Die Quoten-Frauen
8. März 2012Ihre Sprüche sind taff, ihr Ton fordernd. "Wir sind die Hälfte. Wir wollen die Hälfte." "Besser Quotenfrau als gar nicht Chefin." Mehr als 300 Frauen der deutschen Medienbranche erheben ihre Stimme. Unter ihnen die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, die Chefredakteurin des Fernsehens der Deutsche Welle, Moderatorinnen, Redakteurinnen, Autorinnen. Rund zehn Tage ist es her, dass sie ihre Forderungen durch eine Briefaktion den Chefetagen der deutschen Medienhäuser kundgetan haben.
Denn genau da wollen sie hin – in eben diese Chefetagen. Das zeigen sie auch auf ihrer Website www.pro-quote.de. Dort kann man den Brief nachlesen, in dem die Frauen auf das Missverhältnis hinweisen: Nur zwei Prozent aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind Frauen. "Von den 12 Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind lediglich drei weiblich."
Eine Frauen-Quote soll schaffen, was freiwillig offenbar nicht geht. Ganz konkret heißt das: Der Frauenanteil auf den Chefsesseln deutscher Medienbetriebe soll binnen fünf Jahren auf 30 Prozent steigen. Ein heeres Ziel - dabei scheint die Ausgangslage für deutsche Journalistinnen gar nicht schlecht. Es gebe zwar keine genauen Zahlen, wie die Geschlechterverteilung im Journalismus aussehe, so der Deutsche Journalisten-Verband. Bekannt sei aber, dass mehr als 50 Prozent der journalistischen Berufseinsteiger weiblich sind. Fragt sich: Wo auf der Karriereleiter bleiben Frauen stecken?
Frauen wollen sich nicht verbiegen müssen
In ihren Vorträgen für Führungskräfte gibt die Diplom-Psychologin Dr. Monika Henn eine Antwort auf die Frage. Zum einen liege es an den Rollenbildern: Frauen werde vermittelt, dass sie, wenn sie Kinder hätten, keine Karriere mehr machen müssten oder dürften. "Viele Frauen haben zudem das Gefühl, sie müssten sich verbiegen, um eine Top-Führungskraft zu werden. Das möchten sie nicht. Gemischte Teams sind aber gerade dann erfolgreicher, wenn Frauen ihre Stärken einbringen und sie sich eben nicht verbiegen." Damit ist die Liste der Hemmnisse aber nicht erschöpft.
"Als Chef musst Du 120 Prozent Einsatz bringen - immer da sein, ständig präsent." Das sei in vielen Betrieben immer noch Teil der Firmenkultur. Frauen müssten ihre Zeit aber oft einteilen - für die Familie und den Beruf. In vielen Unternehmen sei das noch undenkbar, moniert Monika Henn. Ein Malus für Frauen sind aber nicht nur die schlechten Rahmenbedingungen und die Rollenbilder. Es seien häufig die männlichen Vorgesetzten, die Frauen nicht ausreichend auf ihrem Weg zum beruflichen Aufstieg unterstützten. Männer preschten oft vor, drängten sich in die erste Reihe. Frauen hingegen seien oft zurückhaltender, stellten ihr Licht unter den Scheffel, gingen mit ihrem Potential weniger hausieren. Um Frauen zu fördern und sie für Chefinnenposten zu entdecken, müssten Führungskräfte lernen, Frauen aufzufordern, sich mehr zuzutrauen.
Frauen führen anders
Frauen müssen aber nicht nur anders geführt werden – sie führen auch anders als Männer, wenn sie denn auf dem Chefinnensessel angekommen sind, weiß Henn: "Weil bei Frauen das gleiche Verhalten anders beurteilt wird als bei Männern: Wenn eine Frau ebenso dominant oder lautstark auftritt wie ein Mann, dann stößt sie eher auf Ablehnung." Frauen als Chefinnen treten daher leiser, aber nicht weniger bestimmt auf. Und: Frauen beziehen ihr Team mit ein, damit die Entscheidungen in der Umsetzung von allen getragen werden. Dies habe die weltweit einflussreiche Sozialpsychologin Alice Eagly herausgefunden.
Einige Studien kommen sogar zu dem Schluss, dass Unternehmen mit geschlechtlich gemischten Führungsteams erfolgreicher wirtschaften als Unternehmen ohne Frauen in der Führungsetage. Das hat jüngst eine Untersuchung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young bestätigt. Mehr Weiblichkeit in den Führungspositionen wäre somit auch wirtschaftlich betrachtet keine schlechte Entwicklung. Doch bedarf es unbedingt der Quote?
Nicole Bastian leitet das Ressort Finanzen bei der größten deutschen Wirtschafts- und Finanzzeitung, dem "Handelsblatt". Sie hat lange Zeit geglaubt, dass es auch ohne Quote gehen könnte. Doch sie hat ihre Meinung geändert: "Ich halte eine Quote nicht für das Beste, aber für den Übergang ist sie nötig." Ihre Vorgänger waren alle Männer. Nicole Bastian glaubt nicht, dass es ein Makel ist, Quotenfrau zu sein. In einer Führungsposition könnten Frauen schließlich zeigen, dass sie gut seien. Nicole Bastian unterstützt "Pro Quote", ebenso wie mittlerweile fast zweitausend weitere Frauen.
Bei "Pro Quote" geht es nicht nur darum, dass Frauen ihre Chance bekommen sollen, sich als Chefinnen zu beweisen. Vielmehr geht es darum, dass Medien Meinungen darstellen. Und welche Meinungen ins Blatt, ins Radio, auf die Webseite oder in die TV-Sendung kommen, entscheidet der Chef. Es wäre deswegen nicht nur eine Angelegenheit der Gleichberechtigung, Frauen Führungspositionen anzuvertrauen. Es sei aus medialer Sicht geradezu notwendig - nicht um gezielt Frauen-Inhalte zu fördern, sondern um ein differenziertes, ausgeglichenes Bild der Gesellschaft über die Medien zu befördern.
Reaktionen auf "Pro Quote"
Die Medienhäuser haben schon reagiert. Ihre Antworten auf den Brief der Pro-Quote-Frauen sind im Netz nachzulesen. Demnach wollen die große deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" und das renommierte Nachrichtenmagazin "Spiegel" auf die Forderungen der Initiative eingehen und mehr Führungspositionen mit Frauen besetzen.
Die Politik ist da nicht ganz so fix. In der Bundesregierung gibt es derzeit keinen Konsens für eine Frauenquote per Gesetz. Ausgerechnet Frauen- und Familienministerin Kristina Schröder will eine "Quote light": Ein Gesetz zur freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen, die so genannte "Flexi-Quote", bei der sich die Firmen eine individuelle Quote als Ziel setzen sollen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding ist da schon weiter: Sie will im Spätsommer konkrete Vorschläge für eine EU-weite Frauenquote machen. Vielleicht zwingt die EU Deutschland zu mehr Weiblichkeit.
Autorin: Laura Döing
Redaktion: Birgit Görtz