Die Stimmen der Latinos im US-Wahlkampf
5. September 2006In einigen Bundesstaaten betrug die Zuwachsrate in den vergangenen zwölf Monaten bis zu 40 Prozent. Doch eine Reform der Einwanderungsgesetze, die den Status der über zehn Millionen "Illegalen" im Lande regeln soll, lässt noch immer auf sich warten. Am Labor Day, dem Tag der Arbeit in den USA am Montag (4.9.2006) machten die Betroffenen in zahlreichen Demonstrationen im Lande auf sich aufmerksam und kündigten an, bei den Zwischenwahlen im November ihre Interessen verstärkt zur Geltung zu bringen.
Heute wird marschiert, morgen gewählt – so lautet das Motto der Märsche, die in Phoenix, Los Angeles, Dallas, Chicago und anderen amerikanischen Städten mit hohem Anteil lateinamerikanischer Einwanderer stattfanden. Die Organisatoren der Märsche wollen Druck auf die Kongressabgeordneten in Washington machen, damit Gesetzesinitiativen, die den Status der illegal Eingewanderten legalisieren würden, endlich verabschiedet werden.
Bedeutend - auch als Wähler
Jaime Contrerez, von der Gewerkschaft der Dienstleistungsberufe und einer der Hauptorganisatoren der Märsche: "Wir haben als Bewegung gezeigt, dass wir von der Zahl her bedeutend sind, dass wir wirtschaftlich bedeutend sind und jetzt werden wir zeigen, dass wir auch als Wählergruppe mächtig sein können."
In Phoenix, im Bundesstaat Arizona, einem der Staaten mit dem höchsten Anteil lateinamerikanischer Einwanderer, marschierten die Demonstranten zum Parlament, um gegen die geplante Verabschiedung restriktiver Maßnahmen gegen die Einwanderung zu protestieren. In Washington, wo die Demonstranten zum Haus des republikanischen Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus, Bill Frist, marschierten, riefen, wie schon bei den Massenprotesten im Mai, Radiostationen zur Teilnahmen an den Protesten auf. "Tun Sie es für die Zukunft Ihrer Familien und Kinder", so tönt es aus dem Radio.
Entscheidende Stimmen
Im November bei den Zwischenwahlen zum Kongress könnten die eingebürgerten Einwanderer – etwa 17 Millionen - in vielen umstrittenen Wahlkreisen das Zünglein an der Waage sein, sagt Joshua Hoyt, von der Organisation für Immigranten und Flüchtlingsrechte im Bundesstaat Illinois. "In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Lateinamerikaner mit amerikanischer Staatsbürgerschaft im Wahlkreis 6 von Illinois um 50 Prozent von 60.000 auf 90.000 angestiegen. Das sind Latinos, die wählen können."
Den ganzen Sommer haben die Organisatoren der Immigranten ihre Mitglieder zum Eintrag in die Wählerlisten motiviert. Dabei verstehen sich die US-Staatsbürger lateinamerikanischer Herkunft als Vorreiter für die Rechte ihrer illegalen Kollegen, die noch auf eine Statusverbesserung warten. Dabei zeichnet sich ab, dass die Einwanderung neben dem Irak-Krieg zum zentralen Thema des Wahlkampfes werden dürfte.
Zufluchtsstätte
In San Francisco erklärte der linksliberale Bürgermeister Gavin Newscom seine Stadt inzwischen zur "Zufluchtsstätte" für Immigranten, in der Angriffe auf Illegale nicht geduldet würden. Erst vor kurzen hatte das Ministerium für Heimatschutz in Washington vorgeschlagen, Arbeitgeber, die Arbeiter ohne legale Papiere beschäftigen, mit empfindlichen Strafen zu belegen. Ohne die Arbeitskräfte der zahlreichen Illegalen würde jedoch die arbeitsintensive Landwirtschaft in Staaten wie Kalifornien zum Stillstand kommen.