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Die Zeichen stehen auf Konfrontation

Marcus Lütticke7. August 2013

Trotz aller diplomatischen Bemühungen bleibt die Lage in Ägypten angespannt. Eine Annäherung von Mursi-Anhängern und Militär ist nicht zu erwarten. Der Streit über die Legitimation der Übergangsregierung geht weiter.

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Protestierende Mursi-Anhänger in Ägypten (Foto: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images)
Bild: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images

Ägypten kommt nicht zur Ruhe. Auch einen Monat nach Absetzung des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär zeigt sich das Land gesellschaftlich und politisch gespalten. Eine Annäherung zwischen den Mursi-Anhängern und den Unterstützern der Übergangsregierung ist nicht in Sicht.

Während in den Wochen vor Mursis Sturz die Gegner seiner Regierung in großen Scharen auf Kairos Straßen protestierten, hat sich das Bild inzwischen gewandelt. Nun gibt es große Protestkundgebungen der Muslimbrüder, denen Mursi entstammt. Sie verlangen eine sofortige Rückkehr ihres Präsidenten. In Kairo wurden zwei große Protestcamps von den Mursi-Anhängern errichtet. Sie sind von den Muslimbrüdern durch aufeinandergeschichtete Ziegelsteine und Sandsäcke abgeriegelt, der Zugang wird streng kontrolliert. Reporter berichten von schlechten hygienischen Zuständen und Müllbergen im Umfeld der Camps. Viele Anwohner seien verärgert.

Protestcamps noch nicht geräumt

Trotz Ankündigungen hat das Militär die Camps bislang nicht geräumt. Dennoch gab es in den vergangenen Tagen zahlreiche Zusammenstöße zwischen Anhängern der Muslimbruderschaft und den ägyptischen Sicherheitskräften. Seit Mursis Sturz wurden laut Medienberichten mindestens 250 Menschen getötet und Tausende verletzt. Sollte die Armee versuchen, die Camps gewaltsam zu räumen, wird ein weiteres Blutvergießen befürchtet.

Camp der Mursi-Anhänger (Foto: Reuters)
Gespannte Ruhe im Camp der Mursi-Anhänger im Osten KairosBild: Reuters

Unterdessen rufen Diplomaten der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten beide Seiten zum Dialog auf. Nach der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und Bundesaußenminister Guido Westerwelle traf am Wochenende US-Vizeaußenminister William Burns zu Gesprächen in Kairo ein.

"Die diplomatischen Bemühungen haben immerhin dazu geführt, dass die schon Ende Juli angeordnete Auflösung der beiden Protestlager der Muslimbruderschaft ausblieb und dass man sich hier - bisher zumindest - mit Gewalt zurückgehalten hat", sagt Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz.

Kritik am Schlingerkurs der USA

Doch gerade das Verhalten der US-Regierung in den vergangenen Wochen bewertet Meyer auch als wenig stringent: "Es war die US-Botschafterin in Ägypten, die sich vor Mursis Sturz bemüht hat, diesem Protest entgegenzuwirken. Nach dem Sturz gab es dann die Forderung der USA, dass Mursi freigelassen werden muss." Inzwischen, so Meyer, sei "eine Kehrtwende der Amerikaner um 180 Grad" erfolgt. Am Wochenende hatte Außenminister John Kerry erklärt, die Armee habe durch Mursis Absetzung "die Demokratie wieder hergestellt".

Portrait von Günter Meyer (Foto: privat)
Kritisiert das Verhalten der USA: Günter MeyerBild: Privat

Noch deutlicher in der Kritik an der Einflussnahme Dritter auf Ägypten wird der tunesische Politikwissenschaftler Hamadi El-Aouni, der an der Freien Universität Berlin lehrt: "Zurzeit sollten die Ägypter wirklich nur in Ruhe gelassen werden. Diejenigen, die meinen, den Ägyptern Ratschläge erteilen zu müssen, sollten sich zurückziehen."

El-Aouni meint damit jedoch nicht nur die westlichen Regierungen, sondern auch "die weltweite Bewegung der Muslimbruderschaft, geführt vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan". Dieser hatte die Generäle in Ägypten zuletzt heftig kritisiert. Mursis Wahl war von der türkischen Regierung auch als Beweis dafür dargestellt worden, dass die islamisch-konservative Bewegung durchaus Demokratie-kompatibel sein kann. Das Scheitern Mursis hatte diesem Bild Schaden zugefügt.

Ein legitimer Putsch?

Doch obwohl der islamisch-konservative Recep Tayyip Erdogan mit seinen Äußerungen zum Umsturz in Ägypten vor allem Eigeninteressen verfolgen dürfte, stellt sich die Frage, ob seine Kritik am Militärputsch nicht berechtigt ist. Immerhin war Mursi nach Jahren der Mubarak-Diktatur in Ägypten ein demokratisch gewählter Präsident. Für El-Aouni bedeutet Demokratie jedoch mehr als Wahlergebnisse: "Sie bedeutet Sicherheit des Volkes, Freiheit und Wohlstand. Und keines dieser Ziele haben die Muslimbrüder verfolgt."

Portrait von Hamadi El-Aouni (Foto: privat)
Hamadi El-Aouni sieht Ägypten auf dem Weg zu DemokratieBild: privat

Auch für Günter Meyer hat der Putsch gegen Mursi eine gewisse Berechtigung: "Die Muslimbruderschaft hat ihre Legitimität durch eine Volksabstimmung bekommen. Sie hat aber durch ihr politisches Agieren diese Legitimität weitgehend verloren." Es sei eindeutig, dass das ägyptische Militär die Stimmung im Volk aufgegriffen habe und durch den Umsturz dem Mehrheitswillen entsprochen habe.

Seit Anfang Mai hatte die ägyptische Protestbewegung nach eigenen Angaben mehr als 22 Millionen Unterschriften für einen Rücktritt von Mursi gesammelt. Ziel war es, mehr Unterschriften gegen den Staatspräsidenten zu sammeln, als er Wählerstimmen bekommen hatte. Mursi war mit 13,2 Millionen Stimmen gewählt worden.

Verhaltener Optimismus für Ägyptens Zukunft

Die Zukunft Ägyptens sieht El-Aouni eher positiv: "In drei bis sechs Monaten werden die Ägypter nicht über den Berg sein, aber sie werden die Lage stabilisiert haben. Ihr Fundament ist die ägyptische Justiz. Sie ist sauber, sie ist transparent, sie funktioniert sehr gut und ist eigentlich der Hauptträger dieser Übergangsphase."

Günter Meyer sieht Ägypten dagegen noch vor einem langen Weg: "Es wäre naiv anzunehmen, dass mit einem Sturz eines autoritären Regimes sofort die Demokratie beginnt. Wir in der aufgeklärten westlichen Welt haben zum Teil Jahrhunderte gebraucht, um aus autoritären Herrschaftsformen die Demokratie praktizieren zu können, die wir heute etwa in Deutschland haben."