Woche der Brüderlichkeit
7. März 2014"Bei mir kommt jeder gerne essen. Ob Jude oder Christ, alle mögen meine jüdischen und israelischen Spezialitäten." Elisabeth Weiss leitet seit 36 Jahren die koschere Kantine der Synagogen-Gemeinde Köln und hat seitdem so manchen Gast mit ihren Kochkünsten begeistert. Und es kommen viele Gäste. Regelmäßig organisiert die Synagoge Führungen sowie kulturelle Veranstaltungen und empfängt Besucher jeden Alters, jeder Schicht und jeder Religion.
"Es gibt einen sehr intensiven Austausch mit der nicht-jüdischen Öffentlichkeit, insbesondere im interreligiösen Dialog mit den christlichen Kirchen", erklärt der Rabbiner der Synagoge, Joran Engelmayer.Die meisten seiner Veranstaltungen organisiert der orthodoxe Jude gemeinsam mit der Kölnischen Gesellschaft für die christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Gesellschaft setzt sich aus den unterschiedlichsten Menschen zusammen: Juden, Christen, Politiker und Theologen, einfach all jenen, die sich sozial engagieren und den Dialog zwischen den Religionen fördern wollen.
"Das geschieht auch sehr erfolgreich. Die Veranstaltungen sind sehr gut besucht", erklärt der Rabbiner im DW-Interview. "Und, dass nicht nur von den Mitgliedern, sondern auch von Personen, die über das Umfeld oder aus der Stadt erreicht werden."
Freiheit – Vielfalt – Europa
Insgesamt 80 Gesellschaften für die christlich-deutsche Zusammenarbeit gibt es bundesweit, mit rund 20.000 Mitgliedern. Einmal im Jahr feiern die Gesellschaften die "Woche der Brüderlichkeit", die dieses Jahr unter dem Thema "Freiheit – Vielfalt – Europa" steht. Den Auftakt bildet am 9. März die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille, die Persönlichkeiten auszeichnet, die sich für den Dialog zwischen Christen und Juden einsetzen. In diesem Jahr wird der ungarische Schriftsteller und Essayist György Konrád geehrt, der sich mit seinen engagierten Schriften gegen Rassismus und für eine freie Gesellschaft einsetzt.
Neben der zentralen Eröffnungsfeier in Kiel gibt es im ganzen Land Veranstaltungen. In Köln lud man in den vergangenen Jahren vor allem bedeutende Dichter und Intellektuelle ein: Walter Jens, Hilde Domin oder auch Navid Kermani gehörten zu den Rednern. Wegen der aktuellen Debatte um die Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien wird man in diesem Jahr politisch: Romani Rose, der Zentralratsvorsitzende der Sinti und Roma in Deutschland spricht demnächst über den Umgang mit Minderheiten in der Bundesrepublik. "Wir möchten unsere Solidarität und die Notwendigkeit eines brüderlichen Umgangs mit diesen Menschen, die zu uns gekommen sind, zum Ausdruck zu bringen", sagt der Vorsitzende der Gesellschaft der christlich-jüdischen Gesellschaft in Köln, Jürgen Wilhelm. Als Vorsitzender des Landschaftsverbands Rheinland und aktives Mitglied der SPD, weiß der Politiker über die Vorurteile gegenüber Zuwanderern Beschied: "Es gibt oft Kritik, dass das nur Sozialhilfeempfänger werden in Deutschland und dass sie nur in die Sozialsysteme wollen."
80 Prozent der Gemeindemitglieder sind Zuwanderer
Zuwanderung ist auch für die jüdischen Gemeinden ein großes Thema. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs und durch die Öffnung der Grenzen zu Osteuropa wuchsen die Gemeinden bundesweit um ein Vielfaches an. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte die Kölner Gemeinde nur einige 100, in den 1980er Jahren knapp 1000 Mitglieder. Mittlerweile sind es ca. 7000 Gläubige.
Im Vergleich zu Kölns eine Million Einwohner ist die jüdische Bevölkerung aber immer noch eine Minderheit. Und diese Realität spiegelt sich auch in der Arbeit der Gesellschaft zur deutsch-jüdischen Zusammenarbeit wider. Viele Deutsche sind noch nie mit der jüdischen Kultur in Berührung gekommen und sind regelrecht gehemmt. "Die jüdische Religion, der jüdische Mensch persönlich, ist manchen fremd. Um diese Vorurteile abzubauen, sind wir so aktiv", erklärt Jürgen Wilhelm.
Ausbruch aus dem rein chritslich-jüdischen Diskurs
Rund 60 Veranstaltungen organisieren die Kölner jährlich und davon setzten sich nur zwei bis drei mit rein theologischen Themen auseinander. Köln ist mit Sicherheit ein Musterbeispiel. Doch auch in anderen Regionen Deutschlands bricht man aus dem rein christlich-jüdischen Diskurs aus und rückt verstärkt gesellschaftspolitische Themen in den Mittelpunkt. In Berlin etwa wird im April über Extremismus und Fanatismus im Islam diskutiert. Altmodisches Motto hin oder her: Die Themen der "Woche der Brüderlichkeit" sind aktueller denn je.