Die rätselhafte Schwäche des Euro
14. November 2001Dennoch, der Euro-Kurs will partout nicht nach oben gehen. Stand er im Januar 1999 zu Beginn der Europäischen Währungsunion noch bei 1,17 US-Dollar, so pendelt er inzwischen nur noch lustlos um 0,88 US-Dollar. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sucht nach Erklärungen: "Ich muss gestehen, dass ich es nicht mehr verstehe. Denn die wichtigsten Gründe für eine Währungsschwäche, nämlich ein Wachstumsgefälle zwischen dem Land der einen und dem Land der anderen Währung, kann man nun zwischen der USA und Europa nicht mehr konstatieren. Und da gibt es noch ein zweites wichtiges Argument, dass immer wieder nicht nur vorgetragen wird, sondern auch faktisch Wirkung hatte und das eine Währung stärkt und die andere schwächt, nämlich ein Zinsvorsprung. Also ein höherer Zins in der Währung, die dann natürlich aufwertet, weil die Anleger und Sparer ihr Geld gerne in höher verzinsliche Währungen bringen. "
Eine unkonventionelle Erklärung für die Kursschwäche des Euro hat dagegen Hans-Werner Sinn, Präsident des renommierten Münchner Forschungsinstituts ifo. Der Euro sei deswegen so schwach, weil in Mittel- und Osteuropa die Bürger zunehmend D-Mark-Scheine in US-Dollar umtauschten. Der im Januar bevorstehende Umtausch der D-Mark in Euro-Bargeld verunsichere die Bürger, so dass sie lieber zu anderen Währungen griffen.
Das hat auch Jürgen von Hagen, Professor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn, festgestellt: "Wir beobachten zum Beispiel im westlichen Teil von Rumänien, dass dort über Jahre hinweg große Teile des Handels in D-Mark abgerechnet wurden, also auch des Handels der Rumänen untereinander. Man sieht, dass dort die D-Mark allmählich durch den Dollar verdrängt wird. Das ist auch gut zu verstehen. Denn die Menschen dort wissen natürlich nicht genau, wie und zu welchen Konditionen sie an Euro-Bargeld kommen können."
Professor Manfred Feldsieper vom Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität Köln kennt ebenfalls solche Einzelbeispiele, bei denen die D-Mark dem US-Dollar weichen muss, gibt aber zu bedenken: "Wie mir bekannt ist und wie ich sozusagen aus Publikationen der Bundesbank lese, gibt es nicht Anzeichen, dass in gravierenden Maße - das lässt sich durch Bargeldrückflüsse ablesen - Umtauschaktionen gegenüber anderen Währungen erfolgen." Auch Bundesbankpräsident Ernst Welteke sieht anhand der Geldmengenentwicklung beim US-Dollar oder dem Schweizer Franken keine Anzeichen für eine massive Flucht aus dem Euro. Außerdem relativiert er die Bedeutung der D-Mark-Bestände in Osteuropa: "Wenn man sich das Bargeld-Volumen insgesamt einmal anschaut und dann sich klar macht, welcher Teil davon sich im Ausland befindet und welcher Teil davon möglicherweise in eine andere Währung als in eine Euro-Währung umgetauscht wird. Und das in Beziehung setzt zu den Beträgen, die da tagtäglich an den Devisenbörsen umgesetzt werden. Dann kommt man zu dem Ergebnis, dass dadurch der Wechselkurs des Euro nicht beeinflusst werden kann."
Dem schließen sich auch Manfred Feldsieper und sein Kollege Jürgen von Hagen an. Beide halten es für unwahrscheinlich, dass der Umtausch von D-Mark in US-Dollar in Osteuropa für die Schwäche des Euro wesentlich verantwortlich ist. Aber indirekt könnte der bevorstehende Bargeldumtausch des Euro dennoch zur Außenschwäche beitragen, gibt Manfred Feldsieper zu bedenken: "Ich möchte sagen, dass die Unsicherheit sicher ein gewisses Element bietet und Erklärungen liefern könnte für die Schwäche des Euro."
Die Unsicherheit wird zumindest bis Anfang 2002 anhalten. Dann ist der Euro endlich auch als Bargeld da. Damit ist die Zeit von elf europäischen Währungen endgültig abgelaufen, die europäische Währungsunion wird sichtbar. Das könnte auch dem Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollarr den lang erhofften Auftrieb verleihen, sagt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank: "Man kann nicht einmal ausschließen, dass dieser symbolische Akt des Aushändigens des Euro-Bargeldes den Euro stärken wird. Denn der Euro ist ja faktisch schon seit über zwei Jahren da, aber ohne dass die Leute das gemerkt habe. Wenn die Europäer sich zusammengehörig fühlen, weil sie das gleiche Geld haben, könnte dies dann auch ein Gefühl von Stärke und von Größe vermitteln. Daraus könnte dann Psychologie abgeleitet werden, die ihrerseits dann auch die Währung im Außenverhältnis - also in den Wechselkursen - stärkt."