Die Politik und der 8. Mai
Im Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 spiegelt sich der gesellschaftlich-politische Wandel. Bedeutende Politiker aus dem In- und Ausland sind seitdem mit dem Datum unterschiedlich umgegangen.
Theodor Heuss: "Erlöst und vernichtet in einem"
Theodor Heuss ist noch nicht erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, als er als Mitglied des Parlamentarischen Rates am 8. Mai 1949 bei der Verkündung des Grundgesetzes sagt: "Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind."
Willy Brandts Kniefall in Warschau
Es ist für die gesamte Weltöffentlichkeit eine ungeheure Geste: SPD-Bundeskanzler Willy Brandt geht am 7. Dezember 1970 am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos für alle überraschend auf die Knie. Der Kniefall wird verstanden als Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Für seine Ostpolitik bekommt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
Mitterands und Kohls Handschlag in Verdun
Der Handschlag von Verdun wird später oft mit Brandts Kniefall verglichen, aber er geht nicht von einem deutschen Bundeskanzler aus, sondern von einem französischen Präsidenten: Am 22. September 1984 bei einer Gedenkfeier an den ehemaligen Schlachtfeldern von Verdun reicht Francois Mitterand plötzlich Helmut Kohl in einer Versöhnungsgeste die Hand.
Richard von Weizsäcker: "Tag der Befreiung"
Es ist die bis heute vielleicht berühmteste Gedenkrede zum 8. Mai. Bundespräsident Richard von Weizsäcker räumt zwar ein, nicht alle Deutschen hätten das Kriegsende als Befreiung erlebt. Aber er mahnt: "Wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte."
Franz-Josef Strauß: keine "Dauerbüßeraufgabe"
Noch Jahrzehnte nach Kriegsende sieht nicht jeder hohe Politiker die Erinnerung an deutsche Schuld als Ziel des Staates. Der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß fordert mehrfach ein Ende "ewiger Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe". Für heutige Ohren klingt das wie Äußerungen aus den Reihen der AfD.
Gerhard Schröder unter Siegern
Als erster deutscher Bundeskanzler darf Gerhard Schröder (l.) 2005 an der Siegesparade zum Jahrestag des Kriegsendes in Moskau teilnehmen. Schröder bedankt sich beim Gastgeber Wladimir Putin (M.), die Einladung sei ein "Vertrauensbeweis für das deutsche Volk". Putin erwidert, die Aussöhnung zwischen beiden Ländern sei eine der wichtigsten Errungenschaften Europas in der Nachkriegszeit.
Angela Merkel am Grab des Unbekannten Soldaten
Zehn Jahre später legt Schröders Nachfolgerin Angela Merkel in Moskau einen Kranz am Grab des Unbekannten Soldaten nieder. Doch das Verhältnis zu Putin ist am 70. Jahrestag des Kriegsendes eingetrübt: Ein Jahr zuvor hat Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Weder Merkel noch die meisten anderen westlichen Staats- und Regierungschefs nehmen an der Siegesparade teil.
Am 8. Mai 1945 ist der Zweite Weltkrieg offiziell zuende. Deutschland liegt in Schutt und Asche. In Trümmern liegt aber auch die nationalsozialistische Ideologie unter Adolf Hitler. Erst sehr zögerlich haben Politiker in Deutschland in Reden und Gesten an das Kriegsende erinnert. Was heute ein selbstverständlicher Gedenktag ist, hat sich nur langsam entwickelt. Und immer war das Erinnern an den 8. Mai 1945 auch ein Spiegel der Zeit.