Die vergessenen Kämpfer
19. Mai 2013Die Szene wirkt ein wenig bedrohlich: Fast 100 Motorräder fahren in Kolonne knatternd durch die deutsche Hauptstadt. Doch man sieht keine Logos eines bekannten Rockerclubs. Stattdessen: grüne Kleidung, Flecktarn und immer wieder ein großes "V" mit einem goldenen Lorbeerkranz. Die Fahrer sind europäische Veteranen, die unter dem Motto "gone but not forgotten" - zu Deutsch "gefallen aber nicht vergessen" - ihrer toten Kameraden gedenken und mehr Rechte fordern. Die Demo Anfang Mai in Berlin war die erste öffentliche Kampagne, an der sich ehemalige deutsche Bundeswehrsoldaten beteiligten.
"Zum ersten Mal wurden wir sichtbar, und das war für viele von uns ein wunderschönes Gefühl", sagt Christian Bernhardt. Der 35-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Veteranen, der den Motorradumzug mitorganisiert hat. Bernhardt war selbst lange Zeit Soldat. Kurz vor Beginn des zweiten Irakkriegs im Jahr 2003 war er in Kuwait stationiert, wo er die Bevölkerung vor chemischen und biologischen Waffen schützen sollte. "Es gab keine geeigneten Bunker. Wir liefen in Schutzanzügen rum und wurden von der irakischen Armee beschossen." Nach der Rückkehr diagnostizierten die Ärzte Bernhardt eine posttraumatische Belastungsstörung.
Auslandseinsätze der Bundeswehr
Seit 20 Jahren nimmt die Bundeswehr an Auslandseinsätzen wie diesem teil. Seither gibt es auch wieder Veteranen in Deutschland. Viele von ihnen kommen gesund wieder, manche tragen Verletzungen an Körper oder Seele. Der Bund Deutscher Veteranen möchte sich für sie engagieren. Kein einfaches Unterfangen. Denn viele Deutsche haben noch immer ein ungutes Gefühl, wenn sie "Soldaten", "Krieg" und "Ehrung" in einem Satz hören. Es schwingt deshalb immer ein bisschen Unbehagen mit, wenn nun wieder von "Veteranen" die Rede ist.
Stefan Paris, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, kann das bestätigen: "Da tauchen sehr dunkle Elemente auf: Wehrmacht, Drittes Reich, alte Männer und Kameradschaften." Auch das Ministerium möchte die Rechte von Veteranen in Deutschland stärken - und zwar ohne, dass sich ehemalige Wehrmachtsangehörige oder SS-Leute mit angesprochen fühlen. Der Dienstherr von Paris, Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, hat deshalb den Begriff neu definiert. Veteranen sind demnach alle, die in ihrer aktiven Dienstzeit an einem Auslandseinsatz der Bundeswehr teilgenommen haben und ehrenhaft ausgeschieden sind.
Anerkennung und Rechte
"Wir möchten, dass diese jungen Soldaten als Veteranen der Bundeswehr dafür anerkannt werden, dass sie diesen Dienst geleistet haben", so Stefan Paris. Der Bundesverteidigungsminister hat auch einen Ehrentag für die Veteranen vorgeschlagen, was allerdings im Bundestag auf wenig Beifall stieß. Für Diskussionen über weitere Unterstützung sei es allerdings noch zu früh, so der Sprecher. Denn an sich seien die Veteranen in Deutschland gut versorgt: "Jeder Soldat, der in der Bundeswehr gedient hat, hat hinterher gewisse Ansprüche: Pensionsansprüche, Ansprüche auf Berufsförderung und auch die Krankenversorgung ist gut geregelt."
Christian Bernhardt vom Bund Deutscher Veteranen widerspricht: "Die meisten Soldaten haben Zeitverträge. Das offizielle Angebot der Bundeswehr betrifft immer die aktiven Soldaten. Ich als Veteran ohne Aktiven-Status kann das alles nicht wahrnehmen." Der Bund Deutscher Veteranen möchte das ändern und fordert einen eigenen Rechtsstatus für Veteranen. Mit dem könnten auch Soldaten Hilfe bekommen, die sich erst Jahrzehnte nach ihrem Einsatz einer posttraumatischen Belastungsstörung stellen können. Wichtig sei auch die Anerkennung in der Bevölkerung.
Fehlendes Interesse in der Bevölkerung
Die bleibt bislang weitgehend aus. Laut einer aktuellen Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr geht die Diskussion um die Veteranen an der Bevölkerung völlig vorbei - obwohl das Image der Bundeswehr in der Bevölkerung durchaus positiv ist. Hängt die Gleichgültigkeit vielleicht auch damit zusammen, dass viele Einsätze kaum Rückhalt in der Bevölkerung haben? Fakt ist: Wenn das Volk in Deutschland direkt über den Afghanistan-Einsatz entscheiden könnte, wäre die Bundeswehr schon lange abgezogen. Die Zustimmung dazu befindet sich auf einem neuen Tiefststand. Nur noch 38 Prozent stehen laut der Umfrage hinter der Mission.
Solche Einwände will Christian Bernhardt vom Bund Deutscher Veteranen nicht gelten lassen. "Wir schicken uns ja nicht selber in den Einsatz, sondern das Parlament. Und das Parlament wird durch das Volk gewählt. Die Parlamentarier stellen sich der Sache nicht, weil man damit keine Wahlen gewinnt. Der Konflikt wird auf unserem Rücken ausgetragen."
Bernhardt und seine Kameraden wünschen sich die Unterstützung des Parlaments für einen Gedenktag. Doch zur Not geht es auch ohne. "Im Endeffekt können wir jetzt keine zehn Jahre warten, bis vielleicht mal die Politik sagt: Wir machen einen offiziellen Veteranentag und beteiligen uns daran. Wir nehmen das selbst in die Hand". Gedenkveranstaltungen wie die Motorradparade sollen nun jedes Jahr in Berlin stattfinden - immer am Samstag nach Christi Himmelfahrt.