Sieben Antworten zum Trump-Impeachment
21. Januar 2020Donald Trump ist erst der dritte US-Präsident, der sich einem Amtsenthebungsverfahren stellen muss - und der erste seit der Erfindung von Twitter, über das er vermutlich das Verfahren von der Seitenlinie kommentieren wird. An diesem Dienstag, um 13 Uhr Washingtoner Zeit (19 Uhr MEZ), beginnt das Impeachment im Senat. Die DW beantwortet die wichtigsten Fragen zur entscheidenden Runde im Impeachment-Verfahren.
Wie lautet nochmal die Anklage?
In dem Verfahren wird die sogenannte Ukraine-Affäre aufgearbeitet: Am 25. Juli telefonierte Präsident Trump mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj - und forderte ihn auf, ukrainische Ermittler auf die Erdgasgeschäfte von Hunter Biden, Sohn des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers und Ex-Vizepräsidenten Joe Biden, anzusetzen. Ein US-Geheimdienstmitarbeiter setzte einen internen Beschwerdemechanismus über das heikle Telefonat in Gang. Die Demokraten leiteten schließlich die Impeachment-Untersuchung gegen Trump ein.
Nach wochenlangen Anhörungen im Justizausschuss des Repräsentantenhauses haben die Abgeordneten sich auf zwei Anklagepunkte geeinigt: Erstens werfen sie Trump Amtsmissbrauch vor, weil Ermittlungen gegen Biden junior dem Präsidenten persönliche Vorteile für den Wahlkampf gegen Biden senior verschaffen könnten. Zweitens hat das Weiße Haus in der Aufarbeitung der Angelegenheit aus Sicht des Repräsentantenhauses nur unzureichend mit dem Justizausschuss zusammengearbeitet, daher lautet der zweite Anklagepunkt auf Behinderung des Kongresses.
Wie läuft das Impeachment im Senat ab?
Der leitende Richter des Supreme Court, John Roberts, wird dem Verfahren vorsitzen. Die Gesetzestexte geben den Verlauf des Verfahrens nur vage vor, und Präzedenzfälle gibt es kaum. Bevor das Verfahren formell beginnt, müssen sich die Senatoren also auf eine Vorgehensweise verständigen.
Klar ist aber schon: Zuerst dürfen die Vertreter der Anklage, also sieben demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses, an zwei Tagen insgesamt 24 Stunden lang ihre Vorwürfe ausbreiten. Trumps Verteidiger bekommen genauso lange Zeit für die Gegenrede. Einer von ihnen ist übrigens Kenneth Starr, dessen Untersuchungsbericht 1998 zum Impeachmentverfahren gegen Bill Clinton führte.
Die wohl strittigste Frage zum Verfahren ist derzeit, ob die Anklage weitere Zeugen vorladen darf, die Trump möglicherweise weiter belasten. Neben den Demokraten sind auch einige moderate Senatoren aus Trumps republikanischer Partei dafür, sie wollen sich nicht vorwerfen lassen, ein faires Verfahren verhindert zu haben. Spätestens nach den Eröffnungsplädoyers fällen die Senatoren die Entscheidung über weitere Anhörungen. Am Ende stimmen sie ab, ob sie den Präsident im Sinne der Anklage für schuldig halten.
Wer wären mögliche Zeugen?
Die Demokraten haben eine Liste von vier Zeugen, die sie gerne in den Senat vorladen würden. Die wohl prominenteste Person darauf, Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton, hat bereits öffentlich erklärt, dass er zu einer Aussage bereit sei. Auch Trumps Bürochef Mick Mulvaney ist unter den Wunschzeugen der Demokraten.
Die Republikaner liebäugeln ihrerseits mit einer Vorladung für Hunter Biden, um den sich die Ukraine-Affäre überhaupt erst entfaltet hat: Würde belastendes Material über seine Ukraine-Geschäfte ans Licht kommen, würde das vom Vorwurf der Demokraten ablenken, Trump wollte mit dem ganzen Manöver nur Biden senior schaden.
Auf eine ähnliche Mission hatte Trumps Anwalt Rudy Giuliani auch seinen Mitarbeiter Lev Parnas geschickt. Parnas' Aussage oder seine Unterlagen würden Trump wohl schwer belasten - deshalb ist unter den Senatoren umstritten, ob sie sie als Beweismittel zulassen oder nicht.
