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"Die USA geben die Richtung vor"

Bernd Riegert14. September 2005

Zum Abschluss des NATO-Verteidigungsminister-Rates in Berlin hat sich ein Ja zur engeren Zusammenarbeit zwischen NATO und US-Truppen in Afghanistan angedeutet. Diplomaten sprechen bereits von einem Durchbruch.

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Bernd Riegert

Der Gastgeber, der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck, berichtete stolz, seine NATO-Kollegen hätten intensiv über die Zukunft des Bündnisses nachgedacht und sich wirklich politisch betätigt. Damit sei eine Forderung von Bundeskanzler Schröder nach echtem Dialog in der NATO erfüllt worden, den er im Frühjahr von den USA verlangt hatte. Man erinnere sich an die berühmte Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Die Europäer folgen

Bei den übrigen NATO-Partnern sieht man Strucks Euphorie gelassen. In Deutschland ist schließlich Wahlkampf und Struck möchte ein bisschen glänzen. Also gönnen die übrigen Kollegen dem gesundheitlich sichtlich angeschlagen wirkenden Sozialdemokraten den Auftritt. Mit der wirklichen Diskussion in der NATO hat das aber nichts zu tun.

Natürlich haben die Verteidigungsminister auch schon vor der Forderung von Gerhard Schröder politische Richtungen der Sicherheitspolitik bestimmt. In Berlin hat sich wieder einmal erwiesen, dass die USA, als führende NATO-Macht diese Richtung vorgeben und viele Europäer, wenn auch zögernd, folgen. Ein Schema, das sich nun seit Jahren, seit dem Fall der Mauer, dem Ende der Block-Konfrontation wiederholt. Die USA haben die so genannte militärische Transformation angeschoben.

Schnelle Eingreiftruppe für einige zu viel

Auf Drängen der USA legt sich die NATO zurzeit eine Eingreiftruppe zu, die innerhalb von fünf Tagen in aller Welt eingesetzt werden kann. Die ist zwar mit 21.000 Mann zunächst recht überschaubar, doch selbst diese Größe war einigen zögerlichen Europäern schon zu viel.

Durch stetigen Druck und durch Salami-Taktik, kleine Schritte in die gewünschte Richtung, ist es Donald Rumsfeld, dem US-Verteidigungsminister, gelungen, das Bündnis in die gewünschte Position zu manövrieren. Er hat seine Eingreiftruppe bekommen, jetzt arbeitet er daran, ihr auch den gewollten Auftrag zu verpassen.

Rumsfeld hat sein Ziel fest im Blick

Während der deutsche Verteidigungsminister noch davon träumt, dass es beim Auftrag "Friedenssicherung" bleiben muss, hat Rumsfeld zusammen mit dem britischen Partner schon fest den Auftrag "weltweiter Anti-Terror-Kampf" im Visier. Es wird vielleicht noch einige Jahre dauern, aber man kann davon ausgehen, dass die USA sich auch in diesem Punkt durchsetzen werden. Das Credo des Pentagons lautet schließlich: Die Transformation hat gerade erst begonnen.

Wenn die USA nicht alle Verbündeten mit ins Boot holen können, fangen sie erst einmal an, die Willigen einzubinden. Die Opposition innerhalb der NATO wird mit Kompromissen wie in Afghanistan abgefunden, wo Friedenssicherung und der wesentlich gefährlichere Anti-Terror-Kampf jetzt nicht formal verschmolzen werden, aber doch mit einheitlichen Kommandostrukturen verbunden werden.

Das ist für die USA sicherlich nur ein Zwischenschritt. Afghanistan könnte zum Modellprojekt für andere Einsätze werden. Selbst der moderate NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer geht von weiteren Afghanistans, Kosovos und Darfurs, also internationalen Krisen, in den nächsten Jahren aus, in denen die NATO wird eingreifen müssen.

NATO als Weltpolizist

Für die Gegner dieser Strategie schwingt sich die NATO zum Weltpolizisten im Dienste des Weißen Hauses auf. Die Befürworter sehen in der Strategie eine logische Anpassung an die Sicherheitsherausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die USA werden sich vermutlich im Bündnis durchsetzen. Und schön für Peter Struck, dass wir in Berlin mal offen über alles gesprochen haben. Diese Entwicklung wird er nicht mehr aufhalten.