Droht ein Wasser-Krieg?
18. Januar 2011"Das einzige, um das Ägypten noch einmal Krieg führen würde, ist Wasser!", hat der Friedensnobelpreisträger und frühere ägyptische Präsident Anwar al Sadat einmal gesagt. Diese Drohung hallt in Äthiopien bis heute nach. Das Land ist ebenso wie Ägypten ein Nilanrainer - und es ist in einer paradoxen Lage: Aus Äthiopien kommen mehr als vier Fünftel des Nilwassers für Ägypten, selber dürfen die Äthiopier den Fluss zur Bewässerung ihrer Felder aber nicht nutzen. Grund dafür ist ein Gesetz aus Kolonialzeiten. Damals gab Großbritannien in Ostafrika noch den Ton an und erlaubte Ägypten, den Großteil des Nilwassers zu nutzen. Im Rahmen dieses Abkommens kann Ägypten zudem ein Veto einlegen, wenn andere Anrainer in den Wasserhaushalt des Flusses eingreifen wollen.
Äthiopiens Pläne
Aus Äthiopien stammt das meiste Wasser des Blauen Nils. Das Land lässt sich in jüngster Zeit weder durch ägyptisches Säbelrasseln noch durch koloniale Gesetze beeindrucken. Das Land plant, seine Flüsse künftig intensiv zu nutzen - auch die Nilzuflüsse: Sechs Wasserkraftwerke sollen gebaut und die Bewässerung von Agrarflächen verstärkt werden. Die Äthiopier haben diesen Fortschritt bitter nötig, ihr Land gehört zu den ärmsten der Welt, viele Menschen dort haben weder Zugang zu ausreichend sauberem Wasser noch zu Strom.
Sollte Äthiopien tatsächlich seine Bewässerungssysteme massiv ausbauen, würde der Wasserabfluss nach Ägypten sich verringern, erklärt der Ostafrika-Experte Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Vor allem aber wäre Äthiopien in der Lage, diesen Abfluss zu kontrollieren - und das wolle die Regierung in Kairo verhindern.
Der Nil deckt nahezu den gesamten Wasserbedarf Ägyptens. Rund 95 Prozent der Bevölkerung leben dicht gedrängt auf nur fünf Prozent der Landesfläche im Niltal und im Nildelta. Der Fluss bewässert ihre Felder, liefert Wasser für die Industriebetriebe und versorgt die Bevölkerung mit Trinkwasser. Angesichts dieser Abhängigkeit vom Nil kann es kaum wundern, wenn einige Ägypter es Saddat gleichtun und laut über Militäraktionen zur Sicherung der Wasserversorgung durch den Nil nachdenken.
Nil-Bassin-Initiative
Seit 1999 haben Ägypten, Äthiopien und die anderen acht Anrainerstaaten des größten Flusses der Erde in der Nil-Bassin-Initiative über eine Neuverteilung des Nilwassers verhandelt - ohne Ergebnis. Deshalb schlossen vier Nilanrainer - Äthiopien, Ruanda, Uganda und Tansania - im Jahr 2010 einseitig einen neuen Vertrag. Damit räumen sie sich einen Anspruch auf mehr Wasser aus dem Nil ein. Kenia hat sich dem Quartett bereits angeschlossen. Burundi und die Demokratische Republik Kongo könnten laut Medienberichten folgen.
Wie werden jedoch der Sudan und vor allem Ägypten reagieren, wenn in den nächsten Jahren weniger Wasser den Nil hinab fließen sollte? Politische und wissenschaftliche Beobachter haben zwei mögliche Szenarien entworfen: Es kommt entweder zum Kampf oder zu einer Kooperation.
Marktplatz statt Schlachtfeld
Dass es zu einem Krieg ums Nilwasser kommen wird, halten Afrika-Experten für unwahrscheinlich. Mehrere Gründe sprächen dagegen, meint etwa Sören Schollvin vom German Institute of Global and Area Studies in Hamburg. "Man muss bedenken, dass die meisten dieser Staaten nur in sehr eingeschränktem Umfang in der Lage sind, ihr Militär für zwischenstaatliche Kriege zu aktivieren", so Schollvin. Eine zunehmende Wasserknappheit in Ostafrika werde die Länder dort eher enger zusammenrücken lassen, erwartet der Ostafrika-Experte Stephan Roll. Nach seiner Ansicht wird Ägypten sich zwar auch künftig weigern, weniger Nilwasser als bislang zu nutzen. Ein möglicher Kompromiss könnte aber darin bestehen, Ägypten für einen stärkeren Dammbau am Oberlauf des Nils zu gewinnen, also vor allem im äthiopischen Hochland. Im Gegenzug dürfte Ägypten dem Fluss weiterhin so viel Wasser wie bisher entnehmen. Der Wasserzufluss könnte dadurch stabilisiert und die insgesamt nutzbare Wassermenge erhöht werden. Vorstellbar wäre nach Rolls Ansicht auch ein Wassermarkt in der Region. Auf diesem könnten einzelne Anrainer Wasser kaufen oder auch verkaufen. Konflikte könnten also im wahrsten Sinne des Wortes ausgehandelt werden, anstatt zur Waffe zu greifen.
Autor: Martin Schrader
Redaktion: Klaus Esterluss