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Diplomatische Odyssee der USA

Kersten Knipp8. November 2013

Obamas Syrien-Politik hat manche seiner Partner verunsichert: Wie sieht die amerikanische Strategie für den Nahen Osten aus? Gibt es überhaupt eine? Die USA wirken kriegsmüde. Das ruft die Falschen auf den Plan.

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Bild: Getty Images

Genf, Russland, Paris, diese Woche nun die arabische Halbinsel: Der amerikanische Außenminister John Kerry hat es bei seinem Bemühen um ein Ende der Gewalt in Syrien auf viele Flugmeilen gebracht. Bei allen Stationen seiner diplomatischen Rundreise bemühte er sich, den amerikanischen Standpunkt in der Syrienfrage zu erläutern. Erklärungsbedarf gab es genug.

Denn nach der überraschenden Entscheidung, auf den syrischen Giftwaffeneinsatz nicht mit einem Militärschlag zu reagieren, mehrten sich die Fragen: Welche Strategie hat Obama? Hat er überhaupt eine? Zweifel an der Position seines Präsidenten konnte der Außenminister nicht überall ausräumen. Zuletzt musste Kerry sich von seinem saudischen Kollegen Saud Al-Faisal sagen lassen, zwischen Riad und Washington gebe es in Sachen Syrien "strategische Differenzen".

Glaubwürdigkeitsverlust des Westens

Nicht nur in Saudi-Arabien zweifelt man mittlerweile an der Entschlossenheit der USA. Dass Washington angekündigt hatte, auf Assads Chemiewaffeneinsatz mit einem begrenzten Militärschlag zu reagieren, dann aber davor zurückschreckte, die Ankündigung wahr zu machen - das hat vor allem in der syrischen Opposition für große Ernüchterung gesorgt.

Der US-Flugzeugträger Nimitz im Roten Meer, (Foto: REUTERS)
Ziellose Macht? US-Flugzeugträger Nimitz im Roten MeerBild: Reuters

Sie musste erleben, wie ihre Hoffnungen und Erwartungen fast über Nacht enttäuscht wurden. Die USA hätten damit ein verheerendes Signal gesetzt, schreibt der Politikwissenschaftler Volker Perthes in einem Beitrag für die Zeitschrift "Internationale Politik": "Solche Glaubwürdigkeitsverluste des Westens stärken die radikalislamischen Kräfte, die in den westlichen Demokratien ohnehin nur den Feind sehen, selbst aber demonstrieren können, dass es dem 'wahren Dschihad' nicht einmal an Munition fehlt."

"Diplomatischer Schwindel"

Obamas Rückzieher hat auch in anderen Teilen der arabischen Welt für herbe Enttäuschung gesorgt. Der renommierte libanesisch-palästinensische Schriftsteller Elias Khoury bezeichnet die US-Strategie in einem Beitrag für das Internetportal qantara.de als Kombination aus "Wankelmütigkeit und Unvermögen". Auch von der amerikanisch-russischen Absprache zur Kontrolle der Chemiewaffen hält er nicht viel, im Gegenteil: Mit ihr hätten Washington und Moskau "einen der größten diplomatischen Schwindel unserer Zeit inszeniert".

Um die Kontrolle der Waffen, so Khoury, gehe es nur am Rande: "Vielmehr ist die Chemiewaffenvereinbarung möglicherweise der erste Schritt hin zu einer Reglementierung der syrischen Zustände durch die beiden Großmächte, zu einer Umwandlung des Landes in eine riesige Isolierstation, hinter deren Türen Mord und Terror wüten" - während man andererseits zu verhindern versuche, dass der Konflikt sich weiter ausbreitet.

"Zynische Verkürzung"

An ein solches Szenario mag der Politikwissenschaftler und USA-Experte Henning Rieke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik nicht glauben. Den Amerikanern sei keineswegs gleichgültig, was in Syrien passiere. Nach den Erfahrungen in Afghanistan und dem Irak wisse man in Washington, dass islamistische Terroristen ihren Kampf nicht auf einen einzelnen Staat beschränkten. "Wenn sie an einem Ort irgendwann nicht mehr gebraucht werden oder unter Druck geraten, dann ziehen sie woanders hin."

US-Außenminister John Kerry und sein russisches Gegenüber Sergej Lawrow nach einem Treffen inGenf,. (Foto: REUTERS)
"Diplomatischer Schwindel"? US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in GenfBild: Reuters

Auch aus einem anderen Grund dürften die Amerikaner kein Interesse daran haben, Syrien sich selbst zu überlassen. Dort nämlich entscheide sich die politische Zukunft nicht nur des Landes selbst, sondern des gesamten Nahen Ostens. Denn in Syrien finde ein Stellvertreterkrieg statt, in dem Iran und Saudi-Arabien um die Rolle einer regionalen Führungsmacht ringen. Auch dies könnten die USA nicht ignorieren. Es sei zwar richtig, dass die USA kriegsmüde seien und für ein weiteres militärisches Engagement derzeit nicht die Kraft aufbrächten. Allerdings wisse man in Washington auch um den Preis dieser Zurückhaltung, nämlich eines schwindenden Einflusses in der Region. Darum halte er den Vorwurf der Gleichgültigkeit für nicht haltbar: "Das ist eine zynische Verkürzung."

Dennoch teilt Rieke die Ansicht vieler Experten, dass die Amerikaner keinen Plan für Syrien haben. Allem Anschein nach seien sie für einen Rückzug Assads von der Macht. Was oder wer aber dann komme, sei nicht absehbar. Auch diese Unsicherheit lasse die Amerikaner zögern. "Sie wollen Stabilität in der Region. Stabilität ist für sie das Wichtigste."

"Nihilistischer Radikalismus"

Ob sich diese Stabilität aber erreichen lässt? Der politische Analyst Hazem Saghieh ist skeptisch. In einem Beitrag für die arabische Tageszeitung "Al Hayat" zeichnet er nicht nur für die Zukunft Syriens, sondern der gesamten arabischen Umbruchländer ein düsteres Bild. In allen betroffenen Staaten hätten die Islamisten der politischen Entwicklung ihren Stempel aufgedrückt. Deshalb erwartet er für die Region ein gleich doppelt bedrückendes Szenario: "Wir werden vermutlich Zeugen verschiedener Spielarten eines nihilistischen Radikalismus, die die Gesellschaften gegen den Willen ihrer Bürger weiter aufsplittern werden. Zugleich werden wir teils komische, teils tragische Versuche sehen, uns die Rettung durch das Militär zu verkaufen."

Kämpfer der Nusra-Front in Syrien. (Foto: AP)
Nihilistischer Radikalismus: Kämpfer der Nusra-FrontBild: picture-alliance/AP