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Stimme des Sports

9. Dezember 2010

Vor 60 Jahren wurde der Deutsche Sportbund gegründet, seinerzeit die mitgliederstärkste Organisation Deutschlands. Der Spagat zwischen Sport und Politik gelang häufig, aber nicht immer.

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Showmaster Michael Schanze 1971 bei der Trimm-Dich-Aktion des DSB (Foto: pa)
DSB Aktion "Trimm dich": Showmaster Michael SchanzeBild: picture-alliance

Die Bundesrepublik Deutschland steckte rund fünfeinhalb Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch in den Kinderschuhen. Vieles befand sich noch im Aufbau, ein neuer Selbstfindungsprozess war noch im Gange. Nichtsdestotrotz trafen sich am 10. Dezember 1950 die Vertreter der Landessportbünde, des Deutschen Turnerbundes und der Sportfachverbände, um den Deutschen Sportbund zu gründen.

Eine schwierige Geburt

Einen Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Sportbundes im Hodlersaal des Rathauses von Hannover (Foto: pa/dpa)
Festakt '50 Jahre DSB' im Jahr 2000 im Hodler-SaalBild: picture-alliance/dpa

Das Erbe, das die Nationalsozialisten auch im Sport hinterlassen hatten, wog schwer. Die Erinnerungen an die Überbewertung der körperlichen Ertüchtigung unter den Nazis waren noch frisch. Und so herrschte bei vielen Teilnehmern der Gründungsversammlung des Deutschen Sportbundes (DSB) im Hodler-Saal des Neuen Rathauses in Hannover eine gewisse Skepsis, ob denn das Vorhaben, Einheit und Einigkeit im deutschen Sport zu erreichen, realisiert werden könnte - zumal in jenem Jahr eine entsprechende Gründungsversammlung schon zwei Mal abgesagt und vertagt worden war.

Freiwilligkeit und politische Unabhängigkeit forderte der Präsident des Bremer Landessportbundes, Oscar Drees, bei der Zusammenkunft in Hannover. Außerdem sollte ein völliger Neuaufbau her, der den Grundlagen des neuen deutschen Staates entsprach. Trotz einiger Querelen und Machtspiele wurde die Satzung verabschiedet und der DSB als regierungsunabhängige Dachorganisation des deutschen Sports gegründet.

Willi Daume, der Gestalter

Porträt Willi Daume (Foto: pa/dpa)
Willi DaumeBild: dpa/pa

In der Frage des ersten Präsidenten des DSB fiel die Wahl letztlich auf Willi Daume. Mit seinen 37 Jahren war er einerseits zwar noch relativ jung, andererseits verkörperte er die Leitlinien glaubhaft. Nicht nur, dass er selbst ein erfolgreicher Sportler war und bereits Präsident des Handball-Bundes, er war vor allem finanziell und politisch unabhängig. Außerdem war er kein Mann großer Worte, sondern Taten. Daume kam es "auf Ideen, Überzeugungskraft und auch Dienstbereitschaft" an.

Von allem brauchte und hatte er genug. Eine Einheit des Sports im Nachkriegsdeutschland zu erreichen, war keine leichte Aufgabe. Schließlich war der DSB im Endeffekt nur die allgemeine Interessenvertretung der angeschlossenen Fachverbände, also ein Dachverband ohne Exekutivgewalt. Erschwerend kam hinzu, dass Sport Ländersache war. Konfliktpotenzial war reichlich vorhanden.

Willi Daume schaffte jedoch oft den Spagat und führte die Geschicke des DSB fast 20 Jahre lang. Besonders im Breitensport konnte er kurz vor seiner Abwahl im Mai 1970 noch ein Ausrufezeichen setzen, indem er den Startschuss zur fast schon legendären "Trimm-Dich-Bewegung" gab. Viele Menschen in der damaligen Wohlstandsgesellschaft waren bewegungsfaul geworden und die Anzahl Übergewichtiger rapide angestiegen.

Gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Sport und Politik

In der Folge wuchs die Mitgliederzahl des DSB – im Laufe der Jahre wurde er mit über 27 Millionen Mitgliedern in über 90.000 Vereinen der rund 100 angeschlossenen Fachverbände zur größten Personenorganisation Deutschlands. Damit stieg zugleich die gesellschaftspolitische Bedeutung. War das Verhältnis zwischen Sport und Staat in den Amtszeiten Willi Daumes und seines Nachfolgers Dr. Wilhelm Kregel noch eher sekundär, stand dieses Thema bei Willi Weyer ganz oben auf der Agenda.

Münchner Olympiastadion (Foto: AP)
Der Bau des Münchner Olympiastadions war "Sache des Staates"Bild: AP

"Wir erfüllen für die Gesellschaft Aufgaben, nur können wir sie nicht in jeder Beziehung alleine erfüllen", stellte Weyer seinerzeit fest, "aber wir können nicht mit den Beiträgen eines Sportvereins eine Westfalenhalle oder ein Olympiastadion bauen. Sportstättenbau ist Aufgabe des Staates."

Eine gleichberechtigte Partnerschaft im Rahmen eines sogenannten "Subsidiaritätsprinzips" war das Ziel: Die Politik sollte dort helfen, wo die Mittel und Kräfte des DSB nicht mehr ausreichten. Bis heute hat dieses Verhältnis Bestand.

Die Vereinigung zweier unterschiedlicher Systeme

Porträt Manfred von Richthofen (Foto: pa/dpa)
Manfred von RichthofenBild: picture-alliance / Sven Simon

Ein weiterer wesentlicher Entwicklungsschritt in der Geschichte des Deutschen Sportbundes war die Wiedervereinigung des deutschen Sports. Formal wurde sie am 15. Dezember 1990 vollzogen - verbunden mit dem 40. Jahrestag des DSB, inhaltlich war sie jedoch ein weitaus zeitaufwändigerer Akt. Zwei völlig unterschiedlich ausgerichtete Systeme mussten miteinander verschmelzen. Der Stellenwert und das staatliche Verständnis des Sports in der DDR waren nahezu konträr zu dem in der BRD. "Wir mussten den Doping-Kampf verschärfen. Wir mussten eine Stasi-Aufarbeitung praktizieren", erinnert sich der letzte Präsident des DSB, Manfred von Richthofen. Beides gelang nicht restlos.

Sport für alle

Zumindest rein sportlich zahlte sich die Wiedervereinigung zunächst aus: Bei den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona errang die gesamtdeutsche Mannschaft den dritten Platz im Medaillenspiegel. Zwölf Jahre später in Athen reichte es allerdings nur noch zu Platz sechs. Dieser Leistungsabfall war ein Grund, warum der DSB am 20. Mai 2006 in Frankfurt am Main mit dem Nationalen Olympischen Komitee zum Deutschen Olympischen Sportbund fusionierte. Kosten sollten gespart und Kräfte gebündelt werden. Am Leitgedanken "Sport für alle" hat sich aber nichts geändert.

Autor: Torsten Ahles
Redaktion: Stefan Nestler