Kirche als Friedensmittler in Afrika
5. Oktober 2012"Gott – wir beten um Frieden", singen die Menschen in der Bezirksstadt Rutshuru. Es ist Sonntagmorgen, die Sonne geht gerade über den Hügeln im Osten Kongos auf. Hunderte Menschen strömen bereits zu dieser frühen Morgenstunde, herausgeputzt in Sonntagskleidung, in die katholische Kirche, ein großes Gebäude aus Ziegelsteinen.
Mittler zwischen Rebellen und Staat
Die Kleinstadt Rutshuru liegt mitten im Rebellengebiet der Kämpfer der M23 – eine Miliz, die im Frühjahr von Deserteuren der Armee gegründet wurde. Seit Beginn der Kämpfe gegen die Regierungsarmee im Mai hat die M23 einen Landstrich an der Grenze zu Ruanda und Uganda erobert. Dort errichten sie jetzt einen Staat im Staat. Über eine halbe Million Menschen sind wieder auf der Flucht.
Bischof Theophile Kaboyi ist von der Provinzhauptstadt Goma in die 100 Kilometer nördlich gelegene Rebellenstadt Rutshuru gekommen. Er hält hier eine Messe ab, an der auch die Rebellenkommandeure teilnehmen. Er wolle auch den M23-Kämpfern eine Friedenbotschaft bringen, sagt Bischof Kaboyi. "Unsere Rolle ist es, beide Seiten dazu zu bewegen, über den anderen nachzudenken. Wir wollen niemanden verurteilen. Vielmehr wollen wir vermitteln, dass die Situation schlecht ist. Wir fragen warum dieser Krieg nötig ist und wie man den Frieden wieder herstellen kann."
Die Kirche erreicht alle Menschen im Kongo
Die Kirche hat schon immer eine besondere Rolle in Afrika gespielt, vor allem in der Demokratischen Republik Kongo. In der belgischen Kolonialzeit hat sie den Staat in der öffentlichen Verwaltung unterstützt, teilweise sogar ganz ersetzt. Die weißen Missionare waren in den abgelegenen Dschungeldörfern präsenter als die Staatsangestellten. Und es waren die Kirchen, die mit Hilfsgeldern aus Europa Schulen, Universitäten und Krankenstationen gebaut haben.
Diese Rolle hat sich bis heute kaum verändert: Die Kirchen – nicht allein die katholische – gelten als die einzige zuverlässige Institution, die auch in den abgelegenen Regionen im Dschungel für Entwicklung sorgt und sich den Bedürfnissen der Menschen annimmt. Sie bauen Brunnen für Trinkwasser und Brücken zur Flussüberquerung. Die Kirche sei ein bedeutender Entwicklungshelfer, betont Bischof Kaboyi, und sie trage dadurch nachhaltig zum Frieden bei. "Wir bemühen uns um Entwicklung. Wenn sich die Bedingungen verbessern, vergessen die Menschen was sie trennt, weil sie gemeinsam etwas aufbauen."
Eins der grundlegenden Probleme sei die hohe Arbeitslosenrate, erläutert Kaboyi die Ursachen der Gewalt im Ostkongo: "Die Menschen sind vor dem Krieg auf der Flucht. Sie verlassen ihre Felder und gehen in die Städte. Sie tragen dann aber zur Unsicherheit in Städten wie Goma bei, weil sie keine Arbeit haben und sich kriminellen Banden anschließen, die wiederum die Gewalt anheizen", sagt er.
Zu Friedenstagen aufgerufen
Nicht nur die zahlreichen Rebellengruppen sorgen in jüngster Zeit für Gewalt und Tod im Ostkongo, sondern auch die Regierungssoldaten und die arbeitslosen jungen Männer, von denen Bischof Kaboyi spricht. Junge Männer, die aus Angst vor der Rekrutierung durch die Rebellen in die Millionenstadt Goma geflüchtet sind und jetzt Nacht für Nacht Geschäfte plündern, sich Waffen besorgen und damit fast täglich mehre Menschen erschießen. Die Kirchen haben zu Friedenstagen aufgerufen. Jeden Sonntag beten die Priester im Kongo in mehreren tausend Kirchen, selbst in den abgelegenen Dschungeldörfern, für Frieden und Versöhnung – eine Botschaft, die bei den Kirchgängern, egal welcher ethnischen Gruppe oder welcher Rebellengruppe sie angehören, durchaus ankommt.