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Die USA und Afghanistan

Christina Bergmann, Washington, DC11. Januar 2013

Der afghanische Präsident Hamid Karsai sprach in Washington mit der US-Regierung über das weitere Engagement der Amerikaner in seinem Land. Es ging vor allem um die Zeit nach 2014.

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Präsident Hamid Karsai in Washington (Foto: rtr)
Bild: Reuters

Zwei Aufgaben haben sich die Amerikaner in Afghanistan nach 2014 selbst auferlegt: "Afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und auszurüsten und die Fortsetzung des Anti-Terrorismus-Kampfes gegen die Terrororganisation Al Kaida und ihre Verbindungen", erklärte Ben Rhodes, stellvertretender Sicherheitsberater Obamas in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Dabei wird in den US-Medien vor allem diskutiert, wie viele der derzeit 68.000 US-Soldaten denn für diese Aufgaben notwendig sind, wenn die "Übergabe der Verantwortung" erst einmal abgeschlossen ist und die meisten der US- und internationalen Truppen das Land verlassen haben werden.

Rhodes erklärte, auch ein Komplettabzug der US-Soldaten sei nicht auszuschließen: "Die USA haben nicht das Ziel, eine bestimmte Anzahl von Soldaten in Afghanistan zu behalten." Das Verteidigungsministerium ist jedoch zurückhaltend. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag wollte Verteidigungsminister Leon Panetta gar nicht über Zahlen spekulieren. Es gebe verschiedene Szenarien, sagte er, aber sie seien dem Präsidenten noch nicht präsentiert worden, und der habe daher auch noch keine Entscheidung getroffen.

Noch keine definitiven Truppenzahlen

Als der afghanische Präsident Hamid Karsai am Freitag (11.01.2013) mit seinem amerikanischen Kollegen Barack Obama zusammentraf, gab es zwar eine offizielle gemeinsame Erklärung, konkrete Zahlen enthielt sie aber nicht. Doch wenn die Amerikaner sich auf die Ausbildung der afghanischen Armee und die Terrorismusbekämpfung beschränken, reichen dazu 3000 bis 5000 Soldaten aus, erklärt Generalleutnant David W. Barno, von 2003 bis 2005 Kommandeur der US- und Koalitionstruppen in Afghanistan. "Wir reden hier in den meisten Szenarien über Zahlen im Tausender-, nicht im Zehntausender-Bereich", sagt Barno, der inzwischen zum Center for a New American Security gehört, im Interview mit der DW.

US soldiers stand guard at the site of twin suicide attacks in Kandahar on January 6, 2013. Two suicide bombers struck a meeting of community leaders in a southern Afghan town near the Pakistan border on Sunday, killing at least five people and wounding 15, officials said. One gunman on foot opened fire on guards at the entrance of the council building in Spin Boldak, forced his way inside and detonated himself, while a second attacker rammed an explosives-laden vehicle into the outside walls. AFP PHOTO / JANGIR (Photo credit should read JANGIR/AFP/Getty Images)
US-Soldaten in AfghanistanBild: AFP/Getty Images

Barno weist darauf hin, dass nicht nur die logistische, sondern auch die finanzielle Unterstützung der afghanischen Truppen notwendig ist, um sie funktionsfähig zu halten. Wenn die internationale Gemeinschaft die Gelder zur Verfügung stelle, sei er sehr zuversichtlich, dass die Afghanen in der Lage sind, auch nach 2014 für die Sicherheit des Landes zu sorgen. Derzeit gebe es etwa 352.000 afghanische Sicherheitskräfte, und geschätzt 30.000 Taliban-Kämpfer. "Es kommen also 10 afghanische Sicherheitskräfte, Soldaten und Polizisten, auf einen Taliban-Kämpfer, das sollte nach meiner Ansicht mehr als auseichend sein angesichts der Ausbildung und der Ausrüstung, die [die Afghanen] in den letzten Jahren erhalten haben."

