Die schönsten Bücher aus aller Welt
Voluminöse Fotobände, winzige Kinderbücher, dicke Anthologien - 600 Bücher aus 30 Ländern hat die Jury durchblättert, gestalterische Ideen, Typographie und Druck geprüft. In Leipzig werden die schönsten gezeigt.
Gesucht: Die beste Buchgestaltung
Seit 1963 findet in Leipzig alljährlich der Wettbewerb "Schönste Bücher aus aller Welt" statt. Reichlich Arbeit für die Jury: Mehr als 600 Bücher aus 30 Ländern auf 5 Kontinenten standen dieses Jahr zur Auswahl, alle Bücher wurden schon in nationalen Wettbewerben prämiert. Die Besucher der Leipziger Buchmesse konnten sie am Stand der Stiftung Buchkunst bewundern. 14 davon wurden ausgezeichnet.
Höchste Auszeichnung für "Amsterdam Stuff"
Das allerschönste Buch des Jahres 2019 ist auffällig, aber trotzdem schlicht. Den Einband des Katalogs zieren drei silberne Kreuze, ein halber Papierumschlag gibt nur den lakonischen Titel "Stuff" preis, die Inhalte werden subtil angedeutet: Die Kreuze verweisen auf das Amsterdamer Wappen, "Stuff" auf die unzähligen Objekte, die beim Bau einer neuen Bahnlinie in Amsterdam geborgen wurden.
Akribische Dokumentation auf Dünndruck
Bei dem U-Bahn-Bau wurden im alten Flussbett der Amstel unzählige Dinge gefunden, die von der Urzeit bis ins 20. Jahrhundert dort versenkt worden waren. Wissenschaftler begleiteten den Prozess, erfassten und dokumentierten 700.000 Objekte. 13.000 Artefakte werden im Katalog auf durchscheinendem Dünndruckpapier gezeigt. Das Papier erinnert an die Schichten, die Archäologen nach und nach ausgraben.
Sortierte Sammelsurien
Die Abbildungen der Objekte wurden in präziser Kleinarbeit freigestellt und perfekt sortiert. Die Schautafeln zeigen gleichartige Objekte aus Jahrhunderten, ein faszinierendes Sammelsurium von Alltagsgegenständen. Der von Willem van Zoetendaal für die Gemeinde Amsterdam gestaltete Katalog wurde mit der "Goldenen Letter" gekürt, die höchste Auszeichnung der Stiftung Buchkunst.
"Robert F. Kennedy Funeral Train - "The People's View"
Am 8. Juni 1968 fuhr der Leichnam des ermordeten Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy von New York nach Washington. Der Fotograf Rein Jelle Terpstra recherchierte, wie die Menschen, die die Strecke säumten, den Zug damals wahrgenommen haben. Auf schwarzem Grund stehen - oft unscharfe - Einzelbilder des gefundenen Materials und erzeugen eine irreale Stimmung. Dafür gab es die Goldmedaille.
"Die Kraft des Alters"
Der österreichische Ausstellungskatalog zeigt eine alte Dame, eine Prominente der New Yorker Kunstszene. Innen wechseln sich Aufsätze und Bildteile auf kräftigem Naturpapier ab. Am Ende des Buches hat sich das Papier fast unmerklich gelblich verfärbt. Das gibt dem Buch eine Lebendigkeit, die das Thema auf subtile Art abbildet. "Die Kraft des Alters" erhielt eine der beiden Silbermedaillen.
"Anne Frank House"
Auf dem Cover ist schlicht "House" zu sehen, auf der deutschen Ausgabe, die es auch gibt, "Haus". Gemeint ist das Haus in Amsterdam, in dem sich die Familie Frank zwei Jahre lang vor den Nationalsozialisten verbarg. Der Klappenumschlag ums Buch ist nicht nach innen eingeschlagen, sondern nach außen geknickt: eine Sackgasse. Der Bücherschrank auf dem Cover verstellte den Zugang zum Versteck.
Versteckte Seiten
Im Buch sind sämtliche Doppelseiten als Aufschlagseiten angelegt, eine umfangreiche Bild-, Dokumenten- und Textsammlung, die sich erst durch die verborgenen Innenseiten erschließt - wie ein Einblick in das Versteck. Anne Frank schrieb an diesem Ort ihr berühmt gewordenes Tagebuch. Der in verschiedenen Sprachen erschienene Katalog wurde mit einer Silbermedaille gewürdigt.
"Bonjour, Monsieur, Gauguin"
Eine der fünf Bronzemedaillen erhielt ein Buch aus Tschechien, das mit starken Kontrasten arbeitet. Mattweiße und glänzend schwarze Großbuchstaben stehen plakativ auf dem Einband. Dahinter breitet sich ein Schwarzweißfoto der bretonischen Landschaft aus. Der Ausstellungskatalog über tschechische Künstler in der Bretagne 1850-1950 dokumentiert die kulturelle Verbindung zwischen Ost- und Westeuropa.
"Paris"
Der schwedische Fotograf Ola Rindal blickt über die glamouröse Seite seiner Wahlheimat Paris hinaus. Ihn beschäftigen die Niederungen des öffentlichen Raums, Menschen auf einer Parkbank, eine Schaumspur auf dem Weg - irritierende, nüchterne Momente, die er auf kräftiges, mattes Papier bannt: Realitätsgewinn auf doppelseitigen Hochfotografien, ausgezeichnet mit einer Bronzemedaille.
"The Migrant"
Ein visueller Lockruf ist die goldene Prägung einer Vogelsilhouette auf dem curryfarbenen Gewebeeinband. Der verfolgte Singvogel wird bei der Fotografin Anaïs López zum Sinnbild für die globale Aktualität gesellschaftlicher Migration: Der Band versammelt Bilderzählungen, Comicpanels, Straßenfotografie, verbunden mit der Migrationsgeschichte des Vogels. Bronzemedaille für das niederländische Buch.
"Nichtsein"
Was auf dem Umschlag wie eine scharfkantige Weiß-Prägung wirkt, sind tatsächlich ausgeschnittene Streifen. Innen findet man in dieser Studie über Suizid eine lange Seitenfolge von regelmäßig durchlöcherten Blättern: textlich und grafisch extrem reduzierte Diagramme. Die Arbeit von Katharina Schwarz und Ellen von den Driesch erhielt ebenso eine Bronzemedaille.
Я так бачу (This Is How I See)
Das ukrainische Kinderbuch - die fünfte Bronzemedaille - erzählt von den Seherlebnissen eines Mädchens. Es ist angewiesen auf seine neue Brille, denn seine Augen sind nicht die besten. Die Eule, das Maskottchen des Durchblicks, begleitet das Kind. Innen sind großflächig in starken Farben Tiersilhouetten gedruckt, die sich manchmal übereinander schieben oder das Sehfeld vergleichen.
Wettbewerb der Schönheit
Nach der Wiedervereinigung wurden die zwei getrennten Buchkunstpreise in Ost und West-Deutschland zusammen gelegt, seit 1991 wird der Wettbewerb von der Stiftung Buchkunst ausgerichtet. In der Ausstellung "Schönste Bücher aus aller Welt" werden nicht nur die Sieger, sondern alle für den internationalen Wettbewerb eingereichte Bücher präsentiert, jeweils ca. 700 Titel - die Besten der Buchkunst.