Die neue Volksheldin
14. August 2016Man kann sie schon von weitem hören. "I did it, yes!", schreit Monica Puig und ihre Stimme schallt von den Wänden wieder. Irgendwo in den Katakomben bahnt sich Monica Puig ihren Weg durch die verwinkelten Gänge des Center Courts von Barra da Tijuca. Mit einem breiten Grinsen betritt die Puerto-Ricanerin den Presse-Saal, um ihren Hals hängt die Goldmedaille. "Es ist ein unglaubliches Gefühl", versucht Monica Puig in Worte zu fassen, was sie gerade spürt. "In jedem Spiel wurde ich besser und besser. Kräftiger, zuversichtlicher, selbstbewusster. Und jetzt gewinne ich das Finale. Das ist einer meiner größten Träume."
Eine echte Sensation
Sie scheint es sich selbst sagen zu müssen: Das hier ist wirklich real. In einem packenden Drei-Satz-Krimi hat sie Angelique Kerber in die Knie gezwungen, immerhin Australian-Open-Siegerin. Solche Erfolge hat die 22-jährige Puig nicht vorzuweisen. Vor zwei Jahren gewann sie ein WTA-Turnier in Straßburg, das war's. Der Sieg in Rio, ausgerechnet bei den Olympischen Spielen, kommt nicht nur überraschend, er ist eine echte Sensation.
"Mein Leben wird sich von heute an ändern, es wird besser werden", glaubt Monica Puig, bislang Weltranglisten-34. und beim Olympischen Tennisturnier nicht einmal gesetzt. Sie könnte mit ihrer Einschätzung recht haben. Der Olympiasieg verleiht ihrer bislang noch unspektakulären Karriere einen völlig neuen Dreh. Dabei waren ihre Anfänge nicht leicht. Geboren in der nicht gerade florierenden puerto-ricanischen Hafen- und Hauptstadt San Juan wird Puig katholisch erzogen. Sport spielt zunächst keine große Rolle. Ihre Familie mit spanischen Wurzeln legt großen Wert auf die Religion und Tochter Monica nimmt davon viel mit. "Vor dem Match bin ich in der Kabine auf die Knie gegangen und habe gebetet", so Puig, die die 1.800 Kilometer südöstlich von Florida gelegene Tropeninsel, die offiziell ein Außengebiet der USA ist, bald in Richtung amerikanisches Festland verlässt. Wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten an einer Tennisakademie in Miami, aber auch wegen der allgegenwärtigen Kriminalität im Land: "Zu Hause gibt es immer so schlimme Nachrichten, aber wenn jemand im Sport Erfolg hat, dann steht die Zeit still", sagt Puig über ihr sportverrücktes Land, das an diesem Abend Historisches feiern konnte.
"Es geht um Puerto Rico"
Nach sechs Boxern und einem Leichtathleten, die bei Olympischen Spielen Silber oder Bronze gewannen, ist Monica Puig nicht nur die erste Frau, die eine Medaille für Puerto Rico holt, sondern auch die erste Olympiasiegerin ihres Landes. "Bei Olympia geht es ja nicht um mich, sondern um Puerto Rico", sagte sie vor der Partie selbstlos. Die Fans lieben sie für diesen Patriotismus. Lautstark - für die Schiedsrichterin manchmal zu lautstark - wird Puig von ihren blau-weiß-rot gekleideten Anhängern unterstützt, immer wieder muss die Unparteiische die Amerikaner zur Räson rufen. "Ich wollte den Lärm um mich herum ausblenden", erzählt Puig lachend, "aber sie haben immer wieder gerufen: 'Yes you can!' Das war umwerfend."
Monica Puig wird getragen von dieser Atmosphäre, spielt "das beste Tennis ihrer Karriere", wie die geschlagene Favoritin Angelique Kerber später anerkennend einräumt. Mit einer schier unerschöpflichen Kondition und druckvollem Spiel tritt Puig ihrer Gegnerin entgegen und bringt diese zum Verzweifeln. Monica Puig rennt, kämpft, gibt keinen Ball verloren. Es ist der pure Wille, der aus ihrer Körpersprache zu lesen ist. "Ich war kurz davor zu explodieren", versucht Monica Puig ihre Gefühle während des Finales in Worte zu fassen. Mit Stolz denke sie nun an die Rückkehr nach Puerto Rico, das ihr einen großen Empfang bereiten wird. Ein Vorgeschmack? "Monica Puig vereint das Volk", titelt die puerto-ricanische Zeitung "elvocero" pathetisch. Puerto Rico hat eine neue Volksheldin.