Lahme Ente
30. März 2007Ursprünglich wurde der US-Präsident erst dann zur "lahmen Ente", wenn sein Nachfolger bereits gewählt war und nur noch vereidigt werden musste. Bei Bushs Vorgängern wurde der Begriff dann schon zur Hälfte der zweiten Amtszeit benutzt, Bush selbst muss sich nun schon seit dem Wahlsieg der Demokraten bei den Kongresswahlen im November als "lame duck" bezeichnen lassen. Einverstanden ist damit jedoch längst nicht jeder.
Für Jackson Janes, Direktor des Amerikanischen Instituts für zeitgenössische Germanistik in Washington, ist die Sache klar. Der Präsident verfüge über eine gewaltige Handlungsfähigkeit, sagt Janes, gerade in der Außenpolitik: "Das bleibt in der Hand des Präsidenten, bis zum Schluss."
Mehr Soldaten in den Irak - trotz demokratischer Mehrheiten
Der Präsident ist der “commander in chief”, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die jüngste Truppenverstärkung im Irak um mittlerweile mehr als 25.000 Soldaten hat der Präsident angeordnet - nachdem die Demokraten die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus übernommen hatten.
Die Demokraten versuchen nun, über den Umweg der Finanzierung des Krieges, ein Datum für den Truppenrückzug festzulegen. Dabei unterscheiden sich die Gesetzesvorlagen im Senat und im Repräsentantenhaus im geplanten Abzugsdatum. Das bedeutet, dass beide Vorlagen erst noch in Einklang gebracht werden müssen, bevor sie auf dem Tisch des Präsidenten landen. Was dann passiert, hat George W. Bush erst am Mittwoch (27.3.2007) wieder klar gemacht: “Wie ich bereits seit Wochen sage, werde ich mein Veto einlegen, wenn ein solches Gesetz auf meinen Schreibtisch kommt." Und dieses Veto werde Bestand haben, so Bush, weil die Abstimmung im Repräsentantenhaus knapp ausgefallen sei.
Das Präsidentenveto ist kaum zu überstimmen
Bush gibt sich kämpferisch, und er hat allen Grund dazu. Eine Zweidrittel-Mehrheit in beiden Häusern ist nötig, um sein Veto zu überstimmen. Im Moment sieht es nicht danach aus, dass entsprechend viele Vertreter seiner Partei öffentlich gegen ihn stimmen. Die Mehrheit der Demokraten ist hauchdünn und die Veto-Drohung hat bisher ihre Wirkung gezeigt: Republikaner, die sich bereits gegen Bush geäußert hatten, haben ihn in der Abstimmung doch wieder unterstützt.
Bush hat in seinen gut sechs Jahren im Amt erst ein einziges Mal sein Veto eingelegt – als es um die Ausweitung der Forschung mit embryonalen Stammzellen ging. Der Präsident ist also zunächst in der stärkeren Position. Er argumentiert, wenn die Demokraten weiter auf einem Abzugsdatum beharrten, würden die Truppen im Irak bald ohne die nötige Ausrüstung dastehen, weil das Geld ausgehe. Die Drohung ist populistisch, denn die Finanzierung könnte durch Umschichtung schon noch für eine gewisse Zeit gesichert werden. Doch wirksam ist die Drohung allemal.
Entsprechend rüde war die Reaktion des Parlaments. Der Präsident solle sich beruhigen, sagte Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses: "Wir respektieren Ihre verfassungsmäßige Rolle, respektieren Sie auch unsere."
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Bushs Veto ist nur ein passives Instrument. Doch stellt er sich stur, müssen die Demokraten handeln. Nach Darstellung des demokratischen Senators und Präsidentschaftsanwärters Barack Obama werde man den Senat weiter abstimmen lassen: "Wir werden diejenigen von meinen republikanischen Kollegen verstärkt unter Druck setzen, die meiner Meinung nach eingesehen haben, dass die Herangehensweise des Präsidenten nicht funktioniert hat, die aber noch keinen Druck auf ihren Präsidenten ausüben wollen.”
Einigung hinter den Kulissen?
