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"Die ‚Partei der Macht‘ in der Staatsduma lässt sich von links bis weit nach rechts treiben"

4. Juli 2002

– "Die Programmziele der Kreml-treuen widersprechen jetzt kaum den ideologischen Zielen der LDPR"

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Moskau, 3.7.2002, WREMJA.RU, russ., Eduard Gelman, Wiktor Chamrajew

Es sieht so aus, als ob sich die Situation in der Staatsduma stabilisiert hätte – die Zusammensetzung der Mannschaften und deren Gruppierung auf dem politischen Feld änderten sich in den letzten anderthalb Jahren praktisch nicht, nichts spricht dafür, dass diese sich in der bis zu den ordentlichen Wahlen verbliebenen Zeit ändern werden.

Vom 18. Januar 2000 bis 27. Juni 2002 haben 10 497 Abstimmungen stattgefunden (davon allein 735 im Juni dieses Jahres), und deren Analyse zeigt, dass es in der Duma nur vier unabhängige Mannschaften gibt, die eigene Ziele verfolgen und alles tun, um einen Sieg davonzutragen. Das ist der linke Block, der aus den Fraktionen KPRF sowie der Gruppe der Agrarier und der Industriellen besteht (125 Abgeordnete), der rechte Block (Verband rechter Kräfte und "Jabloko", insgesamt 49 Abgeordnete), der "Kreml"-Block, der sich mal als rechtszentristisch, mal als zentristisch bezeichnet ("Jedinstwo", "Vaterland – Ganz Russland", "Volksabgeordnete" und "Regionen Russlands", 235 Abgeordnete) sowie die LDPR-Fraktion (12 Abgeordnete).

Alle vier Mannschaften hatten politische Vorgänger in der Duma vorausgegangener Legislaturperioden und sogar früher, im Obersten Sowjet und dem Kongress der Volksdeputierten der RSFSR. Die politischen Kräfte haben sich jetzt jedoch prinzipiell anders gruppiert. Es ist nämlich so, dass die Verfassung von 1993 das Prinzip der Trennung der Machtzweige einführte und die Wahlen von 1993 Wladimir Schirinowskij auf die politische Szene brachten, der von der Gesellschaft als Anführer der ultrarechten Stimmungen aufgenommen wurde. Ersteres führt seitdem automatisch zur Konfrontation zwischen der "Partei der Macht" und der Opposition im Parlament und letzteres hat die Linie auf Konfrontation mit der ultrarechten Ideologie offensichtlich gemacht. Wenn es im russischen Parlament der Jahre 1990 bis 1993 eine einzige Konfrontationslinie (für oder gegen Jelzin) gab, so sind es in der jetzigen Duma drei. Die Kreml-treue "Partei der Macht" muss, was ja logisch ist, der Opposition von links und von rechts die Stirn bieten sowie gegen die ultrarechte Ideologie kämpfen.

Die "Partei der Macht" in der jetzigen Duma ist nicht durch besondere Konfrontation mit irgend jemandem aufgefallen. Ihre Taktik ist immer so aufgenommen worden, als ob die Machthaber auf dem Weg zum gesetzten Ziel geschickt mal die Linken mal die Rechten auf ihre Seite holten. Analysiert man jedoch die Ergebnisse der Abstimmung über alle Gesetzentwürfe, sieht das Bild ganz anders aus. Der Kreml und neben ihm auch die ihm treue Dumafraktionen haben in Wirklichkeit niemanden auf ihre Seite geholt, sie haben sich einfach vom Zentrum nach links (unter anderem bei der Annahme der neuen Hymne), danach von links weit nach rechts (bei der Annahme des Bodenkodex) treiben lassen. Dabei mussten weder die Linken noch die Rechten, wenn sie eine taktische Union mit den Machthabenden eingingen, ihre Prinzipien preisgeben. Die Bahn, in der sich die "Partei der Macht" treiben lässt, zeugt davon, dass ihre Vertreter in der Staatsduma über keine eigenen Überzeugungen verfügen.

Bei der "Partei der Macht" änderten sich die Prinzipien solange, bis die ehemaligen Opponenten von "Jedinstwo" und "Vaterland – Ganz Russland" die gemeinsame Partei "Einheitliches Russland" und in der Duma die Kreml-treue "Allianz der Vier" bildeten. Mit den Kräften der "Allianz" kann jetzt jeder Gesetzentwurf die Duma passieren, wozu 226 Stimmen benötigt werden. Die "Allianz" kann jedoch neben ihren eigenen 235 Stimmen immer mit den 12 Stimmen der LDPR-Fraktion rechnen. Es geht gar nicht darum, dass die Schirinowskij-Leute sich dem Stärksten nur angeschlossen haben, weil sie begreifen, wie gering ihre Anzahl ist. Es ist einfach so, dass die Programmziele der "Partei der Macht" jetzt kaum den ideologischen Zielen der LDPR widersprechen. Die angenommenen Gesetze über die Staatsbürgerschaft, über den Wehrersatzdienst, über die Bekämpfung des Extremismus usw. stärken die Rolle des Staates so sehr, dass diese sich wenig von der Rolle unterscheidet, die die Ultrarechten dem Staat zusprechen.

Möglicherweise wird sich das Image des Präsidenten und der "Partei der Macht" rasch verändern, je näher die Wahlen rücken. Aber eigentlich passt das Treiben des Staates in die ultrarechte Richtung völlig in den Geist der nach dem 11. September letzten Jahres begonnenen internationalen Prozesse. (lr)