Die Stimme Indiens
5. September 20031962, als Indien den Krieg gegen China verlor, sang Lata Mangeshkar "Ae mere watan ke logon" (Oh, ihr Leute meines Landes). Damit verlieh sie dem tiefen Schmerz einer ganzen Nation Ausdruck und rührte selbst Indiens ersten Premierminister Jawaharlal Nehru zu Tränen. Es war dieses patriotische Stück, dass "Lata Didi" (Schwester Lata) in Indien unsterblich machte.
Schwere Kindheit
Latabai Mangeshkar wird am 28. September 1929 als ältestes von fünf Kindern in Indore geboren, doch schon bald siedelt die Familie nach Maharashtra um. Ihr Vater Dinanath ist ein klassisch ausgebildeter Sänger und Schauspieler, der Lata früh Gesangsstunden gibt. Als er 1942 stirbt muß die 13-jährige Lata ohne abgeschlossene Schulbildung für die Familie sorgen.
Bombay, die Hauptstadt Maharashtras, hat sich inzwischen zum Zentrum der Hindi-Filmindustrie entwickelt. Aber auch Filme in der Landesprache Marathi werden produziert. Die schnellwachsende Branche braucht ständig neue Gesichter. Daher debütiert Lata 1942 als Kinderdarstellerin in einem Marathi-Film. Kurz darauf arbeitet sie zum ersten Mal als Playback-Sängerin - ohne Erfolg. Insgesamt spielt Lata bis 1948 in acht Filmen mit.
1947 versucht sie sich erneut als Sängerin, diesmal in einem Hindi-Film. Doch ihr hoher, honig-süßer Gesang bleibt unbeachtet. Denn en vogue sind die tiefen, herben und nasalen Stimmen von renommierten Künstlerinnen wie Shamshad Begum, Zohrabai Ambalewali oder Noorjehan. Hinzu kommt das vernichtende Urteil des Produzenten S. Mukherji, der Latas Stimme als "zu dünn" bezeichnet. Nur Ghulam Haider, ein Regisseur für Filmmusik, glaubt an sie; der Durchbruch kommt mit seinem "Dil mera toda" ("Du hast mein Herz gebrochen") aus dem Film Majboor (1948).
Viele Schauspielerinnen insistieren nun, dass ihre Filmsongs von Lata gesungen werden. Denn sie wissen: je mehr Hits ein Film hervorbringt, umso erfolgreicher wird er. Latas frische Stimme, die drei Oktaven umfasst, macht den Generationswechsel perfekt.
Keine Konkurrenz
Lata Mangeshkar wird zur festen Institution in der indischen Filmindustrie, gilt als "singende Nachtigall" Indiens. Konkurrenz droht nur aus der eigenen Familie, ihre Schwester Asha nimmt erste Stücke auf. Doch Lata hat inzwischen eine Monopolstellung, die sie in Kontroversen einsetzen kann ohne ihre Karriere zu gefährden. Von 1957 bis 1962 weigert sie sich, mit dem Filmmusik-Regisseur S.D.Burman zu arbeiten. Anfang der 1960er Jahre überwirft sie sich mit Duett-Partner Mohammed Rafi. Ab den 1970er Jahren häufen sich die Klagen des frustrierten Nachwuchses. Latas Übermacht und Beziehungen ließen ihnen keine Entfaltungsmöglichkeit. Entäuscht konzentriert sich Lata Mangeshkar, die übrigens nie geheiratet hat, auf die internationale Karriere. 1974 ist sie die erste indische Künstlerin, die in der Royal Albert Hall in London auftritt.
Neue Ziele
Seit den 1990er Jahren widmet sich Lata verstärkt ihren Hobbies, z.B. der Fotografie. Auch eine Stiftung wird von ihr ins Leben gerufen. Dennoch erachten es junge Regisseure als eine Ehre mit Lata Mangeshkar zu arbeiten. Und so gehen fast alle Tophits aus Filmen wie "Dilwale Dulhania Le Jayenge" (1995), "Dil to Pagal Hai" (1997)" oder erst kürzlich " Kabhi Khushi, Kabhi Gham (2002)- in Deutschland als "Sometimes happy, sometimes sad" ein Erfolg- auf ihr Konto. Im März 2001 erhält Lata für ihre Verdienste um die indische Kultur, die höchste zivile Auszeichnung, den "Bharat Ratna" (Edelstein Indiens). Bei der Preisübergabe hat sie eines versichert: ans Aufhören denke sie noch lange nicht.