Dresdner Orchester spielt "Entartete Musik" in Israel
10. November 2015Bei den Konzertauftritten in der Jerusalem Music Centre und im Israel Conservatory Tel Aviv am 10. und 12. November betreten die Musiker der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie Dresden im doppelten Sinne Neuland: 1. Sie haben ihren ersten Auftritt Israel. 2. Sie spielen Werke, die noch nie dort gehört worden sind.
Dazu gehört auch Erich Wolfgang Korngolds Sinfonische Serenade op. 39. Als Jude musste Korngold 1933 in die USA emigrieren. In Hollywood gelang ihm eine Karriere als erfolgreicher Komponist von Filmmusik. Eine ähnliche Laufbahn hatte der ungarisch-amerikanische Komponist Miklós Rózsa, der die Musik zu den Film-Klassikern "Ben Hur" und "El Cid" schrieb. Rózsas Andante für Streichorchester erlebt ebenfalls jetzt die israelische Erstaufführung.
"Wir wollen diese Werke vor dem endgültigen Vergessen bewahren", sagt der US-amerikanische Dirigent Michael Hurshell, der die Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden 2007 gründete. Ihr erklärtes Ziel: "Werke von Komponisten jüdischer Herkunft, die in den Jahren 1933 bis 1945 verfemt, verfolgt, vertrieben oder in den KZs ermordet wurden, zu Gehör zu bringen." Einige noch nicht veröffentlichten Noten - wie Rózsas Andante - stöberte Hurshell in Archiven auf.
Auch Mendelssohn steht auf dem Programm
Die Kulturpolitik der Nazis wirft einen langen Schatten. Der zum Protestantismus konvertierte, in einer jüdischen Familie geborenen Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy durfte von 1933 bis 1945 auf keinem Programmzettel erscheinen. Heute ist er zwar häufig auf Konzertprogrammen vertreten, dabei handelt es sich jedoch meist um seine bekanntesten Werke. Dafür werden Werke wie Mendelssohns "Konzert für Violine und Streichorchester in d Moll" in Mitteleuropa eher selten gespielt. Mendelssohns Violonkonzert steht ebenfalls auf dem Israel-Programm der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie Dresden. Solist ist der israelische Geiger Sergey Ostrovsky.
“Bei jeder Probe frage ich zunächst, 'Hat jemand unter euch dieses Werk schon einmal gespielt? Hat jemand dieses Stück schon mal gehört?'" sagt Hurshell, der einen Lehrauftrag für Orchesterdirigieren an der Hochschule für Musik Carl-Maria-von-Weber in Dresden innehat. "Bisher lautet die Antwort immer: 'Nein'".
Die Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden, die größtenteils aus nichtjüdischen Berufsmusikern besteht, tritt zehn- bis zwölfmal im Jahr auf. Meistens wird in der Dresdner Synagoge gespielt. Seit 2012 unternehmen sie auch Konzertreisen ins Ausland, unter anderem nach Frankreich und Polen.
Anlässlich der Feierlichkeiten zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland vor 50 Jahren tritt das Orchester als Botschafter Sachsens in Israel auf.