Die Jagd nach bezahlbarem Wohnraum
22. Juli 2019"Suche dringend Wohnung". Immer öfter liest man solche Anzeigen, in der Zeitung, im Internet oder auch auf den Schwarzen Brettern etwa in Supermärkten. Denn immer mehr Menschen in Deutschland stehen vor dem Problem, eine passende Bleibe zu finden. Insbesondere in den Großstädten ist der Markt leergefegt. Die Folge: Der Preis steigt, bezahlbarer Wohnraum ist ein knappes Gut.
Den Mangel stellt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln nun in konkreten Zahlen vor. Seiner soeben erschienenen Studie zufolge ist in Deutschland in den vergangenen drei Jahren zwar gebaut worden - rund neue 283.000 Wohnungen kamen auf den Markt. Allerdings deckt dies den Neubedarf nur zu vier Fünfteln. Soll die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage geschlossen werden, bräuchte es in diesem und dem kommenden Jahr jeweils rund 340.000 neue Wohnungen. Gefordert seien vor allem die Kommunen, sagt Studien-Autor Ralf Henger im Gespräch mit der DW. Sie müssten versuchen, das Bauen zu erleichtern.
Vor allem die Großstädte hängen der Studie zufolge beim Bau hinterher. So wurden in Köln und Stuttgart nur rund die Hälfte der Wohnungen gebaut, die laut IW nötig wären, um die Nachfrage zu decken. Auch München, Frankfurt am Main und Berlin bauen weniger Wohnungen als nötig, wenn die Diskrepanz auch kleiner ist. Doch auch in anderen Städten wird kaum genügend gebaut. "Hier fehlen nicht nur aktuell Wohnungen, sondern auch längerfristig bedarf es einer weiteren Steigerung der Bautätigkeit", heißt es in der Studie.
Personalmangel und Vorschriften
Die Gründe für den Mangel seien vielfältig, sagt Tobias Just, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der "International Real Estate Business School" der Universität Regensburg. "Der wichtigste Faktor ist der Zugang zum Bauland", sagt Just im Gespräch mit der DW. "Es fehlt gewissermaßen schlicht an Baumöglichkeiten. Zudem laufen die Genehmigungsprozess in eine Reihe von Städten noch zu langsam."
Hinzu käme das Problem, dass überall dort, wo gebaut werden könnte, Bürger gegen neue Bauvorhaben protestieren. "Sie sagen ganz zu Recht, dass das ihre Wohnqualität beeinträchtigen würde. Das führt dann umgekehrt aber dazu, dass selbst dort, wo gebaut wird, dies nicht in der möglichen Geschwindigkeit geschieht". Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch die Autoren der Studie. "Man kommt mit dem Bauen nicht hinterher", sagt Ralph Henger im Gespräch mit der DW.
Belastend wirke sich auch ein weiterer Faktor aus, so Just: "Die Baukosten sind in den letzten Jahren gestiegen. Das hat dazu geführt, dass vor allem in einem Segment gebaut wird: dem relativ teuren."
Anspannung in den Metropolen
Besonders angespannt sei die Lage in den Groß- und Universitätsstädten. Hoher Zuzug, knappes Personal in Bauämtern, strenge Vorschriften und der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft hemmten das Wachstum zusätzlich.Die Städte müssten sich anstrengen, um die Mietenentwicklung zu bremsen.
Die wichtigste Aufgabe sei daher, den Zugang zu Bauland zu erweitern, sagt Tobias Just. "Das heißt auch, dass wir die Städte auch ein wenig größer denken müssen. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir jedes Jahr 300.000 Wohneinheiten in die bereits bestehenden Strukturen hineinsetzen können. Vielmehr müssen die Städte mehr nach außen wachsen." Periphere Lagen müssten dann aber auch attraktiver gemacht werden - etwa durch die Verlagerung von Behörden in kleinere Städte oder den Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs.
Bauboom in strukturschwachen Regionen
Ganz anders sieht es laut den Autoren der IW-Studie auf dem Land aus: "Während in den Ballungszentren ein regelrechter Kampf um Wohnraum tobt, wird in vielen strukturschwachen Landkreisen und Städten zu viel gebaut." In 69 der 401 kreisfreien Städte und Landkreise wurden in den vergangenen zwei Jahren über 50 Prozent mehr Wohnungen gebaut, als laut dem IW-Modell tatsächlich benötigt werden. Die Folge davon sei Leerstand.
Auf absehbare Zeit bleibt das Problem in den Städten akut. Die Mieten dürften weiter steigen, erwartet Just, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie in den letzten Jahren. Denn inzwischen würde mehr gebaut als noch vor einigen Jahren. Auch sei der Zuzug in die Großstädte nicht mehr ganz so massiv. Deswegen dürften die Mietsteigerungen etwas langsamer ausfallen, vermutet Just. "Die Preise für die Immobilien werden hingegen vermutlich noch etwas stärker steigen als die Mieten. Das liegt daran, dass institutionelle Anleger wenig Alternativen zu Immobilien haben. Aufgrund der schwachen Renditen bei anderen Anlageformen werden sie regelrecht in Immobilien gedrängt."
Immerhin eine halbwegs gute Nachricht enthält die Untersuchung. Perspektivisch könnte sich das Problem Wohnungsknappheit zumindest etwas entschärfen: Nach Schätzung der Studienautoren sinkt der Bedarf bis 2025 auf jährlich rund 260.000 und bis 2030 auf rund 246.000 Wohnungen. Hauptgrund hierfür: Die zu erwartende sinkende Zuwanderung. Bis dahin dürfte es aber oft weiterhin heißen: Wohnung dringend gesucht.