Die Kunst und die künstliche Intelligenz
29. Mai 2019In zahlreichen Lebensbereichen haben wir uns längst an die Präsenz von künstlicher Intelligenz (KI) gewöhnt: Sie steckt in Handys, Staubsaugern, Autos oder setzt in Fabriken Teile zu neuen Produkten zusammen.
Bereiche wie Kreativität und Kunst galten lange als Hoheitsgebiet der menschlichen Schöpferkraft. Doch längst hat KI auch hier Einzug gehalten. Ganze Musikalben wurden bereits von ihr komponiert, Drehbücher geschrieben, Bilder gemalt. Ende vergangenen Jahres kam das erste durch einen Algorithmus geschaffene Gemälde sogar bei Christie's unter den Hammer: "Edmond de Belamy" ging für 430.000 US-Dollar über den Auktionstisch.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz im Kreativbereich wirft zahlreiche Fragen auf: rechtliche, wie die nach der Urheberschaft; Fragen des verantwortungsvollen Umgangs mit der Technologie, sowie die grundlegenden Fragen, wie Kunst und Kreativität überhaupt zu definieren sind und ob Maschinen dem gerecht werden können.
DW-Moderatorin Karin Helmstaedt diskutierte Fragen wie diese im Rahmen der Veranstaltung "Arts on the Edge - Can AI be truly creative?" (Kunst am Scheideweg - Kann KI wirklich kreativ sein?) beim Global Media Forum in Bonn mit der äthiopischen Tech-Pionierin Betelhem Dessie, dem indischen Künstler und Kurator Raghava KK, der in London lebenden Filmemacherin Karen Palmer, Holger Volland, Autor und Vizepräsident der Frankfurter Buchmesse, sowie dem deutschen Philosophen Markus Gabriel.
Kunst von Robotern?
Markus Gabriel, der sich in seiner jüngsten Publikation "Der Sinn des Denkens" (2018) auch mit den Folgen von KI auseinandersetzte, schlägt Alarm. Er hält es für einen "Fehler", ein von Robotern erschaffenes Gemälde "als Kunst zu bezeichnen". Kunstwerke seien allein Ergebnisse autonomer Individuen, sagte Gabriel. Die Essenz der Kunst sei es, dass sie keine besitze. Kunst sei nicht wiederholbar, sondern "radikal einzigartig".
Auch Holger Volland, Autor von "Die kreative Macht der Maschinen" (2018), hält ein von Robotern produziertes Gemälde lediglich für "eine Imitation von Kunst und Kreativität". Programmierte Maschinen besäßen keinen eigenen Willen, kreativ zu sein.
Ganz anders sieht das der zwischen Indien und den USA pendelnde Künstler Raghava KK, der sich der KI für seine Arbeiten selbst bedient. "Diejenigen, die sagen, das sei keine Kunst, haben im Grunde einen sehr materialistischen Blick auf Kunst." Für ihn sei Kunst eine "transzendentale Erfahrung".
KI und Demokratie
Aber mehr noch als die Frage, ob das, was unter Hinzunahme von Algorithmen ensteht, als Kunst oder kreativ zu bezeichnen ist, beschäftigte die Diskussionsteilnehmer die Frage, welchen Einfluss KI auf Mensch und Gesellschaft hat, und wie ein verantwortungsvoller Umgang mit ihr aussehen könnte.
Karen Palmer und Betelhem Dessie betonten, dass die Technologie für alle zugänglich gemacht werden müsse und das Know-how nicht in der Hand von Wenigen bleiben dürfe. Die Technologie könne auch missbraucht werden, so Palmer, die KI u.a. in Form von automatischer Gesichtserkennung für ihr Filmprojekt "RIOT" einsetzte.
Dessie, die schon im Alter von neun Jahren das Programmieren erlernte, die Techfirma iCog gründete, neun Patente besitzt und an der Entwicklung des humanoiden Roboters Sophia mitgewirkt hat, macht sich genau dafür stark. Ihr Motto: "ACC - anyone can code" - jeder kann programmieren.
Sie bringt Kindern ab acht Jahren das Kodieren bei, um insbesondere Mädchen frühzeitig Möglichkeiten aufzuzeigen, die nicht ins typische Geschlechterschema passen. "Die Gendergap ist besonders im Technologiebereich sehr groß", erklärte Dessie. Es sei aber wichtig, dass diejenigen, die Programme schreiben und KI entwickeln möglichst divers sind. "Bei den Programmierern liegt eine hohe Verantwortung", so die 20-Jährige.
KI versus Mensch
Was KI bereits heute kann, zeigt Sophia, die 2017 von einem Hongkonger Unternehmer entwickelte humanoide Roboterdame. Sie wirkt in ihrer Mimik und Gestik schon weit entwickelt. Sophia hat ein menschliches Gesicht und kann auf Fragen in ganzen Sätzen antworten.
Sogenannte humanoide Roboter sieht der Philosoph Markus Gabriel jedoch kritisch. Er denkt nicht, dass sie einmal an die Fähigkeiten des menschlichen Bewusstseins herankommen werden oder es gar übertrumpfen könnten. Die Stärke des Menschen liegt gerade in seiner Imperfektion, in seiner Dummheit, nicht immer logisch zu denken und zu handeln, so seine These.
Für Gabriel ist KI wie "eine neue Droge", und so betonte er in der Diskussionsrunde, dass der Umgang mit ihr geregelt werden müsse. Er fordert: "Eine digitale Revolution im Dienste der menschlichen Moral."