Tschechien auf dem Weg zur Cannabis-Legalisierung
1. November 2022Bei Touristen in Prag entsteht schnell der Eindruck, die tschechische Hauptstadt sei auch Cannabis-Hauptstadt Europas. Auf Aufklebern und Werbeplakaten prangt das Blatt der berauschenden Pflanze. Es ziert auch zahlreiche Geschäfte, die alles anbieten, was zum Anbau von Hanf - so heißt Cannabis auf Deutsch - gebraucht wird: von Muttererde über Samen und Dünger bis hin zu Lampen für "Indoor Growing", den Anbau unter Kunstlicht. Hinzu kommen Flaschen und Dosen mit Hanf-Drinks, die in vielen Lebensmittelgeschäften genauso erhältlich sind, wie Cannabis-Schokolade, -Salben oder -Cremes.
Aber der Schein trügt. Denn in diesen Produkten befindet sich höchstens ein Prozent des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC), den die Blüten und Blätter der Hanfpflanze enthalten und der Cannabis zum Rauschmittel macht. Hanfprodukte sind - neben den auch "Gras", "Weed" oder "Marihuana" genannten getrockneten Blüten des weiblichen Hanf - vor allem "Haschisch" oder auch "Pot" genannte fermentierte und gepresste Blüten sowie Cannabis-Öle. Sie alle sind in Tschechien bisher nach wie vor illegal, wenn sie mehr als ein Prozent THC enthalten.
Der Besitz von bis zu zehn Gramm Marihuana, Haschisch oder Hanf-Öl wird in Tschechien als Ordnungswidrigkeit geahndet. Das Gleiche gilt für den Anbau von bis zu fünf Cannabis-Pflanzen. Die Geldstrafe für solche Verstöße kann bis zu 500 Euro betragen, jedes Jahr werden etwa 20.000 Tschechinnen und Tschechen dazu verurteilt. Die Überschreitung des THC-Grenzwertes dagegen ist eine Straftat, die mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Derzeit sind mehrere hundert Menschen deswegen inhaftiert.
Gleichzeitig sind Marihuana und andere Hanf-Produkte seit 2017 in Apotheken erhältlich - rezeptpflichtig, also nur für Konsumenten, denen ein Arzt eine medizinische Notwendigkeit zum Cannabis-Konsum bescheinigt hat. Alle anderen Konsumenten müssen sich bisher auf dem Schwarzmarkt eindecken. Auch Hanf-Anbau ist in Tschechien bisher illegal, die Apotheken erhalten ihre Ware aus Ländern wie den Niederlanden, das Cannabis für den Schwarzmarkt wird illegal angebaut.
Junge Tschechen: Europas Nummer Eins beim THC-Konsum
Obwohl nach wie vor illegal, ist der Konsum von THC-haltigen Substanzen in Tschechien weit verbreitet. Dreißig Prozent der erwachsenen Bevölkerung haben Marihuana probiert, und acht bis neun Prozent konsumieren es regelmäßig. Das geht aus dem Suchtbericht hervor, der im August 2022 von der Nationalen Beobachtungsstelle für Drogen und Sucht (NMS) veröffentlicht wurde. In Zahlen nehmen in dem Elf-Millionen Einwohner-Land damit etwa 800.000 Menschen Cannabis.
"Wir sind eines der Länder mit der höchsten Rate an Menschen, die mindestens eine THC-Erfahrung im Leben gemacht haben", so Pavla Chominova, die Leiterin der Beobachtungsstelle, in der Tageszeitung Pravo. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction, EMCDDA) liegt Tschechien in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen mit 23 Prozent THC-Konsumenten an erster Stelle unter allen EU-Ländern. Bei harten Drogen dagegen liegt das Land im europäischen Mittelfeld.
Den Schwarzmarkt austrocknen
Die tschechische Mitte-Rechts-Regierungskoalition hat nun mit der Ausarbeitung eines Gesetzes begonnen, um THC-haltige Produkte vollständig zu legalisieren. In Zukunft sollen sie ähnlich wie Alkohol oder Zigaretten behandeln werden. "Trotz der bisherigen Entkriminalisierung haben wir immer noch einen Schwarzmarkt, es gibt keine offizielle Produktion und keine Qualitätskontrolle, ebenso wenig wie eine Kontrolle der Verkäufe an Jugendliche unter 18 Jahren", erklärt Jindrich Voboril, der tschechische Drogenbeauftragte gegenüber der DW.
Das Thema Cannabis wurde von der Tschechischen Piratenpartei (CPS), dem kleinsten Mitglied der Regierungskoalition, auf die Tagesordnung gesetzt. "Die Legalisierung wird die Tschechische Republik zu einem freieren Land machen. Sie wird Milliarden in die öffentlichen Haushalte bringen, die bisher auf der Straße landen", erklärt die Partei per Twitter. Nach Schätzungen der Piraten könnte die Besteuerung von Hanf-Produkten Tschechien jedes Jahr etwa 800 Millionen Euro einbringen.
Legalisierung soll Risiken verringern
Ende September 2022 beauftragte die Regierung in Prag Jindrich Voboril mit der Ausarbeitung eines Gesetzes zur Legalisierung von Hanf. Im März 2023 soll der Drogenbeauftragte einen ersten Entwurf vorlegen. Die einzige Koalitionspartei, die dem Plan noch skeptisch gegenübersteht, ist die christdemokratisch-konservative Volkspartei (KDU-CSL). Voboril, selbst Mitglied der liberal-konservativen Demokratischen Bürgerpartei ODS von Premier Petr Fiala, ist dagegen überzeugt: "Wenn der Staat den Drogenkonsum legalisiert und unter seine Kontrolle bekommt, wird das Suchtrisiko sinken." In seinem Gesetzesentwurf schlägt er vor, dass staatliche Stellen sowohl die Kontrolle über die Produktion als auch über den Verkauf übernehmen sollen.
"Es wird zugelassene Unternehmen geben, die nach strengen Regeln für die Produktion und die Entsorgung von Marihuana arbeiten werden", erklärt Tschechiens Drogenbeauftragter. Händler müssten eine staatliche Lizenz beantragen. Offen sei derzeit noch, ob die Konsumenten sich registrieren müssten. "Ich werde zudem versuchen, dafür zu sorgen, dass so wenig Cannabis wie möglich durch konventionelles Rauchen konsumiert wird, denn das schädigt die Gesundheit am meisten", fügt Voboril hinzu. Alternativen zum Rauchen - dass Cannabisdampf ist weit krebserregender ist als Tabak, wurde vielfach wissenschaftlich bewiesen - sind etwa die Einnahme über Vaporizer, als Keks oder Getränk.
Die Ausarbeitung des Legalisierungs-Gesetzes koordiniert Prag laut Voboril mit Berlin, wo sich die Regierung derzeit ebenfalls mit dem Thema Cannabis befasst. "Unsere Kollegen aus Deutschland wollen, dass Hanf für den deutschen Markt nur in Deutschland angebaut und verarbeitet wird - und dass wir das genauso handhaben. Ich dagegen denke, wir sollten uns gegenseitig beliefern." Tschechien strebe eine Vereinbarung zur gegenseitigen Öffnung des Cannabis-Marktes an.