Jackson Janes meint, dass sich beide Parteien ein andauerndes Patt nicht leisten können. Die Vetodrohung des Präsidenten werde zu einer Einigung hinter den Kulissen führen, so Janes: Die Abgeordneten könnten verabreden, die Truppen zurück zu holen, aber zunächst kein Datum für den Rückzug öffentlich machen.
Auch in der übrigen Außenpolitik bestimmt George W. Bush noch immer die Richtung. Möglicherweise, vermutet Jackson Janes, sei Außenministerin Condoleezza Rice ja deshalb so oft im Nahen Osten, damit dem Präsidenten wenigstens dort keiner mehr Untätigkeit vorwerfen könne.
Probleme hat der Präsident genug
Das heißt nicht, dass Bush nicht noch viele andere Probleme hat: Sein Justizminister steht wegen des schlampigen Vorgehens bei der Entlassung von acht Bundesanwälten unter Druck. Lewis “Scooter” Libby, der ehemalige Stabschef seines Vizepräsidenten, ist unter anderem wegen Meineids und Behinderung der Justiz schuldig gesprochen worden. Nach und nach stellt sich heraus, dass die vielen Verwundeten des Irak-Kriegs nach der ersten stationären Behandlung unter unvorstellbaren Umständen leben und gegen die Mühlen der Bürokratie kämpfen müssen. Die Bundesbehörde FBI hat jahrelang ohne Rechtsgrundlage amerikanische Bürger ausspioniert.
Doch auch wenn die öffentliche Meinung über den Präsidenten so schlecht ist wie noch nie - noch hat der sich ausbreitende Flächenbrand der Skandale das Weiße Haus nicht erreicht. Zwar forderten Anti-Kriegs-Demonstranten ein Amtsenthebungsverfahren, das den Präsidenten tatsächlich lähmen würde. Doch die Demokraten nehmen das Wort "impeachment" noch nicht ernsthaft in den Mund.
Bush könnte mit Demokraten kooperieren
In der Innenpolitik hat Bush auch keine Erfolge zu vermelden. Die Reform der Sozialversicherung, der Krankenversicherung, Rente, Bildung – all das steht noch auf der Liste des Präsidenten. Hier kann sich die neue Konstellation im Kongress aber vielleicht als positiv erweisen. Bush bezeichnete den demokratischen Senator Edward Kennedy jüngst als seinen besten Verbündeten, wenn es um die Schaffung eines neuen Einwanderungsgesetzes geht. Denn viele Republikaner wollen eine andere Einwanderungspolitik als Bush.
Außerdem wird der Präsident von seinen eigenen Parteifreunden zunehmend gemieden. Im letzten halben Jahrhundert habe er keinen Präsidenten gesehen, der so allein stehe, schrieb Kolumnist Robert D. Novak in der Washington Post. Auch Jackson Janes bemerkt eine Distanzierung von Republikanern, die nicht ganz mit Bushs Politik einverstanden sind oder schlicht merken, dass ihnen eine zu große Nähe zum Präsidenten Stimmenverluste im Heimatstaat- oder bezirk bescheren könnte: "Das ist ein Problem für jeden Präsidenten, aber im Moment ist es, sagen wir mal, ein Problem hoch zehn."
Wahlkampf bringt bessere Quoten als der alte Präsident
Auch die Journalisten wenden sich zunehmend von Bush ab. Seine Pressekonferenzen sind oft nur spärlich besetzt, der beginnende Wahlkampf um seine Nachfolge verspricht mehr Spannung.
Es ist einsam um den Präsidenten, aber noch behauptet er seine Stellung. Er zwingt die Demokraten zum Handeln und hält die eigenen Reihen leidlich geschlossen. Noch ist er keine “lame duck”. Wie schnell er sich dazu entwickelt wird davon abhängen, wie es im Irak weitergeht und ob er innenpolitisch doch noch Erfolge vorweisen kann – oder gar weitere Skandale aufgedeckt werden. Jackson Janes jedenfalls ist überzeugt, dass Bush nicht von sich aus das Handtuch werfen wird: “Der Mann ist ziemlich entscheidungskräftig, insofern glaube ich nicht, dass er sich einschüchtern lässt.”