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Die Mär vom deutschen Clásico

Stefan Nestler3. März 2016

Fußball-Deutschland fiebert dem Bundesliga-Spitzenspiel am Samstag zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern entgegen. Allerorten wird vom "Clásico" gesprochen. Warum eigentlich?

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Zweikampf zwischen Dortmunds Aubameyang und Bayerns Boateng. Foto: Reuters
Bild: Reuters/M.Rehle

Auch wenn es die Bayern- und BVB-Fans nicht gerne hören: Es gibt nur einen Clásico - "el Clásico", den Fußballklassiker zwischen den spanischen Traditionsklubs Real Madrid und FC Barcelona. Als sich die beiden Vereine 1902 erstmals im spanischen Pokal gegenüberstanden, war Borussia Dortmund noch nicht einmal gegründet.

Verschiedene Welten, auch politisch

Real gegen Barça, das ist jedoch nicht nur das Duell der beiden dominierenden Mannschaften Spaniens, die mit wenigen Ausnahmen seit Jahrzehnten in der Primera Division den Meistertitel unter sich ausmachen. Beim Clásico prallen Welten aufeinander. Hier die Königlichen, die Fußballer aus der Hauptstadt, dort die stolzen Katalanen, Barça als Sinnbild für das Streben nach kultureller und auch politischer Autonomie. Wenn der FC Barcelona zum Clásico lädt, muss sich der spanische König auf der Tribüne Pfiffe gefallen lassen - und der Verein dafür nachher bezahlen.

Lionel Messi und Cristiano Ronaldo beim Clasico 2014. Foto: dpa-pa
Treffen der Superstars beim echten Clasico: Lionel Messi (l.) und Cristiano RonaldoBild: picture-alliance/dpa/J. Lizon

"Wasserpfeile"

Eine vergleichbare, auch politische Sprengkraft hat der "deutsche Clásico" nicht. Zwar sehen viele Fans anderer Klubs im deutschen Rekordmeister FC Bayern immer noch den Verein des "Kapitals" schlechthin. Doch daraus lässt sich kein Konflikt zum alten "Arbeiterklub" Borussia Dortmund konstruieren. Denn der BVB hat sich längst von den Bayern abgeguckt, wie man es anstellt, dass Geld auch Tore schießt. Ja, vor den Duellen beider Teams wird zuweilen ein bisschen hin und her gefrotzelt. Aber nein, viel dahinter ist nicht. Die vermeintlichen Giftpfeile sind eher mit Wasser gefüllt. Bayern und der BVB sind sich eigentlich ähnlicher, als es die Fans gerne hätten.

Ein Trend, aber mehr?

Und wie sieht es mit der Dominanz der beiden Mannschaften in der Bundesliga aus? Auch hier hinkt der Vergleich. Keine Frage, die Bayern sind die beherrschende Mannschaft in der Geschichte der Bundesliga. Aber Dortmund? Zugegeben, in den letzten sechs Spielzeiten hieß der Meister viermal Bayern und zweimal BVB, dazu standen sich beide Team 2013 im Champions-League-Finale gegenüber. Und in der laufenden Saison trennen beide Teams schon jetzt Punkte-Welten vom Rest der Bundesliga. Aber ist das bereits mehr als ein Trend? In den 1970er Jahren hat doch auch niemand vom "deutschen Clásico" gesprochen, wenn die Bayern und Borussia Mönchengladbach aufeinandertrafen.

Franz Beckenbauer und Günter Netzer beim Spiel Bayern gegen Gladbach 1972. Foto: Imago
Bayern gegen Gladbach, auch ein Clasico?Bild: Imago

Noch mehr aufblasen

Warum also geistert dieser Begriff jetzt ständig durch die Gazetten? Weil er griffig ist und weil er sich bestens vermarkten lässt - nicht nur von den Vereinen, auch von den Fernsehsendern. Sie haben für die Übertragungsrechte tief in die Tasche gegriffen und wollen das Duell der beiden derzeit unbestritten besten deutschen Teams, als wäre das noch nicht genug, mit noch mehr vermeintlicher Bedeutung aufblasen. Dem FC Bayern und dem BVB spielt das in die Karten. Schließlich verstehen sie sich immer mehr als globale Unternehmen, die im Wettbewerb mit den vor Geld triefenden Klubs aus England oder Spanien bestehen wollen und ihren Teil vom Kuchen beanspruchen. Das Konzept scheint aufzugehen: Das Hinrundenspiel in München wurde in 207 Länder übertragen - egal ob Clásico, Klassiker, Spitzenspiel oder schlicht Duell genannt.