Immunität für US-Soldaten Grundbedingung

Auch Verteidigungsminister Panetta gibt sich zuversichtlich. Es seien Fortschritte erzielt worden, erklärte er, im Kampf gegen die Taliban, aber auch in Bezug auf die Gesellschaft in Afghanistan. "Ist alles erreicht worden, was wir wollten? Nein", erklärte er aber gleich im Anschluss, und fuhr fort: "Haben sie alles erreicht, was wir in dem Zeitraum erwartet haben? Noch nicht." Aber die Entwicklung gehe in die richtige Richtung, und innerhalb der nächsten zwei Jahre, bis zum Abzug der meisten US- und Koalitionstruppen, gebe es die Gelegenheit, die Mission erfolgreich abzuschließen, also das Land den Afghanen zu übergeben.

Schrittweiser Rückzug aus Afghanistan

Panetta sagte, er habe am Donnerstag eine Stunde allein mit Präsident Karsai gesprochen und sei "zufrieden" mit dem Gespräch. Am Abend traf sich der afghanische Präsident dann mit US-Außenministerin Hillary Clinton, am Freitag ist er mit Präsident Obama verabredet. In ihrem Gespräch wird es nicht nur um die Truppenzahl, sondern andere Details des bilateralen Sicherheitsabkommens gehen, das bis spätestens November dieses Jahres verabschiedet werden soll. Ein wichtiges Thema: Immunität für die US-Soldaten. "Dass US-Soldaten nicht vor afghanische Gerichte gestellt werden dürfen, ist eine Grundbedingung für den Verbleib von Truppen", sagt David Barno, "genauso wie es das im Irak war." Die US-Regierung macht aus dieser Forderung keinen Hehl.

Stabile afghanische Regierung essentiell

Genauso wichtig wie die militärischen Umstände, so Barno, sei aber ein stabiler politischer Übergang, freie und faire Präsidentschaftswahlen im April 2014. Die Zukunft Afghanistans könne nicht nur von dem Engagement der Amerikaner abhängen. "Nach zehn Jahren umfangreicher internationaler Hilfe müssen die Afghanen selbst die Verantwortung übernehmen für ihren Regierungswechsel und den Kampf gegen die Taliban."

Auch Vanda Felbab-Brown, Afghanistan-Expertin des Washingtoner Brookings-Institut, findet, dass zu viel über Truppenzahlen diskutiert wird. "Die afghanische Regierung kann nur stabil sein, wenn sie nicht nur die militärischen Kapazitäten hat, sondern auch legitim ist." Angesichts der anhaltenden Korruption sei es derzeit jedoch schwer sich vorzustellen, wie die Karsai-Regierung diese Legitimität ohne erhebliche Verbesserungen erlangen könne, so Felbab-Brown im Gespräch mit DW. Auch hier sei die US-Regierung gefragt, die alles tun müsse, um einen Kollaps der afghanischen Regierung zu verhindern. Das bedeute neben der robusten militärischen Unterstützung "einen Fokus auf die ethnischen Gräben innerhalb der Armee, und einen unmissverständlichen Einsatz für eine Verbesserung der Regierungsführung in Afghanistan". Auch kleine Schritte seien hilfreich, wie die Distanzierung von den korrupten Mitgliedern der Regierung.

Deadline Ende 2014

Felbab-Brown fordert außerdem eine bessere Koordinierung der Länder - wie Großbritannien und Deutschland - die an einer Aufnahme von Verhandlungen mit den Taliban arbeiten. "Wenn das Abkommen mit den Taliban im Wesentlichen ein Geschacher um Gebiete ist, dann ist das schlecht für das afghanische Volk." Das Abkommen müsse Teil einer größeren gesellschaftlichen Versöhnung sein und Mechanismen einsetzen, die die Taliban sowie die afghanische Regierung zur Verantwortung ziehen für Entwicklungen in der Gesellschaft.

Doch alle diese Verhandlungen sind ein Rennen gegen die Zeit, denn nach 2014 werde es kein Zurück mehr geben, so die Expertin: "Wenn es beispielsweise 2015 eine größere Krise in Afghanistan gibt, dann sehe ich nicht, dass die US-Öffentlichkeit oder die US-Regierung sich wieder militärisch oder politisch stärker engagieren." Sollte sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtern, werde es sehr schnell den Druck geben, auch die letzten verbliebenen Verbindungen zu Afghanistan zu kappen.