Alternativen zu Tierversuchen
6. Mai 2015Solche Bilder schockieren: in Schraubstöcke festgezurrte Katzen oder Kaninchen, denen Flüssigkeiten in die Augen geträufelt wird. Gefesselte, Elektroden-gespickte Affen mit weit aufgerissenen Augen, halbtote Mäuse mit geöffnetem Schädel.
Etwa drei Millionen Tieren sterben jedes Jahr für wissenschaftliche Zwecke, 80 Prozent davon sind Mäuse und Ratten. Sie werden unter anderem gebraucht, um neu entwickelte Operationstechniken oder Wirkstoffe zu testen, zum Beispiel Impfstoffe, Herzmedikamente oder Krebsmittel. "Wenn es um die Heilung von Krankheiten geht", sagt auch Forschungsministerin Johanna Wanka, "sind und bleiben Tierversuche vor der Anwendung am Menschen unerlässlich".
Damit stellt sich die Ministerin hinter die Forscher des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen. Monatelang wurde der Direktor, Nikos Logothetis, in den Sozialen Medien wüst beschimpft, bedroht und mit Hass-Mails überschwemmt. Vor ein paar Tagen erklärte er, seine Versuche an Affen vorerst einzustellen und nur noch mit Nagetieren zu arbeiten. Die Max-Planck-Gesellschaft betont jedoch, sich nicht von den Drohungen beeinflussen zu lassen.
In der Arzneimittelforschung seien Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben, so Johanna Wanka, sie müssten aber auf das notwendige Maß begrenzt werden Die Kriterien seien in Deutschland sehr streng.
Aber ist das wirklich so? Brauchen wir tatsächlich noch immer unzählige Ratten, Mäuse, Hunde, Schweine, Katzen und Affen, um Medikamente zu testen? Leider lautet die Antwort: Wir werden Experimente mit Tieren (wahrscheinlich) nie vollständig ersetzen können, alles andere wäre naiv. Tierversuche sind immer dann unerlässlich, wenn physiologische Zusammenhänge im Organismus aufgeklärt werden sollen, zum Beispiel wenn Krankheiten durch ein komplexes Zusammenspiel zwischen Gehirn, Hormonsystem und Immunsystem verursacht werden.
ABER: Schon jetzt haben alternative Verfahren in der Grundlagenforschung absolute Priorität.
UND: Es wird an neuen alternativen Methoden geforscht, die Tierversuche ersetzen oder zumindest stark reduzieren.
Das hier sind die vielversprechendsten Ansätze:
Zellkultur-Verfahren
Für dieses schon recht gängige Verfahren werden Zellen von Tier oder Mensch im Labor so gezüchtet, dass sie wie im Körper funktionieren. Damit können sogar komplexe Strukturen nachgebaut werden, zum Beispiel Herzgewebe, Blutgefäße oder sogar ganze Organe. Forschern ist es auch schon gelungen, künstliche menschliche Haut herzustellen, auf der neue Medikamente oder Chemikalien getestet werden können. Sogar verlässlicher als mit lebenden Kaninchen oder Hunden, denn oft reagieren Tiere ganz anders auf Wirkstoffe als Menschen. Ergebnisse aus Tierversuchen sind bei weitem nicht immer auf den Menschen übertragbar!
Computer-Simulationen
Computermodelle werden vor allem eingesetzt, um die Langzeitwirkung von Giftstoffen auf den menschlichen Körper vorherzusagen. So kann beispielsweise die Verträglichkeit von Substanzen, die in Cremes, Seifen oder auch Lippenstiften enthalten sind, künftig am Bildschirm und nicht an Tieren getestet werden.
Biochips
Leipziger Forscher haben einen Biochip entwickelt, der nicht nur das Testen von neuen Medikamenten schneller und effizienter macht, sondern auch die Zahl der Tierversuche verringern soll - und zwar um etwa ein Drittel. Mit dem Biochip simulieren die Forscher die Reaktion des Körpers auf einen Wirkstoff und erkennen direkt die Auswirkungen auf das Gewebe. Das Ergebnis liegt schon nach wenigen Sekunden vor.
Organbiochips
Forscher aus Jena entwickelten einen Biochip, der die Funktionen verschiedener Organe und sogar die Kommunikation zwischen Organen nachbilden kann. Damit können Zell- und Stoffwechselprozesse genau untersucht werden, zum Beispiel das Versagen der Leber im Verlauf einer Blutvergiftung.
Analytische Verfahren
Bestimmte chemisch-analytische Methoden, wie HPLC, können manche Tierversuche komplett ersetzen. Ein Beispiel: Muscheln enthalten manchmal giftige Algen. Um Menschen vor Vergiftungen zu schützen, müssen Muscheln in der EU getestet werden, bevor sie in den Verkauf gehen. Und so absurd es sich anhört: Dafür werden Muschelsaft-Stichproben in die Bauchhöhlen dreier Mäuse injiziert. Sterben zwei der drei Mäuse (qualvoll), dürfen die Muscheln nicht auf den Markt. Mit dem schon länger bekannten Analyseverfahren HPLC (was soviel bedeutet wie Hochleistungsflüssigkeitschromatographie) kann das Algengift eindeutig nachgewiesen werden, ohne dass Mäuse dafür leiden und sterben müssen.