Dresden im Schatten der Akropolis
27. Mai 2015Kurz schien es, als gerate etwas in Bewegung, als im G7-Pressezentrum in Dresden die Meldung die Runde machte, der griechische Regierungschef Alexis Tsipras sehe sich im Schuldenstreit mit den Geldgebern auf der Zielgeraden. Stimmt das? Was sagt die deutsche Delegation zu den Meldungen aus Athen? Wenig, um es kurz zu machen. "In der Sache sind wir noch nicht sehr viel weiter gekommen", hieß es von Seiten der Bundesregierung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte etwas später sogar, er sei "immer ein wenig überrascht, dass aus Athen immer gesagt wird, wir stünden kurz vor einer Einigung".
Offiziell steht das Hickhack um das von der Pleite bedrohte Griechenland überhaupt nicht auf der Tagesordnung beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Japan, den USA und Kanada.
Um nachhaltiges Wirtschaftswachstum soll es stattdessen gehen, um die Frage, welche Lücken es noch bei der Regulierung der Finanzmärkte gibt und um die Absicht, die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen weiter auszubauen.
Wissenschaftler sollen Input geben
Die Diskussion über das Wirtschaftswachstum steht ganz oben auf der Agenda. Seit Jahren haben die industrialisierten Länder das Problem, dass ihre Wirtschaftsleistung nur noch wenig oder gar nicht mehr wächst. Woran das liegt, darüber streiten sich die Ökonomen.
Gibt es überhaupt noch Möglichkeiten, das Wirtschaftswachstum nachhaltig wieder anzukurbeln? Welche Rolle spielen dabei die Staatsfinanzen? Ist es hilfreich, wenn die Regierungen sparen und keine neuen Schulden anhäufen? Oder steht eine solche Politik dem Wachstum gar im Weg?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben sich die G7 führende Wirtschaftswissenschaftler eingeladen, die ihnen auf die Sprünge helfen sollen - ein Novum bei dieser Art von Treffen. Dazu gehören der Nobelpreisträger Robert Shiller, der frühere Chefvolkswirt des IWF, Kenneth Rogoff, der sich kürzlich für eine Abschaffung des Bargelds ausgesprochen hat, der US-Ökonom Nouriel Roubini und der einstige US-Finanzminister und Harvard-Professor Larry Summers. "Denker und Lenker" würden in Dresden zusammengebracht, so das Bundesfinanzministerium.
Kein Abschlusskommuniqué
Auf "perfekte Lösungen" braucht allerdings niemand zu hoffen. Das bis Freitag dauernde G7-Treffen wird keine gemeinsame Abschlusserklärung produzieren. Es gehe nicht darum, Entscheidungen zu treffen, sondern um eine Diskussion zwischen den Ministern und Zentralbankchefs, stellt die deutsche Delegation klar. Dresden solle als eine Art Denkphase genutzt werden, um Impulse für den G7-Gipfel in Elmau zu geben, aber auch für die G20 und die OECD, einer Denkfabrik für eher wohlhabende Länder.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Beim Thema Wirtschaftswachstum geht es den Deutschen auch darum, die G7 wieder auf den Pfad der Reformen zurückzuführen. Nachhaltiges Wachstum sei nur bei soliden Staatsfinanzen möglich, lautet das Credo von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. "Darüber sind sich alle in der G7 absolut und völlig einig", hieß es am Mittwochabend nach einer ersten Arbeitsrunde auf der Ebene der Staatssekretäre.
Ein Bekenntnis, das den Deutschen allerdings nicht ausreicht. Sie drängen auf Reformzusagen. Doch diesbezüglich hat der Elan sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise deutlich nachgelassen. Das wird inzwischen auch von der OECD bemängelt. Auch wenn die ökonomischen Herausforderungen von Land zu Land sehr unterschiedlich seien, gelte grundsätzlich bei allen G7-Ländern, dass die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden müsse. Dazu eint die Länder, dass sie vor großen demographischen Herausforderungen stehen. Für die Bundesbank ist es zudem ein wichtiges Anliegen, die Verschuldung zu senken.
Verhaltensregeln für Banker
Beim Blick auf die Finanzmärkte und den Bankensektor geht es in Dresden auch um neue Verhaltensregeln für Banker. Befürworter zusätzlicher Regeln hoffen, so den Kulturwandel in der Finanzbranche vorantreiben zu können. "Das Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander setzt voraus, dass sich alle Teilnehmer integer verhalten", heißt es.
Auch im Kampf gegen die Steuertricks international agierender Konzerne wollen die G7 einen Gang höher schalten. Bisher ist geplant, dass die G20, die führenden Industrie- und Schwellenländer, bis zum Ende des Jahres insgesamt 15 Maßnahmen gegen Steuergestaltung und Gewinnverlagerungen (BEPS) vorlegen. Doch das reicht den G7 nicht aus. Es gehe nicht nur um nette Papiere, heißt es von deutscher Seite. "Es geht um die Frage der glaubwürdigen Umsetzung."
Auf der Agenda dürfe sich nicht ausgeruht werden. "Wir wollen und müssen Impulse geben, über BEPS hinauszugehen." Geklärt werden müsse etwa ein Schlichtungsverfahren, wenn Länder sich über die Besteuerung von Firmengewinnen streiten. Auch sollten gemeinsame Steuerprüfungen mehrerer Länder ausgelotet werden. Schließlich gebe es Unternehmen, die weltweit gar keine Steuern zahlten.
Und doch wieder Griechenland?
Bis Freitagmittag werden die Finanzminister und Notenbankchefs über die drei großen Themenblöcke beraten. In einer vierten Arbeitssitzung soll es dann die Möglichkeit geben, weitere drängende Fragen zu behandeln. Spätestens dann wird es sicherlich auch wieder um Griechenland gehen, denn mit IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Präsident Mario Draghi und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sitzen in Dresden die Spitzen der griechischen Gläubiger mit am Tisch.
Der amerikanische Finanzminister Jacob Lew warnte vor Beginn des G7-Treffens vor einem Scheitern der Verhandlungen. Seine größte Sorge sei, dass es zu Fehleinschätzungen der Folgen einer Eskalation komme. Die Europäer und der Internationale Währungsfonds (IWF) müssten beweglich genug sein, um eine Eskalation zu verhindern, forderte er. Bundesfinanzminister Schäuble wird sich davon sicherlich nicht beeindrucken lassen. Einen Schuldenerlass und weitere Finanzspritzen schließt er weiterhin kategorisch aus.