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Dschihad in Syrien

Kersten Knipp11. April 2013

In Syrien haben sich die islamistischen Terrororganisationen Al-Kaida und Al-Nusra zusammengetan. Damaskus könnte für sie nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zu einem ganz anderen Ziel sein.

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Kämpfer der Al-Nusra-Front (Foto: AP)
Kämpfer der Al-Nusra-FrontBild: picture-alliance/AP

Zusammenarbeit ja, Zusammenschluss nein. So lautet die vorläufige Vereinbarung zur Annäherung der islamistischen Terrorgruppen Al-Kaida und der Al-Nusra-Front auf syrischem Boden. Am Dienstag (09.04.2013) hatte Abu Bakr al-Bagdadi, der Führer von Al-Kaida im Irak, erklärt, die Al-Nusra-Front sei "ein Zweig des Islamischen Staats Irak". Dem wollte Abu Mohammed al-Golani, Leiter der Al-Nusra-Front, am Mittwoch nur bedingt zustimmen. Ja, man werde den Anweisungen von Al-Kaida folgen, erklärte er. Einen Zusammenschluss werde es allerdings nicht geben. Das Banner von Al-Nusra werde darum weiter in gewohnter Optik - ohne Al-Kaida-Insignien - über Syrien flattern.

Wie auch immer sich die Terrorgruppen in Syrien koordinieren werden, ihre Schlagkraft ist jetzt schon beachtlich. Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht. Der irakische Terrorexperte Jassim Mohamad geht im Gespräch mit der DW aber von rund 10.000 islamistischen Kämpfern in Syrien aus. Etwa 7000 davon sind nach Mohamads Schätzung Kämpfer der Al-Nusra-Front - was auf Deutsch so viel wie Front des Sieges bedeutet.

Mitglieder der Al-Nusra-Front in Syrien (Foto: AP)
Zweifelhafte Freiheitskämpfer: Al-Nusra-Miliz in SyrienBild: picture-alliance/AP

Kämpfer aus dem Ausland

Die meisten dieser Kämpfer seien nach Ausbruch der syrischen Revolution aus dem Ausland gekommen, sagt der Terrorexperte. Einer Studie des US-amerikanischen "Institute for the Study of War" zufolge stammt ein Teil der Dschihadisten aber auch aus Syrien selbst. Hervorgegangen seien sie aus den terroristischen Netzwerken, die die syrische Regierung in den vergangenen drei Jahrzehnten aufgebaut habe. Einige dieser Gruppen seien im Jahr 2012 dann zu den syrischen Oppositionskräften übergelaufen. Dort hätten sie dazu beigetragen, ein logistisches Netzwerk aufzubauen. Ebenso hätten sie ihre strategische und militärische Erfahrung und ihre Kenntnisse des syrischen Geheimdienstes eingebracht. Vor allem hätten sie neue Kämpfer aus dem Ausland rekrutiert. "Diese Netzwerke haben es dann radikaleren Gruppen ermöglicht, in die syrische Opposition einzudringen und sie als Plattform für ihre eigenen ideologischen Zwecke einzusetzen", so die Studie.

Die ausländischen Dschihadisten verfolgten inzwischen ganz eigene Ziele, erklärt Jassim Mohamad. "Sie kamen nicht nach Syrien, um Baschar al Assad zu bekämpfen. Sie kamen, um in Syrien einen islamischen Staat aufzubauen." Darum würden die Gruppen nach einem Sturz Assads auch nicht aus Syrien abziehen. Denn ihre eigentlichen Ziele hätten sie damit noch gar nicht erreicht. "Es geht ihnen darum, sich als Avantgarde des islamischen Dschihad gegen Israel zu präsentieren. Und es geht ihnen um einen islamischen Staat in Syrien."

Westerwelle warnt

Ähnlich sieht man die Lage auch im deutschen Außenministerium. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erläuterte Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch die Schwierigkeiten, vor die sich die deutsche Außenpolitik durch die Präsenz der Dschihadisten gestellt sehe: "Einerseits wollen wir gemäßigten Kräften der Opposition helfen. Andererseits wollen wir einen Flächenbrand verhindern, der große Auswirkungen auf den Irak, Jordanien, den Libanon, die Türkei und auch Israel haben könnte. Ich fürchte, dass im Denken mancher Islamisten Damaskus nur ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Jerusalem ist."

Guido Westerwelle beim Treffen der Außenminsiter der G-8 in London, 11.4. 2013. (Foto: AFP/Getty Images)
Ringt mit dem syrischen Dilemma: Außenminister Guido WesterwelleBild: Leon Neal/AFP/Getty Images

Das Ansinnen, die Opposition durch Waffenlieferungen zu unterstützen, sei darum sehr problematisch, erklärt Roderich Kiesewetter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. In Afghanistan und in anderen Kriegen, in denen es um Religionsfragen gehe, habe man gesehen, dass sich die Waffen sehr rasch gegen nicht-muslimische Kräfte und auch gegen westliche Kräfte richten können. "Deswegen muss man, wenn man Waffen liefert, sehr sorgfältig überlegen, an wen", erklärt der CDU-Politiker im Gespräch mit der DW.

Waffenlieferungen als Bumerang

Ähnlich sieht es auch Jassim Mohamed. Wollte der Westen zum Sturz des Assad-Regimes beitragen, stünden ihm dafür eigene Truppen bereit. Die Opposition zu bewaffnen, sei aber ein Fehler. Seinen Informationen zufolge horteten die Dschihadisten die Waffen bereits, um sie nach dem Sturz Assads gegen andere Kräfte einzusetzen: "Sei es gegen die syrische Armee, gegen die NATO oder Amerika."

Der Verzicht auf Waffenlieferungen hat allerdings einen Preis: Die syrische Bevölkerung hat den Eindruck, dass die Dschihadisten die einzigen Kräfte sind, die ihnen tatsächlich beistehen. Das könnte sie veranlassen, sich mit ihnen und ihrer extremistischen Ideologie zu identifizieren. Genau das, fürchtet die panarabische Tageszeitung Al Hayat, könnte ausgerechnet der Regierung Assad von Nutzen sein. "Neben der russisch-iranischen Unterstützung und der Gleichgültigkeit des Westens verleiht auch das Projekt eines 'islamischen Staates' dem Regime in Damaskus neue Stärke."

Syrische Zivilisten bei der Essensausgabe der UN-Welternährungsorganisation in Aleppo am 07.02.2013. (Foto: dpa)
Zwischen allen Fronten: Syriens ZivilistenBild: picture-alliance/dpa

Politisches Dilemma

Die Dschihadisten in Syrien stellen die westliche Politik vor ein politisches Dilemma: Liefert sie Waffen, könnten sie in falsche Hände geraten. Liefert sie sie nicht, riskiert sie den Vorwurf der Gleichgültigkeit gegenüber der menschlichen Katastrophe, die sich seit Jahren in Syrien ereignet. Aus dieser schwierigen Lage führe nur eines heraus, erklärt Roderich Kiesewetter: Assads Abschied von der Macht. Und der, davon ist Kiesewetter überzeugt, wird noch in diesem Jahr erfolgen.

Gelöst seien die Probleme damit allerdings nicht, im Gegenteil: "Dann wird sich der Unmut der Opposition gegen die Assad bisher stützenden Minderheiten, auch Christen und Drusen, richten. Und ich glaube, auf diesen Tag müssen wir uns vorbereiten", fordert der CDU-Außenpolitiker.