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Giorgio Moroder ist 75

Silke Wünsch26. April 2015

Der Meister der elektronischen Tanzmusik hat in den 1970ern Musikgeschichte geschrieben. Sein Disco-Sound ging um die Welt, auch heute noch beeinflusst er viele Musiker - und kommt jetzt mit neuer Platte.

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Cover Giorgio Moroder
Bild: Repertoire Records (Sony Music)

Ein DJ steht allein auf einer großen Bühne, schiebt an ein paar Reglern und spricht in ein Mikrofon, seine Stimme ist elektronisch verzerrt. "In meinem Pass steht Giovanni Giorgio. Aber ihr könnt mich ruhig Giorgio nennen. Und dies ist meine Musik!" Aus den Lautsprechern pumpende Beats, vor ihm eine tanzende und springende Menschenmenge. Der Mann, der vom Publikum gefeiert wird wie die Techno-DJs auf Elektrofestivals, ist ein älterer Herr mit grauen Haaren und grauem Schnurrbart - und einer der erfolgreichsten Musikproduzenten aller Zeiten. Giorgio Moroder ist immer noch in Action, selbst mit 75 Jahren. Letztes Jahr hat er eine Elektro-Nummer mit dem Titel "74 is the new 24" veröffentlicht - ein Vorgeschmack auf das neue Album "Déjà Vu", das im Juni kommen wird. Mit dabei sind alte Pophasen wie Kylie Minogue und Britney Spears, außerdem die australische Senkrechtstarterin Sia Furler und junge Künstler wie Charli XCX oder Foxes. Wenn diese Platte durch die Decke geht, dürfte das niemanden überraschen, denn Hits sind die Spezialität des berühmten Produzenten aus Südtirol.

Produzent und Komponist Giovanni Giorgio Moroder
Regler statt Rollator: Giorgio Moroder ist der älteste DJ-Star der WeltBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Nichts anderes als Musik

Geboren am 26. April 1940 als Sohn einer Bergbauernfamilie, beginnt Giovanni Giorgio Moroder als Teenager, Musik zu machen. Er lernt Gitarre, interessiert sich schon früh für die Möglichkeiten der synthetischen Klangerzeugung. Lange hält es ihn nicht in den Bergen. Er zieht mit 19 Jahren aus und tingelt mit verschiedenen Bands durch Europa. Er findet Gefallen an der Musikproduktion und beginnt zu komponieren. Erste Erfolge mit seinem Partner Pete Bellotte kommen Ende der 1960er Jahre, nicht zuletzt weil er zu den ersten Produzenten gehört, die elektronische Elemente in der Popmusik verwenden.

Cover Giorgio Moroder "Déjà Vu"
"Déjà Vu" erscheint voraussichtlich am 12.6.2015Bild: Sony Music

Er zieht nach München, betreibt sein eigenes Tonstudio "Musicland" und lernt die US-Sängerin Donna Summer kennen. Mit ihr arbeitet er drei Jahre zusammen, bis 1975 der große Wurf kommt: Donna Summer haucht "Love to Love You Baby" auf einen Teppich aus treibendem Bass, Bassdrum-betontem Groove und hypnotisierender Gitarre. Über allem schweben zuckersüße Streicher: ein gelungener Gegensatz zu Donnas laszivem Gestöhne. Der Song landet weltweit auf höchsten Chartpositionen - und auf dem Index der BBC.

Der Pop-Olymp

Damit schreibt der Mann mit dem schwarzen Schnäuzer und der Spiegelbrille Musikgeschichte. Kein Discosong vorher war so erfolgreich. Moroders Markenzeichen sind sein Sound, seine Grooves, seine Synthesizer-Loops. Berühmte Musiker stehen vor Moroders Studiotür an und wollen ihrer Musik die Handschrift des Disco-Königs verpassen: die Rolling Stones, Elton John, David Bowie, Freddie Mercury, Blondie und viele andere. Moroder arbeitet fast rund um die Uhr und produziert Nummer 1-Hits wie am Fließband, wird mit Grammys und Golden Globes überhäuft. Er geht nach Los Angeles und komponiert Filmmusik. Sein erster Soundtrack für den Film "Midnight Express" (1979) bekommt direkt einen Oscar, vier Jahre später folgt der nächste für "What a Feeling" aus dem Tanzfilm "Flashdance". Für "Top Gun" mit Tom Cruise schreibt er 1986 "Take My Breath Away" und erhält dafür seinen dritten Oscar. Er schreibt die Hymnen für die Olympischen Sommerspiele in Los Angeles 1984 und Seoul 1988 - und für die Fußball-WM 1990 in Italien.

Donna Summer
Der größte Hit für das Gespann Donna Summer/Moroder/Bellotte war "I Feel Love"Bild: AP

30 Jahre Pause

Nach seinen geballten Erfolgen hat Moroder genug vom Musikzirkus. Er interessiert sich für andere Sachen, beteiligt sich am Bau des Supersportwagens Cizeta-Moroder, spielt Golf, macht Kunst und widmet sich seiner Ehefrau. Hin und wieder ein Song; mehr passiert nicht. Er ist längst zum Godfather der Elektroszene ernannt worden und wird in einem Atemzug mit den Technopionieren Kraftwerk und Tangerine Dream genannt. Ihm fehlt es an nichts - bis er 2013 in Paris die beiden Soundtüftler von Daft Punk kennenlernt. Er geht mit ihnen ins Studio, setzt sich vor ein Mikrofon und erzählt seine Lebensgeschichte. Daraus machen Daft Punk den Song "Giorgio by Moroder" - ein neun Minuten langes Stück mit den typischen Moroder-Sounds. Sie packen ihn auf ihr Album "Random Access Memories" und halten das Ergebnis bis zum Veröffentlichungstermin geheim. "Ich war absolut überrascht, was die da gemacht haben", erzählt Moroder im Interview mit dem YouTube-Kanal "Filtr TV". Es sei eine sehr emotionale Sache gewesen, sich selbst die eigene Lebensgeschichte in einem Song erzählen zu hören.

Grammy Award 2014 Los Angeles Kalifornien
Daft Punk haben Moroder "reaktiviert"Bild: ROBYN BECK/AFP/Getty Images

Neustart mit Ruhe und Gelassenheit

Durch seinen Gastauftritt bei Daft Punk vor zwei Jahren ist Giorgio Moroder wieder "ein bisschen in den Business zurückgekommen". Sein so beschauliches Leben hat sich quasi über Nacht wieder in sein altes Leben verwandelt: "Früher bin ich aufgestanden und überlegte, wo geh ich denn jetzt Golf spielen? Jetzt muss ich überlegen: Welches Lied soll ich denn jetzt schreiben?" Moroder liebt die neuen Technologien und die Möglichkeit, mit internationalen Musikern zusammenzuarbeiten, ohne dass man durch die Weltgeschichte fliegt. Durch das Internet können Tracks an verschiedenen Orten der Welt produziert werden, was die Arbeit an seiner neuen Platte mit so vielen verschiedenen Künstlern viel einfacher machte.

Giorgio Moroder hat in seinem Musikerleben schon alles erreicht. Deswegen geht er mit Gelassenheit an das neue Werk: "Ich habe keinen Druck. Ich mache, was ich machen kann. Wenn es gefällt, dann gefällt es. Wenn nicht, kann man nichts machen. Da werde ich sicher nicht schlecht schlafen." Mit Recht: Es gibt schließlich nicht viele in dem Alter, die noch in dem Business sind. Und mit 75 ist man ja auch nicht aus der Welt.

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