte. Verkaufen will Maassens seine besonderen Stücke übrigens nicht. Sie werden gelegentlich mal für Ausstellungen verliehen, vor allem aber für die Enkelkinder aufbewahrt, die vielleicht eines Tages dieselbe Begeisterung für Metalle entwickeln werden wie schon Vater, Großvater und Urgroßvater.
Autorin: Insa Wrede
Redaktion: Rolf Wenkel