Die Putschnacht in der Türkei und ihre Folgen
Vor einem Jahr wollten Putschisten den türkischen Präsidenten Erdogan stürzen. Das Vorhaben ging schief. Stattdessen ist Erdogan mächtig wie nie. Eindrücke aus der Putschnacht und der Zeit danach.
Der Beginn
Es sind die ersten Bilder, die am Abend des 15. Juli 2016 aus der Türkei kommen: Panzer des Militärs blockieren die Bosporus-Brücke in Istanbul. Nach und nach wird klar, dass Teile des Militärs einen Putsch starten. Schüsse fallen, es gibt Verletzte. Am Nachthimmel sind Kampfjets und Helikopter zu hören.
Panzer am Flughafen
Ein ähnliches Bild am Atatürk-Flughafen in Istanbul: Panzer sind vorgefahren. Zudem haben Umstürzler den Tower besetzt und den Flugverkehr gestoppt. Noch stellen sich nur vereinzelt Menschen den Putschisten entgegen.
Parlament unter Beschuss
Auch das Parlament in Ankara wird zum Ziel. Um genau 02:32 Uhr Ortszeit wird die Große Nationalversammlung aus der Luft bombardiert. Die Putschisten haben mehrere F16-Kampfflugzeuge in ihre Gewalt gebracht.
Die Opfer
Bei Gefechten und Zusammenstößen werden nach offiziellen Angaben 249 Menschen getötet und mehr als 2000 verletzt. Sie werden mittlerweile als "Märtyrer" gefeiert.
Der Widerstand
Noch in der Nacht deutet sich an, dass der Putsch erfolglos sein wird. Wie hier auf dem Taksim Platz in Istanbul werden Soldaten von Polizisten oder anderen Armeeangehörigen festgenommen.
Erdogan zeigt sich
Auf ungewöhnlichem Wege präsentiert sich Präsident Erdogan der Bevölkerung. Per Videoschalte auf ein Handy, das eine Fernsehmoderatorin in die Kamera hält, zeigt er sich den Türken und appelliert: "Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu versammeln." Spekulationen über eine Absetzung tritt Erdogan mit dem Auftritt entgegen.
Menschen auf den Straßen
Viele Türken folgen dem Aufruf ihres Präsidenten. Sie strömen auf die Straßen, stellen sich den Putschisten entgegen und sorgen somit dafür, dass der Umsturz ausbleibt. So wie hier in Ankara klettern die Menschen auf Panzer und schwenken türkische Fahnen.
Racheakte
Am Morgen danach sind die Putschisten fast überall zurückgedrängt. Nur vereinzelt kommt es noch zu Kämpfen. Jetzt wird gegen die Anhänger des Militärcoups vorgegangen.
Suche nach Putschisten
Die Sicherheitskräfte machen Jagd auf die Anhänger der Putschisten. Es kommt zu Festnahmen.
Angeblicher Drahtzieher
Er soll hinter dem versuchten Umsturz stecken: der Prediger Fethullah Gülen. Die türkische Führung macht ihn als Verantwortlichen aus. Gülen selbst bestreitet das. Er lebt seit Jahren in den USA und wird nicht an die Türkei ausgeliefert.
Siegesfeiern
24 Stunden nach der Revolte zeigt sich ein ganz anderes Bild: Tausende Menschen feiern auf der Bosporus-Brücke den Sieg über die Putschisten. Ihr Name wird später in "Brücke der Märtyrer des 15. Juli" geändert.
Ausnahmezustand
Fünf Tage nach dem Putschversuch ruft Erdogan den Ausnahmezustand aus, der am nächsten Tag in Kraft tritt. Der Präsident hat dadurch erheblich mehr Befugnisse. Zudem wird über die Wiedereinführung der Todesstrafe debattiert. Auch ein Jahr später gilt weiterhin der Ausnahmezustand.
Säuberungen
Direkt nach dem Putschversuch spricht Erdogan von einem "Segen Gottes". Ziel sei es, "dass unsere Streitkräfte, die vollkommen rein sein müssen, gesäubert werden". Doch es trifft nicht nur Gülen-Anhänger in der Armee. Auch Journalisten, Wissenschaftler und andere Erdogan-Gegner geraten ins Visier. Insgesamt werden mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen, mehr als 50.000 Menschen inhaftiert.
Erdogan baut seine Macht aus
Vor dem Putsch war es Erdogan nicht gelungen, sein favorisiertes Präsidialsystem in der Türkei einzuführen. Den Aufstand nutzt er als Steilvorlage für ein System mit einem starken Mann an der Spitze. Mitte April 2017 ist Erdogan am Ziel. Die Türken stimmen im Verfassungsreferendum mit knapper Mehrheit für das neue Staatskonstrukt.
Die Opposition
Die türkische Opposition wird nach dem Putschversuch geschwächt - vor allem die pro-kurdische HDP. Die beiden Vorsitzenden und neun weitere Abgeordnete werden im November 2016 verhaftet. Um die größte Oppositionspartei CHP ist es lange Zeit still. Im Sommer 2017 hält sie aber wieder Massenkundgebungen ab.