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US-Wahlkampf

2. Januar 2012

Trotz der schwachen Wirtschaft hat Präsident Obama im Vergleich zu seinen möglichen republikanischen Gegnern noch die Nase vorn, sagt ein US-Wahlexperte. Er rät auf drei Dinge zu achten, die die Wahl entscheiden können.

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Robert Shapiro
Robert Shapiro, Professor an der Columbia UniversityBild: Robert Shapiro

DW-WORLD.DE: Vergleichen Sie doch bitte zunächst die anstehende Präsidentschaftswahl mit der im Jahr 2008. Sind sie vergleichbar?

Robert Shapiro: Es sieht so aus, als ob die Entscheidung bei der republikanischen Vorwahl nicht sehr früh fällt – ähnlich wie das auch 2008 bei den Vorwahlen der Demokraten der Fall war. Grundsätzlich werden Abstimmungen zwischen den beiden Parteien auf Präsidentschaftsebene, aber auch im Kongress, wieder umkämpfter. Und die andere offensichtliche Ähnlichkeit der beiden Wahlen – aber auch zahlreicher andere Wahlen – ist, dass der Wahlausgang möglicherweise sehr stark von der Wirtschaftslage abhängen wird.

Wird die Wirtschaft wirklich das entscheidende Thema sein, oder gibt es noch andere Themen, die die Wahl kippen können?

Man muss auf drei Dinge achten: erstens die Wirtschaft. Die Wirtschaft kann wichtig werden, falls es zu einer neuen großen Wirtschafts- oder Finanzkrise kommt. Das könnte verheerend für die Demokraten sein. Sollte sich andererseits die Wirtschaft auf wundersame Weise dramatisch erholen, könnte das den Demokraten sehr nützen. Und es könnte sein, und das ist meine persönliche Einschätzung, dass die Wirtschaftslage sich gerade soweit bessern könnte, dass es für die Obama-Regierung einfacher wird, wiedergewählt zu werden.

Zweitens sollte man auf andere unerwartete Ereignisse im Bereich der Außen- und Innenpolitik achten. Wahrscheinlicher ist ein außenpolitisches Ereignis außerhalb der Kontrolle der USA. Achten Sie also auf internationale Krisen oder dramatische Veränderungen. Es gibt viele Möglichkeiten, wo etwas passieren könnte: Pakistan, Iran, Afghanistan, die Beziehungen zu China, die Ereignisse im Nahen Osten, der israelisch-palästinensische Konflikt, sogar das Verhältnis zu Russland.

Und drittens – und das macht der republikanische Vorwahlkampf besonders deutlich – können die Wahlkämpfe und die TV-Debatten selbst eine entscheidende Rolle spielen. Es gab bislang beträchtliche Schwankungen in den Umfragenwerten der republikanischen Kandidaten, die direkt mit den vorherigen Debatten und deren Bewertung durch Experten, Kommentatoren und Journalisten zusammenhingen. Diese Debatten und die Wahlkampfführung selbst können auf jeden Fall kleinere Auswirkungen haben, die letztlich wahlentscheidend sein können.

Und deshalb sollte man wissen, dass – sollte sich die Wirtschaftslage nicht dramatisch verschlechtern oder verbessern – bei der Präsidentschaftswahl in den USA der eigentliche Wahlkampf, die Entscheidung über den republikanischen Herausforderer und die Entwicklung in den Einzelstaaten kurz vor Wahl über den Ausgang entscheiden können. Das hängt auch mit dem Wahlmännersystem in den Vereinigten Staaten zusammen.

Das Kandidatenfeld der Republikaner wird häufig als mittelmäßig, nicht gerade aufregend und ohne klaren Favoriten beschrieben. Was ist Ihr Eindruck der republikanischen Bewerber?

Romney war ja eigentlich der Favorit, weil erwartet wurde, dass er zumindest die Unterstützung der republikanischen Führung bekommen würde. Und größtenteils hat er das ja auch erreicht. Sein Problem ist, dass diese Botschaft bei einem beträchtlichen Teil der Parteibasis noch nicht angekommen ist. Innerhalb der republikanischen Wählerschaft gibt es deutlichen Widerstand gegen ihn.

Gleichzeitig haben einige augenscheinlich stärkere Kandidaten aus verschiedenen Gründen auf eine Kandidatur verzichtet. Und dies trotz der Tatsache, dass der demokratische Amtsinhaber aufgrund der Wirtschaftsmisere und auch anderer Schwächen verwundbar ist. Eigentlich hätten diese Bedingungen zum Antritt der besten republikanischen Kandidaten führen sollen. Aber Chris Christie, Mitch Daniels oder John Thune haben einfach entschieden, nicht anzutreten.

Wer ist der republikanische Kandidat, den Präsident Obama am meisten fürchten müsste?

Es gibt zwei: Mitt Romney und Jon Huntsman. Huntsman ist der Außenseiter. Er ist der Kandidat, von dem ich glaube, dass er Obama am meisten gefährden könnte. Sollte er es auf wundersame Weise schaffen, dann würde die republikanischen Basis vielleicht auch merken, dass er konservativ genug für sie ist und sie ihre Bedenken gegen seine Religionszughörigkeit zu den Mormonen überwinden können. Außerdem verfügt er über ein Maß an politischer Gewieftheit, dass es ihm erlauben würde, Obama das Leben schwer zu machen. Und schließlich schleppt er nicht die negativen Assoziationen und das Misstrauen der republikanischen Basis wie Romney mit sich herum.

Für einen Amtsinhaber sind die Umfragwerte für Barack Obama nicht besonders gut. Ist er für Sie trotzdem der Favorit bei der Wahl?

Ich würde ihm aus zwei Gründen immer noch die Favoritenrolle zuweisen. Erstens wegen der zumindest derzeitigen Verwirrung innerhalb der Republikaner, was die Nominierung eines starken Herausforderers angeht. Zudem rechne ich damit, dass sich die Wirtschaft gerade soweit verbessern wird, dass es für einen knappen Sieg für Obama reicht.

Die Kandidatur von Obama 2008 veranlasste viele junge Menschen und Afro-Amerikaner, zur Wahl zu gehen und ermöglichte eine hohe Wahlbeteiligung. Was für eine Wahlbeteiligung erwarten Sie dieses Mal und wem kann das nützen oder schaden?

Ich denke eine hohe Wahlbeteiligung ist gut für die Demokraten. Das Problem - zumindest derzeit – ist, dass es danach nicht aussieht. Die Zwischenwahlen 2010 und die verheerende Wahlschlappe der Demokraten haben gezeigt, was passiert, wenn die demokratische Basis, die Obama den Sieg gebracht hat, nicht mobilisiert ist. Und deswegen arbeiten die Demokraten jetzt daran, ihre Basis und Erstwähler zu mobilisieren.

Robert Y. Shapiro ist Professor für Politikwissenschaft an der Columbia University in New York und Experte für amerikanische Politik.

Interview: Michael Knigge
Redaktion: Rob Mudge