Suche nach den Schuldigen
27. August 2013Als "Komödie" bezeichnet Radghda Mardinie die Anschuldigung gegen das Regime in Damaskus, chemische Waffen eingesetzt zu haben. Für die Chefredakteurin der staatlichen syrischen Tageszeitung Tishrin gehören der Giftgas-Vorwurf und der Einsatz der UN-Beobachter zu einer Verschwörung von Israel und den USA.
Beide würden das internationale Recht verletzen und Waffen an die Dschihadisten liefern, um einen Zusammenbruch Syriens herbeizuführen und die Landkarte der Region zu verändern, schreibt Mardinie. Für sie steht fest, dass C-Waffen benutzt wurden. Aber sie ist sich auch sicher, dass "Söldner" des Westens sie eingesetzt haben. Beweise könne sie vorlegen.
Verschwörungstheorien
Das staatliche syrische Fernsehen zieht Parallelen zwischen Syrien und der Lage im Irak 2003. Genau wie damals würde jetzt ein Vorwand für einen militärischen Schlag gegen Syrien gesucht. Schwere Anschuldigungen werden in dem Bericht gegen die USA erhoben: Washington habe die C-Waffen an die bewaffnete Opposition geliefert und bereite nun unter dem Etikett einer "humanitären Intervention" den Schlag gegen Damaskus vor. Wenn die syrische Regierung nun UN-Beobachtern den Zugang zu betroffenen Gebieten gewähre, zeige das nur, dass Präsident Baschar al-Assad nichts zu verbergen habe.
In regimetreuen Medien kursieren verschiedene Verschwörungstheorien rund um den Einsatz von chemischen Waffen in Ghouta am 21. August. Andere Erklärungsversuche stellen einen Zusammenhang zu der aktuellen militärischen Entwicklung in Damaskus her. Der Kommentator Nassir Qandil sagte am Montag (26.08.2013) im privaten regimetreuen "Addounia TV", die Regierungstruppen hätten kurz vor einem entscheidenden Sieg gestanden, der ihnen die volle Kontrolle über die Zugänge zu der Hauptstadt garantiert hätte. Dann sei der Angriff mit Giftgas erfolgt. Kandil erkennt darin eine Aktion westlicher Staaten, mit der diese eine sichere militärische Niederlage ihrer Verbündeten von der bewaffneten syrischen Opposition abwenden und die Position Syriens bei eventuellen Verhandlungen schwächen wollten.
"Zeichen von Schwäche"
Der stellvertretende Führer der oppositionellen "Nationalen Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte", Salem Musallit, sieht in dem Einverständnis der syrischen Regierung, die UN-Beobachter ihre Arbeit machen zu lassen, ein Zeichen von Schwäche. Im Nachrichtensender Al-Arabiya erklärte er, das Regime habe offenbar Angst vor einem Militärschlag. Salem fordert einen wirkungsvollen Schutz der Zivilbevölkerung.
Der Führer der Nationalen Koalition Ahmad Jarba verlangte bereits am Wochenende "eine starke Einmischung" des Auslands. Das Regime müsse davon abgehalten werden, weiterhin Zivilisten zu töten. Dringend notwendig sei, so Jarba, die Einrichtung von "geschützten Gebieten".
Wenig Vertrauen in die UN
In den sozialen Netzwerken überwiegen bei Aktivisten und Gegnern des Regimes Trauer, Wut und Verzweiflung. Viele änderten ihr Profilbild bei Facebook und setzten Bilder getöteter Kinder aus Ghouta ein oder ein gelbes Warnschild vor chemischen Waffen mit der Landkarte von Syrien in der Mitte. Ernsthafte Zweifel darüber, dass Truppen von Präsident Baschar Al-Assad hinter dem Massaker stecken, gibt es nicht. Doch kaum jemand glaubt hier daran, dass die internationale Gemeinschaft dieses Mal ernst machen wird mit ihren Drohungen.
Der syrische Journalist Bashar Yousef arbeitet in Beirut und ist täglich in Kontakt mit Aktivisten in Syrien, die ihn mit Nachrichten versorgen. Er sagt, viele Aktivisten bezeichneten den Konflikt in Syrien bereits als "neuen kalten Krieg". Das internationale Gleichgewicht habe oberste Priorität: "Dieses Massaker ist nicht das erste. Es gab frühere Massaker, die auch dokumentiert wurden. Aber nichts geschah."
Auch Bashar Yousef glaubt nicht daran, dass der Westen nach dem Giftgasangriff auf Ghouta daran interessiert ist, al-Assad zu stürzen. Sollte es einen Militärschlag geben, würden strategische Ziele getroffen, glaubt der junge Journalist: "Aber das Regime wird weiter bestehen."