Die Schachzüge des Wladimir Putin
20. August 2002Auch wenn Dan Bartlet, neuer PR-Mann im Weißen Haus, die Sache herunterspielt: Die Hardliner in Washington toben. Kaum hat der Kreml bestätigt, dass Russland kurz vor dem Abschluss eines 40 Milliarden schweren Wirtschaftsabkommens mit dem Irak steht, bereitet sich Präsident Wladimir Putin auf das Treffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il am Freitag (23. August 2002) in Wladiwostok vor.
Auch Russland hat Interessen in der Region
Für den dritten Staat der von US-Präsident George W. Bush so genannten "Achse des Bösen", den Iran, bauen die Russen sogar ein Atomkraftwerk. Putins Spiel mit den verfemten Achsen-Staaten ist kühl durchdacht, meint Alexander Rahr von der Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Im Gespräch mit DW-WORLD erläutert Rahr die Motive des russischen Präsidenten: "Wladimir Putin handelt äußerst pragmatisch. Durch das milliardenschwere Abkommen mit dem Irak macht er den Amerikanern klar: ‚Auch wir haben Interessen in der Region‘."
Russland ist traditionell ein wichtigter Wirtschaftspartner des Irak. Doch seit Verhängung des UN-Embargos nach dem Golf-Krieg leidet der Irak-Handel an Magersucht. Überbleibsel der Wirtschaftsbeziehungen aus Sowjetzeiten sind irakische Schulden in Höhe von mehreren Milliarden Euro – die genaue Höhe kennt außerhalb Moskaus und Bagdads niemand.
Den Fuß in der Tür
Einziger Weg, wenigstens einen Teil dieser Milliarden wiederzusehen, ist die Wiederbelebung des Handels mit Bagdad. Und so wirbt Russland seit langem im Weltsicherheitsrat für eine Aufhebung der Sanktionen. Putin schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe, so Alexander Rahr: "Er erhöht das diplomatische Gewicht Russlands und signalisiert der irakischen Führung: ‚Wir setzen uns für euch ein‘. Und das, ohne den USA direkt vor den Kopf zu stoßen, wie in den Zeiten des Golfkrieges 1991. Wenn die Russen eines gelernt haben", so Rahr, "dann wissen sie, dass sie den US-Angriff auf den Irak nicht verhindern können."
Die Russen wollen in der Region wieder den Fuß in die Tür bekommen. Ganz Osteuropa ist als Markt weggebrochen, die afrikanischen Staaten haben kein Geld. Wenn die Russen Landmaschinen, petrochemische Anlagen oder Kraftwerke im großen Stil exportieren können, dann in den Irak. "Das Land ist nämlich – trotz aller Not und Misswirtschaft – nach wie vor ein reiches Land", meint Alexander Rahr.
Auch Frankreich und China wollen Handel mit Irak
"Der Irak könnte seine Öl-Förderquote gegen harte Petro-Dollars in kurzer Zeit verdoppeln", davon ist Aziz Alkazaz überzeugt. Für DW-WORLD gibt der Irak-Experte vom Deutschen Orient Institut in Hamburg eine ausführliche Analyse ab: "Nicht nur bei den Russen stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Auch Frankreich und China machen sich als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat für die Aufhebung der Sanktionen stark. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Franzosen wollen mit Bagdad wieder ins Geschäft kommen."
Alkazaz führt weiter aus: "Als Saddam Hussein Anfang der 70er Jahre die irakische Ölindustrie verstaatlichte, traf das vor allem britische und amerikanische Unternehmen. Französische Firmen bekamen eine Sonderbehandlung und spielen seitdem – ähnlich wie russische Unternehmen – eine zentrale Rolle bei der Erschließung neuer Erdölfelder im Irak."
Moskau lässt sich nicht mehr ausbooten
Noch immer sind Wirtschafts- und Außenpolitiker in Moskau entsetzt, wenn sie daran denken, wie sie von den USA auf dem Balkan oder in Afghanistan ausgebootet wurden. Das soll nun im Irak verhindert werden, meint Alexander Rahr: "Auch wenn das Regime Saddam Husseins von den Amerikanern beendet wird - die Russen gehen davon aus, dass danach nicht alle Entscheidungsträger ausgetauscht werden. Der Hintergrund des Abkommens ist glasklar. Russische Firmen wollen sich einen Teil des Kuchens beim Wiederaubau des Irak sichern."