Die Walfänger von Lamalera
Weit im Osten der Inselwelt Indonesiens leben traditionelle Walfänger. Mit Bambus-Harpunen erlegen sie Pottwale für den eigenen Bedarf.
Warten auf den richtigen Moment
Das ist die Crew von Petrus Glau Blikolulong "Papa Petro", einem der angesehen Harpunisten des Dorfes, sie heißen "Lamafa", also Mann mit Harpune. Papa Petro wartet auf den richtigen Moment, um vom Boot abzuspringen. Unterstützt vom Gewicht seines Körpers und seiner Sprungkraft will er mit der Eisenspitze seiner Bambus-Harpune die dicke Haut des Pottwals durchbohren.
Erfolg und Enttäuschung
Der Erfolg des kühnen Sprungs war nur von kurzer Dauer: Papa Petro hat seine Harpune ins Ziel gebracht. Aber mit seiner Schwanzflosse konnte der Wal sich von der Harpune und dem Seil, mit dem Sie am Boot befestigt wurde, befreien. Die Verfolgung des Wals blieb erfolglos.
Glück für eine andere Crew
Eine Woche später wurde der Wal tot auf dem Meer treibend gefunden, von einem anderen Boot und einer anderen Mannschaft. Die Seile, mit dem die erlegten Wale mit den Booten verbunden werden, werden von den Fischern gesegnet und haben eine besondere spirituelle Bedeutung.
Geschenk der Vorfahren und Götter
Der Wal gehört der Mannschaft, die ihn an Land bringt. Die Bedingungen sind in diesem Fall günstig: Es herrscht Windstille. Es braucht mehr als ein Dutzend Männer, um das gewaltige Tier ans Ufer zu ziehen. Die Fischer betrachten ihre Beute als ein Geschenk ihrer Vorfahren und der Meeresgöttin "Ina Leva".
Aufteilung der Beute
Nachdem der Wal auf den Strand gezogen wurde, beginnt die Aufteilung der Beute. Jedes Mitglied der Besatzung erhält einen Teil entsprechend seiner Rolle. Wer wie viel bekommt, entscheidet traditionell der Bootsbauer nach alten Regeln. Nach dem Abtragen der Speckschicht wird der Wal zerlegt.
Zufrieden mit ihrer Portion Walfleisch
Alle Teile des Wals finden Verwendung. Besonders wertvoll ist das Fleisch. Manche tauschen ihren Anteil in den umliegenden Dörfern. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt: Walfleisch darf nur gegen andere Lebensmittel getauscht werden, aber niemals gegen Geld. Dennoch verkaufen einige manchmal ihren Anteil, um alte Schulden zu begleichen.
Insulare Tauschwirtschaft
Auf dem lokalen Markt tauschen die Bewohner von Lamalera ihren sonnengetrockneten Fisch und ihr Walfleisch gegen Mais, Gemüse, Früchte und andere Produkte der Bergbewohner ein. Im Dorf heißt es, dass das Walfleisch noch nie auf anderen Inseln als auf Lembata gehandelt wurde.
Verdienter Ruhestand für den Harpunisten
"Nach der Grundschule wurde ich mit 13 Jahren praktisch direkt zum Lamafa (Harpunisten)", sagt Papa Alfredus. Sein Onkel war ein erfahrener Walfänger und nahm ihn mit aufs Meer. "Jeder Seemann kann zu einem Lamafa aufsteigen, aber er muss dem Rest seiner Mannschaft Können und Mut beweisen". Der 56-Jährige möchte nun in Ruhestand gehen. Seinen Platz wird sein jüngerer Bruder einnehmen.
Christentum und Animismus
Bevor katholische Missionare nach Lamalera kamen, verehrten die Dorfbewohner "Lara Wulan", den Gott des Himmels, "Tana Ekan", den Gott der Erde und "Ina Leva", die Mutter des Meeres. Zusätzlich verehrten sie ihre Vorfahren. Die alten Götter fanden auch im neuen Glauben ihren Platz: Ina Leva etwa, die Mutter des Meeres, wurde zur Jungfrau Maria.
Katholische Messe im Dorf der Walfänger
Es ist Abenddämmerung und kurz vor dem Beginn der katholischen Messe. Die kleine Kapelle ist festlich geschmückt. Neben Kreuz und Kerzen gehören auch blankpolierte Teile des Skeletts des Wals, einschließlich seines riesigen Schädels, dazu. An diesem Abend erinnert der Bischof die Dorfbewohner daran, dass schlechte Taten die Ahnen verärgern.
600 Jahre alte Tradition
Die Vorfahren der Familien aus dem Dorf Lamalera haben Pottwale seit mindestens sechs Jahrhunderten gejagt. Mit Genehmigung der indonesischen Regierung dürfen sie weiter auf Walfang gehen, solange er nur dem Eigenbedarf dient. In den Nordpolargebieten gib es ähnliche Regelungen für die Eskimos. Kommerziellen Walfang betreiben nur noch Japan, Norwegen und Island.
Das Fischerdörfchen Lamalera liegt auf der kleinen indonesischen Vulkaninsel Lembata, rund 120 Kilometer vor der Nordwestküste der Insel Timor. Claudio Sieber hat die Walfängergemeinde von Lamalera wochenlang bei ihrem traditionellen gefährlichen Broterwerb aus dem Meer begleitet und auch ihr Leben an Land dokumentiert.