Musik im Wahlkampf
10. September 2013Tausende Fans halten ihre weiß-roten Fahnen und Schals in die Luft. Einige laufen auf das Spielfeld um den Sieg zu feiern. Aus den Lautsprechern dröhnt "Tage wie diese" und das ganze Stadion singt euphorisch mit. Der Song stammt von der bekannten Düsseldorfer Punkrockband "Die Toten Hosen". Es sind die Fans des Fußballvereins Fortuna Düsseldorf, mittlerweile wieder in die zweite Liga abgestiegen. Das Lied war im Sommer 2012 fünf Wochen lang an der Spitze der deutschen Single-Charts. Eine ansteckende Melodie, ein Refrain zum mitsingen - das ist das Erfolgsrezept des Songs. Den Hype um diesen Song wollen auch die Politiker für sich nutzen. Im Wahlkampf berieseln sie damit ihre Anhänger und die, die es werden sollen. Und das sorgt jetzt für Ärger. "Die Toten Hosen" verwahren sich dagegen, so vereinnahmt zu werden.
"Wir haben nie ein Problem damit gehabt, wenn unser Lied vom Punkschuppen bis zum Oktoberfest den unterschiedlichsten Menschen Freude bereitet", heißt es auf der Facebook-Seite der Band. "Die Toten Hosen" empfinden es jedoch als "unanständig und unkorrekt", wenn ihre Musik auf politischen Wahlkampfveranstaltungen läuft. Ihre Befürchtung: Die Menschen könnten glauben, dass es eine Verbindung zwischen ihrer Musik und den Inhalten der Parteien gibt. Allerdings kann die Band den Parteien nicht verbieten, ihre Lieder zu spielen. Denn nach Angaben der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema entsteht eine Urheberverletzung erst, wenn Musik zielgerichtet als Erkennungsmelodie beim Wahlkampf benutzt wird. Läuft sie aber nur als Hintergrundmusik, dann "wird man kaum annehmen können, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt wird", so eine Sprecherin der Gema.
Zu den Parteien, die Lieder von den "Toten Hosen" bei ihren Veranstaltungen gespielt haben, zählt auch die SPD. "Nicht, weil wir euch instrumentalisieren wollten, sondern weil wir eure Musik toll finden", erklärt Generalsekretärin Andrea Nahles auf der Facebook-Seite der "Toten Hosen". Sie hat der Band versprochen, ihre Musik nicht mehr auf SPD-Veranstaltungen zu spielen. "Privat höre ich aber weiter eure Musik."
Ärger mit den Rolling Stones
Auch die CDU wird in dem öffentlichen Brief der "Toten Hosen" erwähnt. Zu ihrer Verteidigung erklärt die Partei, dass ein buntes Rahmenprogramm, unter anderem mit Auftritten von Coverbands, zu einer Wahlveranstaltung dazugehört. "Das Repertoire der Bands wird von ihnen eigenständig zusammengestellt, nicht von der CDU", so die CDU-Bundesgeschäftsstelle. Doch hat die Partei wirklich keinen Einfluss auf die Musikauswahl? Nico Thom, Musikwissenschaftler an der Musikhochschule Lübeck, glaubt das nicht. "Da man heutzutage im professionellen Wahlkampf nichts dem Zufall überlässt, kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand Musik einsetzt ohne etwas zu bezwecken."
Es ist nicht das erste Mal, dass sich eine Band beschwert, weil ihr Song bei der Kampagne einer deutschen Partei ohne Absprache benutzt wurde. Als Angela Merkel 2005 das erste Mal als Kanzlerkandidatin antrat, spielte die CDU den Song "Angie" der Rolling Stones. Es folgte Protest von der britischen Rockband. Ein Sprecher erklärte, die Band sei überrascht und enttäuscht, da sie im Vorfeld nicht gefragt worden war.
Rolling Stones-Experte Christoph Maus findet, dass der Song nicht zu Merkels Wahlkampf gepasst hat. "Erstmal ist es kein politischer Song", so der Autor der Buchbandserie "Rolling Stones Worldwide". "Außerdem würde man die Stones politisch eher links einordnen, also wenn überhaupt, dann würde man denken, dass sie Werbung für die SPD oder Grünen gutheißen."
Hausgemachte Lösungen
Trotz der möglichen Probleme mit Musikrechten und dem Risiko, die falsche Botschaft zu senden, ist Musik bei Wahlkampfveranstaltungen ein wichtiges Element. "Ich würde nicht behaupten, dass die Menschen wegen der Musik zu einer Veranstaltung gehen, aber wenn die Leute wissen, dass eine bekannte Band am Anfang oder am Ende spielt, bleiben sie eher stehen", erklärt Musikwissenschaftler Nico Thom. Trotzdem findet er die Musikrichtung wichtig, um den Leuten zu signalisieren, was sie bei einer Veranstaltung erwarten können. Als Beispiel nennt er eine Ska-Band, die beim Wahlkampfauftakt der Linken in Leipzig aufgetreten ist. "Wenn man so eine Musik wählt, spricht man ein gezieltes Publikum an - nämlich junge Leute, die gerne tanzen und gerne eine heitere Stimmung musikalisch ausleben."
Neben bekannten Pop- und Rocksongs lassen immer mehr Parteien eigens Songs für ihre Wahlkämpfe komponieren. In solchen Liedern, die ein breites Publikum ansprechen sollen, kommt der Name der Partei nicht vor. Der diesjährige Wahlsong der CDU stammt vom Musikproduzenten Leslie Mandoki, der unter anderem bereits mit Größen wie Phil Collins gearbeitet hat. Doch auch ein maßgeschneiderter Song ist keine Erfolgsgarantie. Auf Youtube erntet das lockere Sommerlied "An jedem neuen Tag" fast ausschließlich negative Bewertungen. Einige Nutzer fragen "Wo bleibt die Gema, wenn man sie braucht?" als Anspielung darauf, dass die Gema häufig Videos auf Youtube sperren lässt. Dagegen setzt die SPD dieses Jahr auf etwas Rockiges. Mit "Wir sind zuhaus" von der Berliner Band "Dirty Red Carpet" sollen Wähler überzeugt werden, ihre Stimme für die SPD zu geben.
Am Wahlabend darf dann wieder "Tage wie diese" gespielt werden. Die Erlaubnis dazu hat Frontsänger Campino bereits überraschenderweise gegeben. "Ich habe kein Problem damit, wenn das Lied auf einer Wahlsiegerparty läuft", sagte er im NDR-Info. "Es ist ja für solche Momente, wo man abfeiern will."