Rüstungsumsätze geteilt
15. Dezember 2014Jahrelang gab es wenig Bewegung, wenn es um die Nationalität der größten Rüstungsunternehmen der Welt ging. Fast alle kamen aus den USA, aus West-Europa oder aus Russland. Doch zunehmend, so ein neuer Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, mischen Unternehmen aus neuen Ländern mit.
Heute zählen auch Firmen aus der Türkei, Indien, Brasilien, Singapur oder Südkorea zu den einhundert größten Waffenproduzenten, auch wenn sie bis auf zwei Unternehmen aus Indien und Singapur erst ab Platz 50 auftauchen.
"Das hat vor allem mit dem politischen Wunsch nach eigenen Produktionskapazitäten zu tun", sagt die Direktorin der SIPRI-Studie, Aude Fleurant. "Brasilien, die Türkei oder Südkorea haben alle ganz gezielt eine Politik verfolgt, um die Kapazität für eine Rüstungsproduktion im eigenen Land zu fördern."
Rückgang der US-Industrie
Grundlegend verändert hat sich die Liste jedoch nicht. Die SIPRI-Liste besteht zu zwei Dritteln aus Firmen aus den USA oder aus den NATO-Ländern. Laut SIPRI-Bericht werden 84,2 Prozent der weltweiten Rüstungskäufe bei ihnen getätigt.
SIPRI verzeichnet im Bericht einen Umsatz-Rückgang für 2013 von 4,5 Prozent für die 38 US-Firmen, die noch unter den hundert größten Rüstungsunternehmen sind. "Das sind", so Aude Fleurant, "meist Hersteller von größeren Waffensystemen und Waffengattungen wie Kriegsschiffe, Militärfahrzeuge, Raketen-Systeme oder Flugzeuge. Außerdem Hersteller von Bauteilen für diese Systeme."
Dazu kämen noch Firmen, die Dienstleistungen wie Logistik, Instandhaltung, Trainings oder technische Hilfe anbieten. Die Hauptgründe für den Umsatzrückgang, so der SIPRI-Bericht, sind vor allem der US-Rückzug aus dem Irak und Afghanistan und die Haushaltskürzungen.
Auch bei den NATO-Partnern macht sich die Wirtschaftskrise weiterhin bemerkbar. Bis auf wenige Ausnahmen, allen voran Frankreich, sind auch in Westeuropa die Umsätze der Rüstungsindustrie gesunken oder im besten Fall gleich geblieben.
Russlands Rüstungsindustrie im Aufwind
Die russische Rüstungsindustrie dagegen kann sich über gut gefüllte Auftragsbücher freuen. Das russische Unternehmen "Tactical Missiles Corporation" etwa setzte 2013 mehr als doppelt soviel um wie noch 2012 - ein Plus von 118 Prozent, so der SIPRI-Bericht. Insgesamt, so der Bericht aus Stockholm, seien die Umsätze der russischen Unternehmen in der Top-100-Liste um 20 Prozent gestiegen. "Das geht vor allem auf die steigenden Regierungsausgaben zurück", so Aude Fleurant von SIPRI.
Seit Jahren investiert die russische Regierung gezielt in Modernisierung und Aufrüstung der Streitkräfte, vor allem, indem es auf die heimische Rüstungsindustrie setzt.
"Ob sie das finanzieren können, das hängt, glaube ich, vor allen Dingen vom Ölpreis ab", sagt dazu der wissenschaftliche Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Michael Brzoska, und verweist auf die schwierige Lage der russischen Wirtschaft.
Der Sicherheitsexperte aus Hamburg sieht nicht unbedingt die Sanktionen gegen Russland als Aufrüstungsbremse. "Größere Probleme bekommt die russische Rüstungsindustrie durch die Krise mit der Ukraine", so Brzoska, der mögliche Lieferengpässe für die Firmen sieht, die auf Zulieferungen aus der Ukraine angewiesen sind.
"Mit Donezk laufen die Lieferbeziehungen weiter, aber mit der Industrie, die in der Nähe von Charkiw ist, da ist es im Moment unklar, wie es weiter geht."
China als große Unbekannte
Ein "global player" fehlt gänzlich auf der SIPRI-Liste über die hundert größten Waffenproduzenten der Welt: China. Das liegt nicht daran, dass die Volksrepublik China keine Firmen hat, die bei den hundert größten mitspielen könnten, sondern einzig und allein daran, dass keine verlässlichen Informationen über Chinas Rüstungsproduktion vorliegen.
Die chinesischen Unternehmen seien meist so aufgestellt, dass sie sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Markt produzieren, erzählt Aude Fleurant von SIPRI. Dabei sei es völlig undurchsichtig, welcher Anteil zivil und welcher militärisch sei.
Michael Brzoska vom Hamburger Friedensforschungsinstitut schätzt, dass China mittlerweile zwischen 50 und 60 Milliarden Euro für Rüstungsbeschaffungen ausgibt - Geld, das bei den eigenen Firmen landet. "China ist wahrscheinlich vom Umfang her der zweitgrößte Hersteller von Rüstungsgütern", so Brzoska.
Eine politische Industrie
Zunehmend wirken sich auch chinesische Exporte auf den internationalen Rüstungsmarkt aus. Michael Brzoska schätzt den Export auf zwei bis drei Milliarden Euro, wobei China vor allem mit relativ einfachen Nischenprodukten auf den Markt geht. "Auch bei Munition, Kleinwaffen, auch Minen - also Sachen, die nicht von anderen verkauft werden, weil sie zum Teil international geächtet sind", so Brzoska.
Wohin und an wen Rüstungsgüter verkauft werden, das ist in China wie auch in Deutschland oder in anderen Ländern vor allem eine politische Entscheidung.
"Es ist eine politische Frage, ob man einen Export erlaubt oder nicht" betont der Direktor des Friedensforschungsinstitut IFSH in Hamburg. "Es ist eben keine "normale" Industrie. Es ist eine politische Industrie, die in sehr hohem Maße von politischen Entscheidungen abhängig ist".