1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Draghi im Bundestag: Lächeln gegen Kritik

28. September 2016

Wie lange müssen die Euroländer die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank noch ertragen? Das fragten Bundestagsabgeordnete EZB-Präsident Draghi - und bekamen überraschende Antworten.

https://p.dw.com/p/2QgdR
EZB-Präsident Mario Draghi besucht den Bundestag
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Mario Draghi ist Kummer gewöhnt. Sein umstrittener finanzpolitischer Kurs steht nicht erst seit gestern in der Kritik. Seit Monaten muss sich der 69-jährige Italiener die Frage gefallen lassen, wann die Europäische Zentralbank endlich einen Kurswechsel einläuten und den Weg zurück zu einer normalen Zinspolitik finden wird. Draghi ist also äußerst versiert im Umgang mit Zweiflern und hat gelernt, Kurs zu halten.

Lächelnd und selbstbewusst betrat er am Mittwochnachmittag im Bundestag den Sitzungssaal des Europaausschusses. In der Tasche eine mehrseitige Erklärung, die wohl dazu gedacht war, den angekündigten kritischen Fragen der Parlamentarier erst einmal ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. Draghi setze mit seiner Politik ein fatales Signal für eine stabilitätsorientierte Fiskalpolitik, mache die Euro-Zone zu einer Schulden-Haftungsunion und die EZB durch ihre Anleihekäufe zu einer Bad Bank, hatte es im Vorfeld von Seiten einiger Unionspolitiker geheißen.

Die Sparer sollen sich freuen

Harte Fragen hatten die Parlamentarier angekündigt. Vor allem die Sparer und Geldanleger sind frustriert. Es gibt keine Zinsen mehr, das Kapital wird zudem schleichend entwertet. Nach Berechnungen des Weltvermögensberichts der Allianz hat die Niedrigzinspolitik der EZB die Privathaushalte in Deutschland seit dem Jahr 2010 etwa 23 Milliarden Euro gekostet, das sind 281 Euro pro Kopf.

Eine Rechnung, die Mario Draghi so aber nicht stehen lassen will. Er nehme die Bedenken ernst, allerdings seien sie in Deutschland größer als in anderen Ländern. Die Maßnahmen der EZB seien effektiv und würden greifen, erklärte er den Parlamentariern im Europaausschuss. "Sie tragen dazu bei, dass sich die Erholung fortsetzt und Arbeitsplätze entstehen", so der EZB-Präsident. "Sie sorgen also für einen Aufschwung, von dem letztlich neben Arbeitnehmern und Unternehmern auch die Sparer und Rentner in Deutschland und im Euroraum insgesamt profitieren."

Deutschland EZB-Präsident Mario Draghi besucht den Bundestag
Mario Draghi neben dem Ausschuss-Vorsitzenden Gunther KrichbaumBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Lage hat sich gebessert

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gewährleiste Preisstabilität und habe der Gefahr einer neuerlichen "großen Depression" entgegengewirkt, so Draghi weiter. "Die Erholung, die wir beobachten können, ist noch relativ bescheiden, aber es geht stetig voran." Gemeinsam mit den Abgeordneten habe man die Lage heute im Vergleich zur Situation vor vier Jahren verglichen. "Alle haben eingeräumt, dass sich die Lage deutlich gebessert hat", so Draghi nach der rund zweistündigen Ausschusssitzung hinter verschlossenen Türen.

Es scheint, als habe der EZB-Präsident die Kritiker im Europaausschuss mit seinen Argumenten einfangen können. Die angekündigten harten Fragen blieben nach Draghis Vortrag jedenfalls aus. Die Sitzung sei ruhig verlaufen, berichteten Teilnehmer nach der zweistündigen Ausschusssitzung.

Es habe kritische, aber durchaus auch lobende Anmerkungen gegeben, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum. "Man muss sich Gedanken machen, die Liquidität, die man in die Märkte hineinpumpt, auch dann wieder einsammeln zu müssen und zu können." Die Niedrigzinsen wirkten zudem wie ein verstecktes Rettungspaket, zu dem es aber keine Zustimmung durch den Bundestag gegeben habe.

Auf der anderen Seite habe die Zentralbank "in Person von Herrn Draghi in einer sehr schwierigen Situation angekündigt, den Euro mit allen Mitteln, mit allen Maßnahmen zu verteidigen und das hat damals sehr beruhigend auf die Märkte gewirkt". Dem Ziel, den Euro stabil zu halten, sei die EZB immer gerecht geworden", so der CDU-Politiker.

Sind die Banken selbst Schuld?

Auch die Probleme der Banken wurden in Berlin thematisiert. Deutsche Bank und Commerzbank befinden sich derzeit wegen niedriger Renditen zunehmend in Schwierigkeiten. Das gelte auch für "die heimischen Volksbanken, die Sparkassen, die ihre Geschäftsmodelle vor allem auf der Kreditwirtschaft aufbauen und ihre Einnahmen weniger aus spekulativen Geschäften heraus generieren", ergänzte Krichbaum. Der Bankenverband hatte die Probleme ebenfalls auf die Niedrigzinspolitik zurückgeführt.

Deutschland Deutsche Bank in der Krise
Einst vor Kraft strotzend, befindet sich die Deutsche Bank jetzt im AbwärtsstrudelBild: Reuters/K. Paffenbach

Ein Vorwurf, den EZB-Präsident Draghi allerdings abperlen lässt. Die Branche sei recht unterschiedlich strukturiert. "Manche Banken halten gut durch, auch bei niedrigen Zinsen, andere sind stärker betroffen." Viele Institute könnten die sinkenden Zinserträge durch mehr Kredite, einen besseren Schuldendienst und einen geringeren Zinsaufwand mehr als ausgleichen. Zu beobachtende Probleme seien nicht unbedingt auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen. "Da mag es andere Gründe geben, das Geschäftsmodell oder das Risikomanagement."

Wie geht es weiter?  

Sollte im Europaausschuss jemand erwartet haben, dass Mario Draghi einen Kurswechsel bekannt gibt, dann wurde er auf jeden Fall enttäuscht. Der EZB-Präsident ließ keinen Zweifel daran, dass er seinen Kurs beibehalten wird. Jedenfalls solange, bis die Euroländer wieder auf Kurs sind. Doch das kann dauern. "Die Strukturreformen müssen beherzter angepackt werden, damit die EZB den Spielraum hat, aus der expansiven Geldpolitik wieder aussteigen zu können", erklärt Draghi.

Die Wettbewerbsfähigkeit müsse gesteigert werden. In den Bereichen Bildung und Forschung müsse mehr investiert werden. "Steigende Löhne und Erfolge auf dem Arbeitsmarkt liegen im allgemeinen Interesse." Mittelfristig werde so auch das Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent erreicht werden.