Trump - die Unterstützung bröckelt
12. Dezember 2017Als "Teflon-Politiker" bezeichnet man diejenigen aus der Branche, an denen Vorwürfe, Enthüllungen und Skandale abgleiten, wie ein Spiegelei aus einer Teflonpfanne rutscht. Donald Trump ist kein Teflon-Präsident im eigentlichen Sinne. Von den Vorwürfen gegen ihn, sei es wegen unseriöser Geschäftspraktiken, wegen möglicher Wahlkampfhilfe aus Moskau oder jetzt und zum wiederholten Male wegen sexueller Belästigung, bleibt oft etwas hängen: Alle reden darüber, auch der Betroffene selbst. Aber Folgen haben die wenigsten dieser Vorwürfe. Bis jetzt.
Drei Frauen gegen Trump
Samantha Holvey gehörte im Jahr 2006 zu den Kandidatinnen für den Titel der "Miss USA". Dieser Schönheitswettbewerb wurde zwischen 2003 und 2015 von dem Fernsehsender NBC zusammen mit dem damaligen Unternehmer und Reality-TV-Star Donald Trump ausgerichtet. Bei einer Veranstaltung in New York, so sagt Holvey, sei Trump unangekündigt in die Umkleideräume gekommen und habe jede Kandidatin in unangemessener Weise "inspiziert". In einem Interview mit dem Radiomoderator Howard Stern im Jahr zuvor hatte Trump derartiges Verhalten selbst bestätigt: "Sie stehen da, unbekleidet... diese unglaublich aussehenden Frauen. Und ich komme damit durch..."
Rachel Crooks arbeitete 2005 bei einer Firma im New Yorker Trump Tower, als - wie sie sagt - Trump ihr im Aufzug begegnete und sie gegen ihren Willen auf die Wangen und den Mund küsste. Und die Geschäftsfrau Jessica Leeds behauptet, sie habe in den frühen achtziger Jahren im Flugzeug neben Trump gesessen, als er sie "wie ein Oktopus" begrapscht hätte: "Seine Hände waren überall", sagte sie.
Holvey, Crooks und Leeds gehörten zu denen, die schon vor der Wahl dem damaligen Kandidaten Donald Trump sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. Trump hatte im Wahlkampf unter dem Jubel seiner Anhänger versprochen, alle diese Frauen zu verklagen; nach der Wahl war davon keine Rede mehr. Diese Woche wiederholten Holvey, Crooks und Leeds ihre Vorwürfe in einer Talkshow und einer Pressekonferenz und forderten, dass sich der Kongress mit den Vorgängen beschäftigen solle. Trump reagierte, wie zu erwarten war:
Nachdem seine politischen Gegner es nicht geschafft hätten, eine Zusammenarbeit mit Moskau zu beweisen, so der Präsident am frühen Dienstagmorgen, würden sie es nun mit den "falschen Anschuldigungen und erfundenen Geschichten von Frauen, die ich nicht kenne und/oder nie getroffen habe", versuchen. Prominente Senatoren der Demokraten haben Trump unterdessen zum Rücktritt aufgefordert. Und die Twitter-Gemeinde reagierte mit dem Hashtag #trumptoo.
Das "Access Hollywood"-Video
Im Wahlkampf 2016 machte ein Video aus den Archiven der Promi-Sendung "Access Hollywood" Schlagzeilen. Dabei zeigte es eigentlich nur, wie ein Bus vorfährt, aus dem Donald Trump aussteigt. Interessant ist vor allem die Tonspur. Trump und der Moderator der Sendung Billy Bush trugen für die Sendung drahtlose Mikrophone an ihren Revers, deren Sender bereits eingeschaltet waren. So war zu den Bildern eines rangierenden Busses zu hören, wie Donald Trump sich in vulgärer Weise über seinen Umgang mit Frauen äußerte: Ihm als TV-Star sei es problemlos möglich, fremden Frauen in den Schritt zu greifen.
Jedem anderen Kandidaten hätte ein solches Video sofort das politische Genick gebrochen. Trumps Wahlkampfhelfer spielten die Äußerungen als "locker room talk" herunter, als Geschwätz, wie es in einer Männerumkleide nun mal zu hören und nicht weiter ernst zu nehmen sei. Einen Monat später wurde Trump zum Präsidenten gewählt. Inzwischen behauptet Trump, die Stimme in der Aufnahme sei gar nicht die seine.