Wird Trump selbst aussagen?
Trump selbst hat bei Twitter erklärt, er denke "ernsthaft" über eine Aussage nach - persönlich oder in Schriftform. Allerdings haben seine Anwälte auch noch ein Wörtchen mitzureden - bei der Russland-Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller haben sie den Präsidenten letztlich dazu gebracht, nur schriftlich und mit juristisch ausgefeilten Formulierungen Stellung zu nehmen. Sollte Trump persönlich im Senat auftreten, würde er sich ein historisches Alleinstellungsmerkmal verdienen: Die beiden bisherigen Präsidenten, die bislang ein Impeachment-Verfahren erdulden mussten, Andrew Johnson 1868 und Bill Clinton 1998, blieben den Verhandlungen fern.
Wer würde übernehmen, wenn Trump impeacht würde?
Sollte der Senat Trump des Amtes entheben, würde Vizepräsident Mike Pence zum "Acting President" aufrücken. In der finalen Abstimmung wird deshalb von Pence eine Enthaltung erwartet, weil er angesichts seiner Jobchance in einem Interessenkonflikt steht.
Das Impeachment allein würde aber nicht ausschließen, dass Trump im November 2020 erneut zum Präsidenten gewählt werden könnte: Der Senat müsste erst noch einmal separat beschließen, dass Trump in Zukunft nicht mehr antreten darf.
Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung überhaupt?
Beim Impeachment, das darf man nie vergessen, handelt es sich nicht um einen juristischen, sondern einen politischen Prozess - auch wenn die Senatoren sich offiziell verpflichteten, als unparteiische Geschworene zu agieren. Die beiden vorherigen Verfahren gegen Johnson und Clinton endeten mit Freisprüchen. Auch Trump darf bereits wegen der Machtverhältnisse darauf hoffen: Seine Republikaner halten 53 Sitze. Bereits 51 Stimmen genügen, um das Verfahren nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Des Amtes enthoben wird ein Präsident sogar erst mit 67 Stimmen - dass derart viele Republikaner das Ansinnen der Demokraten unterstützen, ist kaum vorstellbar.
Im Wahljahr 2020 spielt Trump zudem die "Red Wall" in die Karten: Damit sind die 31 republikanischen Senatoren gemeint, die sehr Trump-freundliche Bundesstaaten vertreten. 15 von ihnen stehen im November gleichzeitig mit dem Präsidenten zur Wiederwahl - ein öffentlich dokumentiertes Votum gegen Trump würde deren Karrieren wohl kaum beflügeln. Sie gelten deshalb als sichere Fürsprecher.
Insgesamt wäre eine Amtsenthebung Trumps nur denkbar, wenn sich bis zur finalen Abstimmung die öffentliche Meinung stark zu seinen Ungunsten verändert und die Republikaner einen politischen Vorteil darin sähen, ihren Präsidenten fallen zu lassen.
Was denkt die Öffentlichkeit?
Bisher hat sich die Öffentlichkeit offenbar noch nicht allzu stark von den Enthüllungen der vergangenen Monate und den Anhörungen im Justizausschuss beeindrucken lassen. Der Online-Dienst "RealClearPolitics" hat aus verschiedenen Meinungsumfragen errechnet, dass zuletzt glatt 47 Prozent der Befragten eine Amtsenthebung Trumps befürworteten; 47,4 Prozent waren dagegen. Die Seite "FiveThirtyEight" errechnete in einer ähnlichen Methode eine knappe Mehrheit von 49,4 Prozent für die Amtsenthebung. Über den kompletten Zeitraum seit September, als die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, erstmals eine Impeachment-Untersuchung ankündigte, haben sich beide Werte sich kaum verändert.
Die Haltung der Bürgerinnen und Bürger zum Impeachment ist vor allem damit verknüpft, mit welcher Partei sie sympathisieren: Vier von fünf US-Amerikaner, die den Demokraten nahe stehen, wollen Trump aus dem Amt gejagt sehen. Im Lager der Republikaner sind es weniger als zehn Prozent. Auch diese Haltungen waren über die vergangenen Monate recht stabil.