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Die wunderbare Welt der Schwerkraft

Ingun Arnold15. Januar 2004

Muskelschwund, Herz-Kreislauf-Probleme, brüchige Knochen: Eine Reise durch das All geht an die Substanz. Dennoch plant die NASA in den nächsten 20 Jahren eine bemannte Marsmission. Mit welchen Folgen für die Astronauten?

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Im All geht es drunter und drüber

Im All steigt das Blut in den Kopf. Besonders unangenehm ist, wenn Blut aus den Adern ins umliegende Gewebe sickert. Dann fühlt sich der Kopf aufgedunsen und schwammig an. Gleichzeitig muss das Herz weniger Blut durch den Körper pumpen. Die Menge roter und weißer Blutkörperchen sinkt. Das schwächt das Immunsystem. Aber jede Bewegung im Schwebezustand der Schwerelosigkeit ist wunderbar leicht. Die Folgen: Verlust der körperlichen Kraft, Rückgang der Knochendichte, Muskelschwund bis zu 20 Prozent. Die Symptome sind bei allen Raumflügen gleich.

Verlust der Schwerkraft

Die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Kreislauf lassen sich ohne Weltraumflug simulieren: Wissenschaftler des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln testen dies in so genannten Bettruhestudien. Vier Wochen lang liegen die Testpersonen in einem Bett, dessen Kopfende um sechs Grad nach unten geneigt ist. Diese körperliche Schieflage entspricht in etwa dem, was der Kreislauf im All aushalten muss.

Muskelapparat und Skelett werden in der Schwerelosigkeit nicht beansprucht. Schnell beginnt der Körper, sich darauf einzustellen: Er produziert keine Muskel- und Knochenmasse mehr. Bereits innerhalb der ersten fünf Tage eines Weltraumfluges geht ein Großteil der Körperkraft verloren, trotz regelmäßiger Bein- und Fingergymnastik. Erst nach der Landung auf einem Himmelskörper muss der Astronaut wieder mit Muskelkraft und Skelett gegen die Wirkung der Schwerkraft ankämpfen. Doch bis zum Mars ist es weit - zwischen 54 und 400 Millionen Kilometern.

Künstliche Schwerkraft

Derzeit kalkuliert die NASA mit einer Reisezeit von über einem Jahr. "Da brauchen wir künstliche Schwerkraft an Bord", sagt Prof. Rupert Gerzer, Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin Köln. "Die soll von einer kleinen Zentrifuge erzeugt werden." Und dann erklärt er DW-WORLD, was die Astronauten erwartet: Die Zentrifuge hat einen Durchmesser von vier Metern, in der Mitte gelagert sind zwei Pritschen. Die Astronauten liegen Kopf an Kopf, die Köpfe zur Mitte. Dann wird beschleunigt ... Das simuliert Schwerkraft. Wer davon noch nicht genug hat, der kann zeitgleich mit den Beinen Rad fahren. "Wer an Bord hart arbeitet und trainiert, der hat am Ende weniger Probleme", sagt Gerzer.

Vorbeugung gegen Krebs

Muskel- und Lungenfunktion, Koordinationsfähigkeit, Blutzirkulation, Immunsystem, Knochendichte und Mineraliengehalt: Es gibt kaum eine Körperfunktion, die nicht vor, während und nach einem Aufenthalt im All getestet, überwacht und wissenschaftlich ausgewertet würde. Ein Problem jedoch bereitet den Wissenschaftlern in Vorbereitung der Marsmission massiv Kopfzerbrechen: Die kosmische Strahlung, die im Verdacht steht, bei Langzeiteinwirkung das Krebsrisiko um bis zu 30 Prozent zu erhöhen. "Prävention ist das Wichtigste", sagt Mediziner Gerzer. Dazu gehört eine vernünftige, aber weltraumtaugliche Ernährung. "Die Reparaturmechanismen der Gene müssen unterstützt, die körpereigenen Abwehrmechanismen gestärkt und freie Radikale abgefangen werden", verlangt Gerzer.

Psychische Belastung

Einen bemannten Raumflug zum Mars wird es nach Angaben von NASA-Chef Sean O'Keefe erst geben, wenn neue, bessere Antriebssysteme für die Weltraumkapseln entwickelt sind. Denn rechnet man Anreise, Aufenthaltszeit und Rückflug zusammen, wären die Astronauten fast zweieinhalb Jahre von der Erde getrennt und in der beengten Raumkapsel auf sich allein gestellt. Zu den körperlichen Auswirkungen der Reise kämen typisch menschliche Alltagsprobleme.

Wie umgehen mit Launen, Stress und Krisen an Bord? "Die psychische Belastung für die Astronauten ist enorm - besonders ab dem Moment, wo sie die Erde nicht mehr im Blickfeld haben und einsam und allein durchs All fliegen", so Gerzer. "Da darf keiner dabei sein, der zu Depressionen neigt." Die Idealbesatzung: Psychisch äußerst stabile Persönlichkeiten, die zu 100 Prozent harmonisch und im Sinne der NASA an Bord ihren Dienst tun. Es gibt Unmengen von Bewerbern für die Auswahltests. Sechs bis acht sollen am Ende die Reise antreten.