Zweierlei Maß
Trump legt ein durchaus zwiegespaltenes Verhältnis zu dem Thema "sexuelle Belästigung" an den Tag. Im Zuge der #metoo-Kampagne ging die Journalistin Leeann Tweeden an die Öffentlichkeit, warf dem demokratischen Senator Al Franken sexuelles Fehlverhalten vor und konnte das mit einem Foto beweisen.
Trump stellte sich hinter Tweeden - per Tweet, versteht sich.
Der Republikaner Roy Moore dagegen konnte auf Trumps Verständnis rechnen. Moore wollte bei einer Nachwahl in den Senat gewählt werden, obwohl er sich mit Vorwürfen konfrontiert sah, er habe sich reihenweise an minderjährigen Mädchen vergriffen. Trump im Wahlkampf: Man müsse auch Moores Seite der Geschichte anhören. Noch am Tag der Wahl in Alabama machte Trump für jeden verständlich klar, warum er Moore im Senat sehen wollte: Er braucht Moores Stimme:
Bei der Nachwahl in Alabama siegte Moores Gegenkandidat, der Demokrat Doug Jones. Die Niederlage Moores ist auch eine für Trump. Nicht nur, dass den Republikanern künftig eine Stimme im Senat fehlt - die amerikanische Öffentlichkeit weiß nun, dass persönliches Fehlverhalten auch politische Folgen haben kann - und darf.
Politik in einem tief gespaltenen Land
Eine derartige Denkweise ist nur in einer politischen Landschaft überhaupt denkbar, die so tief und unversöhnlich gespalten ist wie die US-amerikanische. Zwar machen frisch gewählte US-Präsidenten - Ausnahme hier: Donald Trump - gerne "bi-partisanship", also Politik über die Fraktionsgrenzen hinweg, zum Thema ihrer Präsidentschaft. Tatsächlich gilt aber schon seit den 1990er Jahren im Kongress ein beinhartes "Wir gegen die", das die amerikanische Innenpolitik entscheidet prägt - und schwächt.
Dass Al Franken einige Tage nach Tweedens Schritt an die Öffentlichkeit seinen Rücktritt ankündigte, bringt Republikaner in Bedrängnis, die bisher entlang der Parteilinie dachten und argumentierten. Franken sprach in seiner Rücktrittsankündigung sowohl Roy Moore wie auch Donald Trump an. Er sagte, sein Rücktritt sei umso ironischer, als im Weißen Haus jemand trotz schwerwiegender Vorwürfe im Amt bleiben und mit Roy Moore jemand in den Senat einziehen könne, dem die Belästigung Minderjähriger vorgeworfen wird.
Die Einschläge kommen näher
Donald Trump muss erkennen, dass nicht mehr alle Republikaner ihre eigenen Parteifreunde um jeden Preis schützen. Der Mehrheitsführer der Republikaner, Mitch McConnell, spürte wohl die politische Gefahr für seine Partei, als er erklärte, er glaube den Frauen, die Anschuldigungen gegen Moore erhoben hatten. Kurz vor der Wahl in Alabama wollte er, der bei Trump ohnehin nicht angesehen ist, davon aber nichts mehr wissen. Zuletzt sagte McConnell, die Menschen in Alabama sollten selbst darüber entscheiden.
Mitt Romney, der allerdings seit seiner Wahlniederlage gegen Barack Obama 2012 bei den Republikanern nicht mehr viel zu sagen hat, wurde in Trumps Lieblingsmedium deutlicher:
"Kein Abstimmungssieg ist es wert, dass wir unsere Ehre, unsere Integrität verlieren", schrieb Romney vor der Nachwahl in Alabama.
Völlig unerwartet für Trump dürfte aber der Auftritt von Nikki Haley gekommen sein: In der Sonntags-Talkshow "Face the Nation" des US-Senders CBS sagte die Republikanerin Haley, sie sei "unglaublich stolz" auf die Frauen, die in den vergangenen Wochen den Mut gefunden hätten, mit ihren Vorwürfen gegen Hollywood-Prominente und viele andere an die Öffentlichkeit zu gehen: "Ich glaube, jede Frau, die sich in irgendeiner Weise misshandelt fühlt, hat jedes Recht der Welt, das Wort zu ergreifen." Dabei nahm sie auch auf die Vorwürfe gegen Trump aus den Wahlkampfzeiten Bezug. Nun ist Nikki Haley nicht irgendwer: Trump selbst hat sie zur Botschafterin ernannt.
Die Unterstützung für Donald Trump, den 45. Präsidenten der USA, bröckelt.