Diese Frau will die Welt verbessern
17. November 2017"Und so könnt auch ihr dann Weltverbesserer werden", sagt Fabienne Sandkühler und schiebt mit beiden Händen noch einmal ihre Karteikarten zurecht. Das Publikum applaudiert beherzt.
Ein Abend in der Universität Bonn. Während die meisten Studierenden schon längst Zuhause sind, haben sich im Hörsaal 8 rund 30 junge Leute zusammengefunden. "Berufswahl, Impact, Weltverbessern" - so lautet das Thema von Sandkühlers Vortrag, den sie gemeinsam mit ihrem Freund Fritz Dorn hält. Worum es eigentlich geht? "Wie wähle ich als Effektiver Altruist meinen Job", erklärt die 22-Jährige.
Sandkühler selbst ist eben eine solche Effektive Altruistin, kurz EA. Vor wenigen Jahren kam sie zu der Bewegung, die dem Vorsatz folgt: "Mit wissenschaftlich-rationalem Vorgehen so vielen empfindungsfähigen Wesen wie möglich helfen." Damals studierte sie noch Psychologie im Bachelor an der University of Oxford.
Uneigennützig nutzbringend
Der Effektive Altruismus ist eine soziale Bewegung. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist der Philosoph Peter Singer, der die Idee des effizienten Weltverbesserns schon Ende der 1990er Jahre anstieß. Populärer wird sie nun seit Anfang der 2010er Jahre. Effektive Altruisten versuchen - wie der Name schon sagt - uneigennützig zu sein, das aber möglichst nutzbringend. So erklärt Sandkühler in ihrem Vortrag, dass man bei der Berufswahl nicht nur nach der Leidenschaft entscheiden sollte, sondern auch nach der Möglichkeit, globale Probleme in den Griff zu bekommen.
Ganz konkret kann das bedeuten: Ein junger Mann liebt Bücher. Würde er seiner Leidenschaft nachgeben, würde er sich für das Literatur-Studium entscheiden. Doch letzten Endes entscheidet er sich für BWL. Denn: Effektiv altruistisch gedacht, kann er so in eine Führungsposition kommen, beispielsweise ein Start-Up gründen, möglichst viel Geld verdienen und so dieses Geld dann nutzen, um beispielsweise Hilfsorganisationen zu unterstützen.
"Die Arbeitszufriedenheit ist da aber auch nicht ganz unwichtig", sagt Sandkühler. Man solle sich überlegen, welche Fähigkeiten und Stärken man besitzt. Ein Medizin-Studium, zum Beispiel, sei zwar auf den ersten Blick altruistisch. Immerhin könne man ja viele Leben retten. "Aber: Es gibt mehr Bewerber als Studienplätze für Medizin in Deutschland. Wenn ich es nicht mache, gibt es trotzdem noch genug Ärzte", erläutert sie das Prinzip. Deswegen hätte sie im Nachhinein auch lieber Wirtschaft als Psychologie studiert. "Denn ich glaube nicht, dass ich die beste Psychologin wäre - da gibt es Leute mit mehr Talent. Und ein Wirtschaftsstudium hätte mich breiter aufgestellt."
Akademischer Kontext als Problem
Nach ihrem Psychologie-Studium entschied sich Sandkühler deswegen für den Master in Human Decision Science (zu Deutsch etwa: Entscheidungswissenschaft) in Maastricht. Der habe ihr viele Kompetenzen gegeben, um nun, nach dem Abschluss, in verschiedene Bereiche zu gehen, mit denen sie etwas bewirken kann. "Vielleicht gründe ich eine Organisation oder so etwas", sagt sie. Momentan organisiert die Düsseldorferin die regionale EA-Gruppe in ihrer Heimatstadt oder fährt - so wie an diesem Tag in Bonn - zu Veranstaltungen und erzählt von der Bewegung.
Doch da zeigt sich schon ein Problem des Effektiven Altruismus: Er findet hauptsächlich im akademischen Kontext statt. In die Forschung gehen, Probleme wie Hunger lösen, in hohe Führungspositionen kommen - dafür muss man meist studieren. "Ja", gibt Sandkühler zu, "aber man kann ja auch über Umwege was erreichen." Eine weitere Möglichkeit sei das effektive Spenden. "Früher stand im Effektiven Altruismus das Spenden im Vordergrund. Heute wissen wir, dass es sinnvoller sein kann, bei einer NGO zu arbeiten, in die Wissenschaft zu gehen oder aber auch einfach, den Effektiven Altruismus als Lebenseinstellung populärer zu machen."
Außerhalb der Universitäten sei die Bewegung aber noch nicht so weit verbreitet. Schade sei das. Denn der Effektive Altruismus gehe über die Berufswahl hinaus. Sandkühler orientiert sich in vielen Teilen ihres Lebens am Wohle aller Lebewesen. Sie lebt vegan, versucht auch als Studierende hin und wieder zu spenden.
"Jeder Einzelne kann aber für sich entscheiden, wo er anfangen will und wie viel er tun will", sagt Sandkühler. Manche Effektive Altruisten aus ihrem Umfeld spenden beispielsweise nur, andere gar nicht. Dann gibt es zum Beispiel Online-Spiele-Plattformen, die Geld an effektiv-altruistische Organisationen spenden - weltverbessernde Gamer sozusagen. In ganz Deutschland organisieren sie sich. Die lokalen Gruppen der Effektiven Altruisten haben zwischen 20 und 500 Mitgliedern. Im Internet gibt es verschiedene Seiten, die unterstützenswerte Projekte auflisten. Und wer sich bei der Berufswahl nicht sicher ist, für den gibt es sogar Fragebögen, die einem den besten Beruf ausrechnen - im effektiv-altruistischen Sinne natürlich.