Mitt Romneys Probleme
6. November 2012Mitt Romney ist Erfolg gewöhnt. An der Eliteuniversität Harvard machte er seinen Abschluss nicht nur in einem, sondern in zwei Fächern: Betriebswirtschaft und Jura. In der Bostoner Unternehmensberatung Bain & Co arbeitete er sich zum Vizepräsidenten hoch und gründete 1984 ein erfolgreiches Unternehmen, die Investmentfirma Bain Capital. Er ist Multimillionär, war Gouverneur von Massachusetts und organisierte erfolgreich die Olympischen Spiele von Salt Lake City. Doch im Kampf um die Präsidentschaft hat er sich erstaunliche Patzer geleistet.
Am Anfang waren es noch Kleinigkeiten, die beim Wahlvolk, bei dem die Kassen knapp sind, nicht gut ankamen: Da plauderte der gläubige Mormone munter von den "paar Cadillacs" die seine Frau fährt, und dass er "nicht viel Geld" mit Rednerjobs verdiene - obwohl er innerhalb eines Jahres 370.000 Dollar einstrich. Die Patzer nahmen nicht nur zu, sie wurden auch immer größer: Bei seinem Europabesuch brüskierte er die Briten mit Kritik an der Organisation der Olympischen Spiele. Bei seiner Nominierungsrede auf dem Parteitag in Tampa erwähnte er mit keinem Wort den Krieg in Afghanistan oder die kämpfenden US-Soldaten. Und unmittelbar nach den Angriffen auf die US-Botschaften in Kairo und Bengasi, in einer Situation, in der man in den USA unabhängig von der Parteizugehörigkeit zusammenrückt, kritisierte er die Obama-Regierung und verdrehte dabei auch noch die Fakten.
Die Hälfte des Wahlvolks beleidigt
Doch was dann das Fass zum Überlaufen brachte, die Empörung tatsächlich hoch schwappen und selbst konservative Kommentatoren den Kopf schütteln ließ, waren seine Bemerkungen während einer privaten Wahlkampfveranstaltung Mitte Mai, die durch ein heimlich aufgezeichnetes Video im September bekannt wurden. Darin bezeichnete der republikanische Präsidentschaftskandidat kurzerhand die Hälfte der Amerikaner als für ihn verloren und beleidigte sie auch noch als Schmarotzer: "47 Prozent hat [Präsident Obama] sowieso in der Tasche, die sind abhängig von der Regierung, die sehen sich als Opfer, die glauben, dass die Regierung für sie sorgen muss, die glauben, dass sie Ansprüche haben auf eine Krankenversicherung, Lebensmittel, Unterkunft und so weiter", erklärte er.
Dies ließ Romney nicht nur in einem schlechten Licht dastehen, es lenkte auch von dem Thema ab, mit dem er Präsident Obama eigentlich hauptsächlich Paroli bieten wollte: der schleppenden Wirtschaft, der hohen Arbeitslosigkeit, der horrenden Staatsverschuldung. "Ich will Präsident werden, weil ich helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten", erklärte er in seiner Antrittsrede auf dem Parteitag in Tampa. "Eine Zukunft, in der jeder, der einen Job will, auch einen findet." Und er erklärte, einen Plan zu haben, mit dem sich 12 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen ließen.
Kontrast zum Präsidenten
Romneys Fünf-Punkte-Plan beinhaltet unter anderem, die USA unabhängig von ausländischem Öl und Gas zu machen, für eine bessere Aus- und Schulbildung zu sorgen, neue Handelsabkommen zu schließen und die Staatsverschuldung zu reduzieren. Außerdem will er Kleinbetriebe durch Steuererleichterungen und die Abschaffung der Krankenversicherungspflicht unterstützen. Romney setzt auf die Wettbewerbsgesellschaft, in der jeder seines Glückes Schmied ist und der Staat kaum eine Rolle spielt. Er formuliert das so: "Im Gegensatz zu einem Präsidenten, der glaubt, dass die Regierung die Wirtschaft in Gang bringt und wachsen lässt, weiß ich, dass es freie Menschen und die Freiheit sind, die unsere Wirtschaft antreiben."
Doch das Problem des 65-Jährigen ist auch, dass er vieles von dem, was er jetzt verdammt, selbst einmal vertreten hat: Die von Präsident Obama durchgesetzte staatliche Krankenversicherung hat als Vorbild die Krankenversicherung von Massachusetts, die Romney als Gouverneur unter großen Fanfarenklängen eingeführt hat. Auch bei sozialen Fragen wie Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe ist der Gouverneur im Laufe des Vorwahlkampfes, bei dem er sich gegen erzkonservative Konkurrenten wie Michelle Bachmann oder Rick Santorum durchsetzen musste, nach rechts gerückt. Sein Wahlerfolg aber hängt nicht davon ab, ob die überzeugten Republikaner ihm ihre Stimme geben. Er muss, um gegen Präsident Obama zu gewinnen, unabhängige Wähler und frustrierte Demokraten überzeugen. Seine Glaubwürdigkeit und sein Nimbus als erfolgreicher Manager haben unter all den Eskapaden schwer gelitten. Am 6. November wird sich zeigen, ob der Businessman und Politiker trotzdem auch bei seinem jüngsten Unternehmen seine Erfolgsserie fortsetzen kann.