Druck wegen Grenzkontrollen wächst
15. Februar 2021Die EU-Kommission hat ihr Missfallen an den deutschen Grenzkontrollen und Einreiseverboten im Zuge der Corona-Pandemie bekräftigt. Ein Sprecher betonte, die jüngsten Empfehlungen seien sehr deutlich - sie sollten der Kompass aller EU-Länder sein. Andernfalls drohten eine Zersplitterung und Störungen der Freizügigkeit. "Wir erwarten von allen Mitgliedstaaten, dass sie diesem abgestimmten Ansatz folgen."
Von nicht-notwendigen Reisen aus Gebieten mit hohen Infektionszahlen sei zwar dringend abzuraten. Grenzschließungen oder pauschale Einreiseverboten sollten jedoch vermieden werden. Die EU-Kommission werde ihre Linie in einem Brief an alle Mitgliedsländer nochmals unterstreichen.
Auch Jutta Paulus, deutsche Europaabgeordnete der Grünen, übte Kritik. Im Gespräch mit der DW sagte sie, es hätte eine frühere europaweite Strategie geben müssen, um die zunehmenden Coronafälle zu bewältigen, ohne die Grenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu schließen. Der Europäische Rat müsse bei seinem Treffen kommende Woche über eine solche Strategie sprechen.
"Kontrollen - keine Schließungen"
Wie die Bundespolizei in Potsdam mitteilte, wurden an den Grenzen zu Österreich und Tschechien binnen 30 Stunden fast 5000 Menschen zurückgewiesen. Das entspreche etwa einem Drittel aller Kontrollierten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hält die Kontrollen im Herzen Europas nach den Worten eines Sprechers für den "absoluten Ausnahmefall". Sie seien notwendig, um das Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Auch der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, verteidigte das Vorgehen. Es gehe um zeitweilige Grenzkontrollen, "nicht um Grenzschließungen".
Aus Österreich war zuvor neuer Protest laut geworden. In einem "konstruktiven Gespräch" habe man den deutschen Botschafter Ralf Beste darauf hingewiesen, dass die "extrem strengen" Maßnahmen "unverhältnismäßig" seien, hieß es aus dem Außenministerium in Wien.
Die Kontrollen hatten erhebliche Auswirkungen auf die Verkehrslage. Vor allem an den deutsch-tschechischen Autobahn-Grenzübergängen bildeten sich kilometerlange Lastwagen-Staus.
Verlängerung wahrscheinlich
Wegen der Ausbreitung neuer Virusvarianten gelten seit Sonntag Einreiseverbote in Deutschland aus Tschechien und weiten Teilen des österreichischen Bundeslandes Tirol. Im Prinzip werden nur noch deutsche Staatsbürger durchgelassen sowie Menschen, die hierzulande ihren Wohnsitz haben. Für grenzüberschreitenden Pendlerverkehr gibt es - ebenso wie für LKW-Fahrer - Sonderregeln.
Vom Beförderungsverbot sind aber auch Staaten betroffen, die keine direkte Grenze mit Deutschland haben, etwa Großbritannien und Portugal. Fluggesellschaften, Busunternehmer und die Bahn dürfen niemanden von dort, der nicht unter die Ausnahmen fällt, in die Bundesrepublik bringen. Nach Angaben aus Regierungskreisen wird die Verordnung, die zunächst bis Mittwoch gilt, vermutlich verlängert.
Unterdessen wächst in Frankreich die Sorge, dass auch an den gemeinsamen Grenzen mit den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland verschärfte Kontrollen eingeführt werden könnten. Im Radiosender France Inter sagte Europa-Staatssekretär Clément Beaune, er stehe mit den Ministerpräsidenten auf deutscher Seite im Gespräch, "damit es keine bösen Überraschungen gibt". Es dürften keine Entscheidungen fallen, die nicht abgestimmt seien. Im französischen Département Moselle waren in den vergangenen Tagen mehr als 300 Infektionen mit der südafrikanischen Variante des Coronavirus nachgewiesen worden, die als besonders ansteckend gilt.
jj/ehl (dpa, afp, rtr, DW)