Die NSA wird sich nicht einschränken
25. Juni 2014Wie bewerten Sie den bisherigen Einfluss der Deutschen auf die NSA-Debatte in den USA? Auf diese Frage antwortete Alec Ross, vier Jahre lang Chefberater von Hillary Clinton für Internetdiplomatie und digitale Innovationen, recht kurz: Er sei gering. Denn für die Debatte um die Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA habe eine einzelne nationale Stimme wenig Gewicht. Anders sähe es aus, würde Europa sprechen. Dennoch sei der Cyber-Dialog zwischen den USA und Deutschland, der am 27. Juni in Berlin stattfinden wird, ein Schritt in die richtige Richtung, so Ross, der auch maßgeblich am erfolgreichen Internetwahlkampf von Barack Obama im Jahr 2008 beteiligt war. Dass der ehemalige Stabschef im Weißen Haus und jetzige Big-Data-Datenschutz-Beauftragte von Obama, John Podesta, am Cyber-Dialog teilnehmen wird, bewertete Ross als ein "sehr wichtiges Zeichen".
Auch Dirk Brengelmann, Beauftragter für Cyber-Außenpolitik im Auswärtigen Amt, wo der Cyber-Dialog stattfinden wird, weiß um die Schwierigkeiten, die inneramerikanische NSA-Debatte bestimmen zu können. Dennoch will Brengelmann die Stimme der Deutschen nicht kleinreden. Immerhin gebe es nun im US-Kongress eine Debatte über Datenschutz und die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Hier könne Deutschland seine Vorstellungen einbringen. Die USA wüssten, dass diese Debatte den Deutschen wichtig sei. Und in Deutschland, so Brengelmann, arbeite inzwischen ein eigens einberufener Untersuchungsausschuss im Bundestag zu den Praktiken der Geheimdienste. Die nationale Debatte sei also dort angekommen, wo sie hingehöre, nämlich im Parlament.
Weitere Treffen erwünscht
Der Cyber-Dialog solle der Beginn einer ganzen Reihe von Treffen sein, so Brengelmann. Zum Auftakt stehen die Themen Big Data, das ökonomische Potenzial und internationale Kooperationen im Bereich Internet auf der Agenda. Die Hoffnung sei, dass sich beide Seiten auf drei, vier Themen einigen könnten, die dann bei späteren Treffen vertieft würden.
Eine gemeinsame Erklärung schon nach dem ersten Treffen werde es wohl nicht geben, dämpfte Brengelmann die Erwartungen. Andererseits betonte er, dass mit den USA auch bereits auf anderen Ebenen über Internetfragen gesprochen werde.
Ross schlug vor, ein gemeinsames Abkommen auf den Verhandlungstisch zu legen, in dem die USA und Deutschland zusichern, keine gegenseitige Industriespionage zu betreiben. Damit gebe es ein konkretes Verhandlungsziel.
NSA-Affäre? Fragen Sie doch den BND!
Ein anderer Versuch der Bundesregierung, mit den Amerikanern über die Arbeit ihrer Geheimdienste zu reden, blieb bisher erfolglos. Entsprechende Fragenkataloge blieben unbeantwortet. Brengelmann sagte, man werde aber gegenüber den USA nicht nachlassen zu fragen. Ross schlug einen anderen Weg vor: Der BND habe die Antworten! Der deutsche Auslandsgeheimdienst würde sich von der NSA nur durch einen geringeren Etat unterscheiden. Ross implizierte damit, der BND wisse über die Praktiken Bescheid, weil er als Geheimdienst ähnlich arbeite. Die Deutschen sollten erst einmal selbst in den Spiegel schauen und ihre eigenen Praktiken untersuchen, sagte Ross.
Die NSA-Debatte in den USA sei außerdem keine Diskussion über weniger Geheimdiensttätigkeit, betonte Ross. Sondern es gehe um Reformen. Viele Praktiken seien falsch gewesen: Nicht alles, was technisch möglich sei, sei auch richtig. Dennoch würden die USA keine Kapazitäten aufgeben, sondern neu regeln, wer zu welchem Zweck überwacht werden solle. Ähnlich hatte sich Hillary Clinton vor einigen Tagen in einem ZDF-Interview geäußert. Die Gesetze müssten geändert werden, damit die Geheimdienste besser arbeiteten.
Keine Privatsphäre im Internet?
Der Berater Ross nutzte seinen Auftritt bei der Veranstaltung des Vodafone-Instituts für Gesellschaft und Kommunikation in Berlin auch, um eine kurze Lehrstunde über seine - und wohl auch die amerikanische - Sicht auf das Internet zu geben. Er halte es für den falschen Weg, Datensammlungen einschränken zu wollen. Denn Daten seien nun einmal der Rohstoff des Informationszeitalters, so wie es der Stahl für das Industriezeitalter war.
Außerdem würden sich die Internet-Technologien so schnell entwickeln, dass es für den Gesetzgeber schwierig sein dürfte, auf dem Laufenden zu bleiben. Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Akteuren seien hierfür ein Ausweg, neben dem Prinzip der Transparenz. Schließlich könne und solle der Verbraucher dann entscheiden. Und wenn jemand beispielsweise Probleme mit Google oder Facebook habe, dann müsse er die Dienste ja nicht nutzen. Die (deutsche) Diskussion über Privatsphäre im Netz sei zu sehr den alten Medien verhaftet. Das Internet sei schließlich für Kommunikation und Austausch gebaut worden - und nicht für Privatsphäre.