Deutschland, Drogen und Prostitution
15. März 2016
Der New Yorker Krimiautor Don Winslow, Sohn einer Bibliothekarin und eines Seemanns, schlug sich als Safarileiter in Südafrika, als Kinomanager und als Privatdetektiv auf dem Times Square durchs Leben, bevor er als Autor bekannt wurde. Seine Bücher wie "Savages", "Das Kartell" und "Tage der Toten" sind längst Bestseller und spielen oft in Kalifornien. Doch für sein jetzt erschienenes Buch "Germany" hat der 62-jährige Winslow Deutschland als Schauplatz gewählt: Dort sucht ein Privatdetektiv nach einer vermissten Frau. Seine Spur führt ihn ins kriminelle Milieu, in die Welt von Drogen, Prostitution und Menschenhandel.
DW: Ihr aktuelles Buch heißt "Germany". Warum dieser Titel?
Don Winslow: Ein amerikanischer Detektiv sucht nach einer verschwundenen Amerikanerin und spürt sie in Deutschland auf. Das ist die Kurzversion. Die ausführliche Antwort lautet: Ich mag Deutschland wirklich sehr. Wenn man sich als Autor in einen Ort verliebt, möchte man viel Zeit dort verbringen - ob körperlich oder mental - also schreibt man darüber.
Was mögen Sie an Deutschland?
Vor allem die Menschen. Ich war bereits vier oder fünf Mal in Deutschland - in diesem Leben. In einem früheren Leben bin ich hier anderen Dingen nachgegangen. Als Autor bin ich hier viel rumgekommen und habe viele verschiedene Menschen kennengelernt, die ich mochte. Mir gefällt die Art und Weise, wie die Menschen hier denken. Ich mag auch die Städte und die Landschaft. Und ich liebe Zugfahren.
In ihrem Buch spielen Prostituierte eine große Rolle. Sie sagen, dass Prostitution in Deutschland ein größeres Problem ist als in vielen anderen Ländern. Wie haben Sie sich in das Thema eingearbeitet?
Ich schreibe seit über 30 Jahren über Verbrechen. Dabei profitiere ich davon, dass ich früher selbst als Ermittler gearbeitet habe und mich im kriminellen Millieu auskenne. Früher habe ich weggelaufene Teenager ausfindig gemacht, die traurigerweise in Prostitution verwickelt waren. Besonders in Deutschland habe ich mich in einigen verruchten Gegenden umgeschaut und einige Bars dort besucht.
Ist Berlin in dieser Hinsicht besonders, da es so nah an Osteuropa liegt?
Ja, Berlin ist da schon einzigartig. Natürlich, Berlin ist eine große Stadt, und je größer die Stadt ist, desto mehr Prostitution gibt es. Die Nähe zu Osteuropa ist wichtig, da Osteuropäer – Ukrainer und andere – als hauptverantwortliche Strippenzieher hinter dem organisiertem Verbrechen und dem Menschenhandel in Deutschland stehen.
Warum ist Ihr Buch "Germany" zurzeit nur in Deutschland erhältlich?
Zunächst einmal handelt es von Deutschland und heißt "Germany", also dachte ich es wäre passend, wenn es zuerst in Deutschland erscheint. Deutschland ist mir wichtig – und es ist ein wichtiger Markt für mich. Meine Frau und ich haben sogar darüber nachgedacht, hier einen Zweitwohnsitz zu kaufen. Alles in allem bin ich sehr froh darüber, dass das Buch zuerst in Deutschland erscheint.
Außerdem gibt es einen geschäftlichen Grund: Mein amerikanischer Verleger wollte zuerst mein kürzlich geschriebenes Buch "Das Kartell" veröffentlichen, in dem es um Drogen geht. Erst danach soll "Germany" erscheinen.
Für Ihre Bücher "Das Kartell" und "Tage der Toten" haben Sie sehr viel zum illegalem Drogenhandel recherchiert. Im April findet jetzt eine Sondersitzung der UN zum Weltdrogenproblem statt. Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltung?
Ich hoffe auf ein wenig Vernunft und eine andere Sichtweise - nämlich dass wir aufhören, Drogen als ein kriminelles Problem zu betrachten und schon gar nicht als militärisches Problem, sondern als ein Gesundheitsproblem der Gesellschaft. Was ich mir von der Weltkonferenz erhoffe, ist, dass die Konsumenten-Nationen Verantwortung übernehmen.
Wir reden zum Beispiel oft von dem sogenannten "mexikanischen Drogenproblem". Aber es ist nicht das mexikanische Drogenproblem: Es ist das amerikanische und europäische Drogenproblem. Wir sind die Konsumenten, wir sind der Markt, wir sind diejenigen, die die Gewalt fördern.
Sehen Sie der Konferenz optimistisch entgegen?
Nicht besonders. Zumindest in den USA sehe ich eine Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung, aber die kommt von ganz unten. Das sind Menschen, die begreifen, dass wir das Problem anders angehen müssen und dass die Legalisierung von Drogen die Antwort ist. Wir sollten die Milliarden von Dollars und Euros, die wir für eine Durchsetzung des Verbots, für die Inhaftierungen, die Polizei und all das ausgeben, dazu nutzen, Abhängigen zu helfen und die grundlegenden sozialen Probleme, die zu Drogenmissbrauch führen, zu bekämpfen.
Würden Sie Drogen legalisieren?
Ja, und ich wiederhole es unermüdlich: Die Legalisierung ist die einzige Antwort. Wenn man etwas kriminalisiert, können nur Kriminelle damit handeln. Wenn nur Kriminelle damit handeln, gibt es keine rechtliche Grundlagen auf die man sich berufen kann, sondern nur Gewalt. Wenn wir diese Dinge weiter in den Untergrund verbannen, wird das Böse weiterhin Konjunktur haben. Wir müssen all das ans Licht bringen und anders damit umgehen.
Ist Ihr Beruf gefährlich?
Nein ich denke nicht, dass mein Job gefährlich ist. Ich denke, dass mexikanische Journalisten einen extrem gefährlichen Job haben. Hunderte wurden bereits von den Drogenkartellen ermordet. Ihnen widmete ich das Buch "Das Kartell". War ich schon mal an Orten, an denen ich nicht hätte sein sollen? Ja. Ab und an fielen dort Schüsse, wissen Sie. Aber das kommt halt vor.
Das Gespräch führte Andrea Horakh