Wehrtechnik
18. Mai 2013Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im deutschen Bundestag, Rainer Arnold blickt einen Augenblick lang verdutzt vom Podium ins Publikum. Eben hat ihn ein Mann von dort als "Drohnen-Fan" bezeichnet. Tatsächlich sitzt er dort oben auf Einladung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, um über die Problematik von unbemannten militärischen Flugzeugen zu sprechen. Er ist eher kein Freund dieser neuen Kriegstechnik, aber zusammen mit den anderen dort oben - einem Völkerrechtler, zwei Außenpolitikexperten und einem Menschenrechtler - ist er doch der Ansicht, dass künftige militärische Szenarien nicht mehr ohne Drohnen denkbar sind. "Es gibt gute Gründe, diese Technologie in Europa zu entwickeln", sagt der Politiker, aber es sei auch nicht eilig damit. "Wir können alles in Ruhe durchsprechen."
Zweifelhafte Legitimation des Einsatzes
Deutschland hat in den vergangenen Wochen teilweise erhitzt über die Anschaffung einiger weniger Drohnen für die Bundeswehr diskutiert. Immer wieder mit Hinweis auf den Einsatz dieser Waffensysteme durch die USA im Kampf gegen mutmaßliche feindliche Kämpfer in Pakistan und Jemen. Die US-Praxis beim Einsatz von Drohnen ist aus deutscher und europäischer Sicht bestürzend. Der US-Präsident entscheidet über die Tötung von Menschen, die als Bedrohung eingestuft worden sind. "Faktisch werden aber nicht nur einzelne Zielpersonen getötet, sondern ganze Personengruppen, die in ein bestimmtes Verhaltensprofil passen", beobachtet Peter Rudolf von der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Begründet würden die Einsätze mit dem vagen Begriff des Kampfes gegen den Terror, bei dem ohne feste Grenzen Ziele bestimmt werden. "Das ist eine Art der Legitimation, die ich mir bei Deutschland allerdings überhaupt nicht vorstellen könnte." In den USA habe die massenhafte Verfügbarkeit unbemannter Waffensysteme jedoch zu einer Praxis geführt, die völkerrechtlich, aber auch moralisch problematisch sei.
Die Grenzen für den Einsatz von Drohnen im Kampfeinsatz sind tatsächlich recht eng. "Wenn man sie auf dem Gebiet eines anderen Staates einsetzt, zur Selbstverteidigung, dann muss von dort ein bewaffneter Angriff ausgehen", sagt Andreas Zimmermann, er hat den Lehrstuhl für Völkerrecht der Universität Potsdam inne. Selbst bei nichtstaatlichen Angriffen, also etwa von Terrorgruppen, müsse eine Aggression zumindest unmittelbar bevorstehen. Das sei im Allgemeinen nicht der Fall und das derzeitige Vorgehen der USA sehr bedenklich, urteilt Zimmermann. Vor allen Dingen müsse sichergestellt werden, dass keine Zivilisten zu Schaden kämen. Für den SPD-Verteidigungsexperten Arnold liegt auf der Hand: "Es gibt da keinen rechtlichen Klärungsbedarf." Schließlich mache es juristisch keinen Unterschied, ob ein Angriff bemannt oder unbemannt geflogen werde. Allerdings bestimmt die Wahl der Mittel auch das Ergebnis. Arnold gibt zu bedenken, "dass man mit einer Drohne jemanden nicht festnehmen, sondern nur töten kann."
Krieg ohne Risiko
Ein wichtiger Grund, der die ferngelenkten Kampfflugzeuge für Militärs und Regierungen so attraktiv macht, hängt mit der Befindlichkeit der Bevölkerung zusammen. Nicht nur in Deutschland sieht man es mehrheitlich nicht gern, dass Soldaten in gefährliche Einsätze fern der Heimat geschickt werden. Aber, so sind sich die Militärstrategen meist einig, die künftigen Krisenszenarien sind global. Eine Kampfdrohne wirkt da wie der perfekte Ausweg: "Drohnen erlauben es einem, sich den richtigen Moment auszusuchen und zu töten ohne eigenes Risiko", unterstreicht Anthony Dworkin vom European Council on Foreign Relations (ECFR), einer Denkfabrik, die Ideen zur europäischen Verteidigung entwickelt. Aber damit fallen auch Hemmungen weg.
Die Schwelle für Einsätze könnte sinken. "Es fällt Regierungen und Parlamentariern leichter, Einsätze zu beschließen, wenn eigene Soldaten nicht gefährdet sind", gesteht Arnold ein. Der Jurist Zimmermann macht sich darüber hinaus Gedanken über die Zukunft des humanitären Völkerrechts. "Die Schutzbestimmungen funktionieren ja nur deswegen, weil jeder auch Opfer werden kann", führt er aus, "wenn jetzt eine Seite unverletzbar wird, dann kann die andere auch sagen, dann nehmen wir keine Rücksicht mehr und töten jeden, der uns vor die Kalaschnikow kommt."